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Aus: Ausgabe vom 17.09.2025, Seite 4 / Inland
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Kontrolle vor Förderung

»Demokratieförderung«: Bundesfamilienministerin kündigt Kürzungen und Überprüfungen durch Verfassungsschutz an
Von Kristian Stemmler
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Gegen die AfD, aber nicht mit »linken Aktivisten«: Demonstranten in Berlin (25.1.2025)

Wenn der Verfassungsschutz den Daumen senkt, gibt es kein Geld vom Staat. Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) hat am Dienstag öffentlich verkündet, was sie vor zehn Tagen bereits in einem Brief an die Mitglieder der Unionsfraktion mitgeteilt hatte: Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die sich für Mittel aus dem Programm »Demokratie leben!« bewerben, sollen künftig »anlassbezogen« vom Inlandsgeheimdienst überprüft werden. Und »linke Aktivisten« sollen gar nicht mehr gefördert werden.

In einem Interview mit der Welt begründete Prien das mit dem Verdacht, aus dem Programm seien zuletzt immer mehr »linksgerichtete Gruppen« gefördert worden. Es könne nicht die Lösung sein, »Rechtsextremismus über die Förderung linker Aktivisten beenden zu wollen«, so die Ministerin, die zudem eine Kürzung des Programms »aufgrund des Sparzwangs« ankündigte. Im Brief an die Fraktionsmitglieder hatte Prien bereits erklärt, das Ministerium wolle »die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden und der wissenschaftlichen Extremismusforschung« verstärken und deren Erkenntnisse in der »Programmsteuerung« besser berücksichtigen. »Es gebe mehr als 400 direkte Partner und mehr als 3.000 Projekte als Letztempfänger« der Bundesmittel, deren Strukturen und Ziele geprüft würden. In einem ersten Schritt sei bereits eine »breit angelegte Verfassungsschutzprüfung« eingeleitet worden.

Gegenüber der Welt betonte die Ministerin, nur Organisationen, »die zweifelsfrei auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen«, könnten staatliche Förderung bekommen. Es würden aber nicht sämtliche Empfänger durchleuchtet, das sei »nicht verhältnismäßig«. Die »Sicherheitsbehörden« würden vielmehr »anlassbezogen vorgehen«. Die Empfänger von Mitteln aus dem Programm würden zunächst im Ministerium geprüft. »Wenn wir Grenzüberschreitung erkennen und Handlungsbedarf der Sicherheitsbehörden sehen, werden wir die einschalten«, so Prien.

Die CDU-Politikerin vergaß auch nicht, die Ampelkoalition dafür zu rügen, beim Ausspähen der Fördermittelempfänger zu lasch gewesen zu sein. Von entsprechenden Kontrollen habe diese »nur sehr vereinzelt Gebrauch gemacht«. Die Anzahl der Prüfungen habe im einstelligen Bereich gelegen. »Es war ein Fehler, nicht genauer hinzuschauen«, monierte Prien. So seien mit dem Geld von »Demokratie leben!« in den vergangenen Jahren »vermehrt linke Aktivisten und deren Strukturen unterstützt wurden oder Projekte, aus deren Reihen einzelne sich mit antisemitischen Parolen zu Wort gemeldet hatten«.

Angesichts solcher Ankündigungen ist zu vermuten, dass etwa Vereinen der Geldhahn zugedreht wird, wenn sie palästinasolidarisch aktiv sind oder auch nur ansatzweise Israel kritisieren. Prien wies darauf hin, dass im Koalitionsvertrag verabredet worden sei, dass mit staatlichen Geldern »keine antisemitischen Aktivitäten« mehr gefördert werden sollen. Es müssten Wege gefunden werden, »wie wir zum Beispiel Organisationen, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen, rechtssicher von Förderungen ausschließen«, sagte die Ministerin. Das werde aktuell in der Bundesregierung diskutiert. Eine »Extremismusklausel«, wie sie die damalige CDU-Familienministerin Kristina Schröder 2011 eingeführt hatte, sei »nicht der richtige Weg«, auch weil es juristische Bedenken gebe. Die Klausel verlangte von Fördergeldempfängern ein Bekenntnis zur »freiheitlich-demokratischen Grundordnung«.

Aus den Reihen von Union und AfD hatte es zuletzt immer wieder Vorwürfe gegeben, dass im Rahmen von »Demokratie leben!« Organisationen gefördert würden, die sie als »eher linksgerichtet« betrachten. Die Unionsfraktion hatte Anfang des Jahres einen umfassenden Fragenkatalog an die damalige Bundesregierung gerichtet, in dem sie sich nach der Vergabe von Fördergeldern erkundigte. Gefragt wurde unter anderem nach Organisationen wie Greenpeace, Deutsche Umwelthilfe, Campact, Amadeu-Antonio-Stiftung und BUND, also Organisationen, die allenfalls als linksliberal, aber kaum als links bezeichnet werden können.

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