»Der Rechtsruck hat etwas sehr Bedrohliches«
Interview: Henning von Stoltzenberg
Die Linkspartei hat bei den Kommunalwahlen in NRW ihr Durchschnittsergebnis im Vergleich zu 2020 verbessern können, liegt aber deutlich unter dem von der Spitze erhofften Wert von um die zehn Prozent. Worauf führen Sie den Ausgang zurück?
Die Linke ist flächendeckend präsent und hat deutlich zugelegt. Das hatten wir in der Form in NRW bisher nicht. Mit 5,6 Prozent im Landesdurchschnitt konnten wir zwei Prozentpunkte zulegen. Und wir konnten sogar acht Direktmandate holen. Die Zahl unserer landesweiten Kandidaturen in Städten, Gemeinden und Bezirksvertretungen zeigt, dass wir vor Ort deutlich stärker geworden sind. Der Einsatz unserer Mitglieder und Unterstützer hat Die Linke so sichtbar gemacht. Dieses damit gelegte Fundament wollen wir in den kommenden Jahren ausbauen.
Was bedeutet »flächendeckend«?
Wir sind in Nordrhein-Westfalen in allen 53 Landkreisen und kreisfreien Städten, in 178 kreisangehörigen Kommunen sowie in 137 Bezirksvertretungen angetreten. Das sind insgesamt 368 Wahlantritte, darunter 63 neue. Mit zahlreichen Kandidaturen für Bürgermeister- und Landratsämter haben wir unseren Anspruch unterstrichen, in der kommunalen Politik eine entscheidende Rolle zu spielen.
Welche Themen standen im Wahlkampf der Linkspartei besonders im Vordergrund?
Bezahlbares Wohnen, verlässliche öffentliche Daseinsvorsorge, gute Bildung und Gesundheit. Wir kämpfen in den Kommunen für Gerechtigkeit, Menschenrechte und eine offene Gesellschaft. Das haben viele Menschen honoriert und uns dafür ihre Stimme gegeben. Die Linke ist die verlässliche Ansprechpartnerin für eine sozial engagierte und demokratische Zivilgesellschaft. Besonders betont haben wir bei allen unseren Aktivitäten unseren entschlossenen Einsatz gegen rechte Hetze.
Soweit, so positiv, aber da sind wir beim Thema: Was sagen Sie zu 14,5 Prozent für die AfD, die ihre Stimmen deutlich mehr als verdoppeln konnte?
Der Rechtsruck in NRW und bundesweit hat schon etwas sehr Bedrohliches. Bekanntlich hat die AfD keine Lösungen anzubieten. Sie versucht mit ihren Hetzparolen, die sich in erster Linie gegen Geflüchtete, Migranten, Queers und Menschen mit Armutserfahrung richten, die Gesellschaft weiter zu spalten. Die Kürzungen der Bundesregierung im sozialen Bereich, aber auch Preissteigerungen spielen den Rechten in die Hände, die den Betroffenen die Schuld an ihrer Situation zuschreiben.
Ist allen klar, wessen Interessen diese Partei vertritt?
Wer genau hinsieht und auch das Abstimmungsverhalten der AfD im Bundestag berücksichtigt, kann genau erkennen, dass die AfD eine Partei des Kapitals ist. Das werden wir bei jeder sich bietenden Gelegenheit weiter betonen. Wir halten weiter dagegen und bieten soziale und solidarische Lösungen für alle Menschen an, statt der rassistischen und nationalistischen Parolen der AfD, in deren Windschatten weitere rechte Gruppierungen segeln und sich weiter radikalisieren.
Das klingt kämpferisch.
Wir sind und wir bleiben die konsequenteste Kraft gegen rechtes Gedankengut. Das ist gerade vielen jungen Menschen wichtig, die uns deswegen wählen und der Linken beitreten.
Diese jungen Menschen sehen auch, wie die anderen Parteien des bürgerlichen Blocks sich in sozialen Fragen immer weiter nach rechts bewegen. Auch da sparen wir nicht an Kritik, im Gegenteil. Wir sind in sozialen Fragen die linke Opposition in allen kommunalen Gremien und das wird zunehmend erkannt.
Wie gelingt es denn, linke Kommunalpolitik zu vermitteln, die oft mit Verwaltungsvorlagen in Verbindung gebracht wird?
Kommunalpolitik ist die quasi die politische Basis, wo Entscheidungen getroffen werden, die direkt vor der Haustür sichtbar sind. Es kommt darauf an, die wichtigen Fakten aufzugreifen und linke Forderungen und Anträge entgegenzusetzen. Wir setzen seit einiger Zeit auf Haustürgespräche, und das nicht nur im Wahlkampf. Da können wir sicher noch stärker werden, aber in einigen Städten läuft das richtig gut. Im Social-Media-Bereich haben wir auch noch mal eine Schippe draufgelegt und erreichen darüber viele, vor allem junge Menschen mit unseren sozialistischen Inhalten und kommunalpolitischen Forderungen.
Sascha H. Wagner ist Landessprecher der Partei Die Linke in NRW und Bundestagsabgeordneter
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Leserbrief von Marcel Mengershausen aus Potsdam (19. September 2025 um 11:47 Uhr)Während sich die Linke am Zuwachs von Mehrstimmen erfreut, wütet draußen die unzufriedene Meute. Rechtspopulismus ist kein neues Phänomen, sowohl europa- als auch weltweit und die Linke hat zu Recht Furcht vor dieser Entwicklung. Denn es wirkt nicht nur bedrohlich, sondern sorgt für eine zersetzende soziale Dynamik, die eine finanzmarktkapitalistische Entwicklung und ein neoliberaler Diskurs schon mal in Stoßrichtung gebracht hat. Die proletarische Masse scheint angesichts der vielen Krisen so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie es nicht bemerkt, wie sie wieder und weiter enteignet wird. In Deutschland ist es insbesondere ein stetiger Sozialabbau, beispielsweise im Bereich der Daseinsfürsorge. Diese Entwicklung vergiftet die Kommunikation zwischen den Menschen. Eine Spaltung der proletarischen Masse als Reaktion scheint daher plausibel. Und die sozioökonomisch-politischen Entscheidungsprozesse der letzten Jahrzehnte, haben wesentlich dazu beigetragen. Finanzpolitische Entscheidungen gehen oft zu Lasten von Menschen, die volkswirtschaftlich gesehen die vulnerabelsten Gruppen sind. Die Rechte macht sich dies zu nutze und fängt wie Bauernfänger die Wutbürger auf und polarisiert das Meinungsklima der Gesellschaft. Es ist einerlei, ob es bei den Forderungen und Absichten (bezahlbares Wohnen, Daseinsvorsorge, Bildung und Gesundheit) der Linken um einen Stimmenfang geht oder diese Wahlprogramme sich tatsächlich in den politischen Diskursen und den Gesellschaftsverhältnissen niederschlagen. Der stumme Zwang kapitalistisch-ökonomischer Verhältnisse wird durch reine Kompromissbereitschaft und ein paar Zuwächse an Wählerschaft nicht außer Kraft gesetzt. Während wir hier debattieren, reproduziert sich das Kapital passiv-aggressiv weiter in den Wirren sozialer Kämpfe und kann Spaltungen für sich nutzen. Wenn die Linke das nicht kapiert, brauchen wir uns um Wahlerfolge keine Gedanken mehr machen. Dann haben wir ein anderes Problem, ein gesellschaftliches.
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Leserbrief von Hans Wiepert aus Berlin (17. September 2025 um 20:59 Uhr)Der Linke-Zuwachs nimmt sich in NRW eher bescheiden aus: Bei der Bundestagswahl konnte man mit plus 3,9 Prozentpunkten quasi komplett von den Verlusten der Grünen (minus 3,1 Punkte) profitieren. Jetzt in NRW stürzten die Grünen um über sechs Punkte ab, während die Linke gerade mal 1,8 Punkte zulegen konnte (und etwa das Landtagswahlergebnis von 2010 erreichte). Die Grünfizierung der Linken als Erfolgsrezept hat wohl ihren Zenit überschritten. Dort, wo das BSW nicht antrat, wurde die Linke wohl als kleineres Übel noch mal angekreuzt – während sie vermutlich erneut Arbeiterwähler an die steil ansteigende AfD abgab.
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