Mieterschutz in den Sternen
Von Ralf Wurzbacher
Haushalte mit rund 4,2 Millionen Menschen hatten 2024 in Deutschland Probleme, ihre Strom- und Gasrechnungen zu begleichen, und gerieten dadurch in Zahlungsverzug. Wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte, betraf das insgesamt rund fünf Prozent der Gesamtbevölkerung, mehrheitlich allerdings Mieterinnen und Mieter (6,4 Prozent von ihnen sind betroffen). Besitzer von Häusern oder Eigentumswohnungen kamen anteilsmäßig nur auf etwa die Hälfte der Fälle (3,4 Prozent). Es liegt nahe, dass vor allem horrend gestiegene Mieten vermehrt zu Notlagen führen. Abhilfe soll wohl erst in zeitlich weiter Ferne geschaffen werden: Die sogenannte Mietrechtskommission kam am Dienstag zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Sie soll im speziellen Wege finden, die »Mietpreisbremse« zu schärfen.
Die ist bekanntlich ein stumpfes Schwert. Seit Inkrafttreten Mitte 2015 haben Mieten in den Großstädten um durchschnittlich 50 Prozent zugelegt. Dabei sollte sie eigentlich in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt wirken. Das geht auch auf die vielen Schlupflöcher zurück, die es Eigentümern leicht machen, die Vorgaben zu unterlaufen. So läuft die Bestimmung bei möblierten Wohnungen ebenso ins Leere wie bei sogenannten Indexmieten, die sich an der Entwicklung der Verbraucherpreise orientieren. Mieter sind nahezu machtlos, ihre Rechte durchzusetzen. Das alles weiß die Politik, mühte sich aber nicht, das Gesetz nachzubessern. Vielmehr wollte es vor allem die Union wieder abschaffen. Doch der Bundestag hat die Regelung kürzlich bis Ende 2029 verlängert.
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) baut zusätzlich auf die von ihr berufene Expertenkommission. Neben einer Bußgeldregelung für Verstöße gegen die »Mietpreisbremse« hat sie die Neufassung des Bußgeldtatbestands des Mietwuchers zum Ziel. »Wer die Mietpreisbremse ignoriert, dem müssen spürbare Konsequenzen drohen. Wer Wuchermieten verlangt, darf damit nicht durchkommen«, erklärte Hubig dazu. Allerdings gibt es für die schwarzen Schafe eine stattliche Schonfrist, noch dazu mit open end. Seine Vorschläge will der Fachzirkel planmäßig erst zum Jahresende 2026 präsentieren, und was danach daraus wird, steht in den Sternen.
Die Kommission entstammt einer Ankündigung im Koalitionsvertrag von Union und SPD, die darin eine ganze Reihe strittiger Themen auf die lange Bank schieben. Zu den Beteiligten gehören neben führenden Immobilien- und Wirtschaftsverbänden der Deutsche Städtetag, der Deutsche Richterbund, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der Sozialverband VdK und der Deutsche Mieterbund (DMB). Dessen Präsidentin, Melanie Weber-Moritz, nannte eine Reform des Mietwucherparagraphen am Dienstag »überfällig«. Einige Vermieter verlangten Preise, »die die örtliche Mietspiegelspanne um weit mehr als 20 Prozent überschreiten«. Paragraph 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes, der ungebührende Mietpreisüberhöhungen als Ordnungswidrigkeit einstuft, müsse wieder »praxistauglich« gemacht werden.
Schon heute gebe es Städte, die gegen Mietwucher tätig würden, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städtetags, Christian Schuchardt, der Rheinischen Post vom Dienstag. Jedoch sei der Aufwand immens. Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) will die »Mietpreisbremse« demnach loswerden, nannte sie »kontraproduktiv« und »abschreckend für Investitionen in den Neubau«. Ministerin Hubig will im laufenden Jahr noch weitere »wichtige Verbesserungen für Mieterinnen und Mieter« an den Start bringen, darunter neue Regeln für Indexmietverträge, möblierte Wohnungen, Kurzzeitvermietungen und Schonfristzahlungen.
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