Doc Morris liefert – Pillenladen schließt
Von Oliver Rast
Das klingt doch gut: Eine Vorortversorgung nicht nur mit Lebensmitteln, auch mit Medikamenten; rezeptfreien, rezeptpflichtigen – ganz gleich. Nur, mancherorts fehlt die Anlaufstelle, die Apotheke. Und das Netz dünnt weiter aus, so der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Thomas Preis, am Montag in Düsseldorf vor Beginn des Deutschen Apothekertages (16. bis 18. September).
Allein im ersten Halbjahr haben 240 Standorte – Haupt- und Einzelapotheken – dichtgemacht, hingegen nur 23 neu eröffnet. Rund 16.800 Apotheken (einschließlich Filialen) gibt es hierzulande noch. Der ABDA zufolge der niedrigste Stand seit 1978. Damit wurde binnen zehn Jahre etwa jeder sechste Standort geschlossen. Und: Der Rückgang der Zahl der Apotheken betrifft längst nicht nur den ländlichen Raum, es existierten leider immer mehr Bezirke in großen Städten, wo es keine Apotheke gebe, weiß Preis. Kurzum, das Apothekensterben geht weiter.
Wenig verwunderlich: Die Stimmung bei inhabergeführten Apotheken und filialen Arzneimittelhandlungen ist mies. Die Gründe: Bürokratieaufwand, Lieferengpässe, zu geringe Leistungshonorierung. Besonders letzteres drückt auf Erträge. Zunächst, die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) müssen das Fixhonorar für Apotheker zahlen, wenn diese verschreibungspflichtige Medikamente an Versicherte abgeben. Das ist gesetzlich in der Arzneimittelpreisverordnung sowie im Sozialgesetzbuch geregelt. Nur, das Honorar wurden seit 2004 nicht mehr angepasst. Laut »schwarz-rotem« Koalitionsvertrag soll es nun aber einmalig um 1,15 Euro auf 9,50 Euro erhöht werden. Künftig soll die Vergütung zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Apotheken verhandelt werden – ein Schritt hin zur sogenannten Dynamisierung. Die Partei Die Linke forderte unlängst, neue Apothekeraufgaben wie Impfungen oder Gesundheitsprävention besser zu honorieren.
Krankenkassenvertreter warnen. Etwa der Verband der Ersatzkassen (Vdek). Höhere Honorare würden die Ausgaben der GKV für Arzneien um nahezu eine Milliarde Euro verteuern. »Sollte die Bundesregierung an der Erhöhung des Festzuschlages festhalten, brauchen wir zwingend eine Gegenfinanzierung«, wurde Boris von Maydell, Vertreter des Vdek-Vorstandes, am Montag in einer Mitteilung zitiert. Der prozentuale Zuschlag auf den Apothekeneinkaufspreis müsse dann gedeckelt werden.
Zu schaffen macht den Vorortapotheken ferner die Onlinekonkurrenz. Internetbestellungen bei Doc Morris oder Shop Apotheke florieren. Aber, das Apothekensterben sei ein Mythos, sogar »Panikmache«, äußerte der europäische Verband der Onlineapotheken EAEP am Montag via Statement. Der Verband bezieht sich dabei auf eine Auswertung aktueller Versorgungsdaten des Bundesapothekenregisters. Demnach schlössen solche Einrichtungen vor allem dort, »wo es ohnehin eine hohe Apothekendichte gibt.« Von einer Krise könne keine Rede sein; die Versorgung der Bevölkerung bleibe stabil – auch auf dem Land. Zudem, die digitale Arzneimittelbestellung sei »Versorgungsrealität«, betonte der Kopräsident der EAEP, Olaf Heinrich. Onlineapotheken seien nicht das Problem – »sie sind längst Teil der Lösung. Wer das ignoriert, verhindert Fortschritt und belastet das System unnötig.«
Hiervon unabhängig, stationäre Apotheken sind Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Und mittels eines Versorgungsatlas wären lokale oder regionale Unterversorgungen sichtbar. Problem: Der fehlt bislang. Nicht gut.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Christel H. aus Aschersleben (17. September 2025 um 13:50 Uhr)Was ist denn das schon wieder für eine Geisterzahl? Wie soll ich denn das Jahr 1978 interpretieren? Damals hatten wir zwei deutsche Staaten und damit auch zwei völlig unterschiedlich organisierte Apothekenwesen. Ist damit eine westdeutsche Statistik gemeint oder sind die Apotheken der DDR mit eingerechnet? Hier wird mal wieder über Äpfel und Birnen geredet. In der DDR waren Medikamente überwiegend verschreibungspflichtig und – soweit ich mich daran erinnern kann – auch erhältlich. Zudem wurden Hustenbonbons und Fieberthermometer verkauft. Es gab nur einen Bruchteil der heutigen Medikamente, die allerdings auch ihren Nutzen nachweisen mussten. Die wirksame Schmerz- und Fiebertablette Gelonida wurde beispielsweise in Bulgarien hergestellt, war aber immer vorrätig. Kann das Nichtvorhandensein von dringend erforderlichen Medikamenten – hier euphemistisch Lieferengpässe genannt – auch daran liegen, dass hier Pharmakonzerne konkurrieren und diese bei nicht genügend Profit auch einfach mal die Herstellung verweigern? Der Staat nimmt keinen Einfluss darauf und lässt den Markt machen. Es handelt sich ja nur um die Gesundheit von Patienten. Wenn ich heute in eine Apotheke komme, frage ich mich, wer den überflüssigen, sinnfreien Müll, der in den Regalen liegt, kaufen soll. Zumal habe ich an zwei ganz konkreten Beispielen erfahren, dass es mit der Beratung von manchen Apothekern nicht weit her ist.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (16. September 2025 um 21:44 Uhr)Versorgungsatlas schön und gut. Wie wäre es denn mit mehr Prävention im Gesundheitswesen? Womöglich bräuchte man dann weniger Medikamente und invasive Therapien. Angefangen bei niederschwelligem Gesundheitssport (in der Gruppe, angeleitet von ehrenamtlichen ÜbungsleiterInnen) bis zur professionellen Physiotherapie und zu Kochkursen. Ergonomie am Arbeitsplatz, auch psychische? Das krankgesparte Gesundheitssystem könnte durch ein ganzheitliches Konzept das vorhandene Geld wesentlich zielführender einsetzen. Private können es halt nicht besser!
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