Gegründet 1947 Montag, 1. September 2025, Nr. 202
Die junge Welt wird von 3036 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 26.08.2025, Seite 5 / Inland
Gesunheitspolitik

Approbation mit Hindernissen

NRW: Prüfverfahren bei Medizinern aus Drittstaaten dauern bis zu 16mal länger als bei EU-Kollegen
Von Oliver Rast
Arzt_63142951.jpg
Fachkräfte verzweifelt gesucht – vor allem in Kliniken im bevölkerungsreichsten Bundesland (Freiburg, 3.7.2015)

Es ist ein Hindernislauf: für Mediziner aus Nicht-EU-Staaten beim Anerkennungsverfahren ihrer ärztlichen Abschlüsse – besonders in NRW. Im bevölkerungsreichsten Bundesland gelten die Standards bei dokumentenbasierten Prüfungen bzw. mündlich-praktischen Kenntnisprüfungen als die härtesten im Ländervergleich, berichtete die Rheinische Post (RP) am Montag online.

Und sie dauern extra lange, belegen Daten aus dem Gesundheitsministerium von Karl-Josef Laumann (CDU). In NRW dauerte im vergangenen Jahr die Anerkennung von 2.688 Abschlüssen aus Drittstaaten im Schnitt 69,4 Tage – bei 669 EU- und Schweizer Anträgen nur 4,42 Tage. Also knapp das 16fache.

Wer erkennt medizinische Auslandsabschlüsse in NRW an? Die ZAG, die Zentrale Anerkennungsstelle für Gesundheitsberufe mit Sitz in der Bezirksregierung Münster. Geprüft werden die Antragsteller für eine Approbation von den beiden Ärztekammern des Landes. Rechtlich vorrangig ist bislang die »Gleichwertigkeitsprüfung« auf Dokumentbasis. Das heißt, der Antragsteller muss bei der ZAG erforderliche Unterlagen einreichen, die dann inhaltlich begutachtet werden. Die steigende Zahl der Antragsverfahren im vergangenen Jahr hat zu einem deutlichen Anstieg der Verfahrensdauer geführt. Werden während dieses Verfahrens wesentliche Unterschiede zu hiesigen Abschlüssen festgestellt, die nicht durch Berufserfahrung ausgeglichen werden können, ist die Kenntnisprüfung nötig.

Und der Verfahrensunterschied zwischen Ärzten aus der EU und Drittstaaten? »EU-Staatler erfahren eine automatische Anerkennung, Nicht-EUler unterliegen weitergehenden Prüfungen der Unterlagen«, erklärte Volker Heiliger, Kommunikationsleiter der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL), am Montag gegenüber jW. Wie lange liegen Approbationsanträge bei der ÄKWL auf dem Verfahrensstapel? Heiliger: Im Schnitt drei Wochen, auch Wunschtermine für Prüflinge sind möglich.

Rund die Hälfte der Aspiranten hat die Kenntnisprüfung 2024 in NRW im ersten Anlauf geschafft, fast alle weiteren beim zweiten, spätestens beim dritten Versuch. Lediglich sechs Kandidaten fielen durch. Übrigens: Die Antragsteller mit Qualitätsnachweis aus Nicht-EU-Staaten stammen mehrheitlich aus dem Iran, Russland, Syrien und Belarus.

Die »schwarz-grüne« Koalition in NRW unterstützt eine Bundesratsinitiative des Freistaats Bayern vom Juni vergangenen Jahres für eine beschleunigte Berufsanerkennung. Dabei soll die mündlich-praktische Kenntnisprüfung für Ärzte zum Regelfall im Anerkennungsverfahren werden. Änderungen in der Bundesärzteordnung und der Approbationsordnung sind dafür notwendig.

Für Martin Vincentz (AfD) sei eine »partielle Berufserlaubnis« während des Anerkennungsverfahrens denkbar, aber »unter Aufsicht«, so der Fraktionsvorsitzende am Montag auf jW-Anfrage. Qualitätsstandards dürften keinesfalls abgesenkt werden. Davon ist auch keine Rede. Allein 2024 seien mit rund 14.000 Anerkennungsverfahren in medizinischen Berufen 27 Prozent mehr abgeschlossen worden als im Vorjahr, sagte die Fraktionssprecherin für Gesundheitspolitik von Bündnis 90/Die Grünen, Meral Thoms, gleichentags gegenüber jW. »Diese immense Steigerung ist ein Beleg für den hohen Bedarf und die wachsende Bedeutung ausländischer Fachkräfte.«

Das bekräftigt ferner Sabine Schindler-Marlow von der Ärztekammer Nordrhein gegenüber dieser Zeitung. Aktuell seien knapp ein Viertel der Ärzte in der Altersgruppe der über 65jährigen. »Ohne Zuwanderung wäre die medizinische Versorgung in Nordrhein – vornehmlich in Krankenhäusern – kaum noch zu leisten.« Grund genug, Hürden aus dem Weg zu räumen.

75 für 75

Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.

 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

Regio:

                                                                 Aktionsabo: 75 Ausgaben für 75 Euro