Ärzte proben Aufstand
Von Dieter Reinisch, Wien
Zahlreiche Arzttermine werden am Montag in Kärnten ausfallen müssen: Im südlichsten Bundesland Österreichs kommt es am Vormittag zu einem Warnstreik der Mediziner. Nur zwei Stunden soll er dauern, aber ein Probelauf für größere Arbeitskämpfe in ganz Österreich sein. Die Ärzte wollen von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), der größten Krankenversicherung des Landes mit 7,6 Millionen Versicherten, höhere Vergütungen für die Behandlung von Kassenpatienten erreichen.
Seit Wochen hängen in den 480 Arztpraxen in Kärnten Plakate, auf denen Patienten über den Hauptgrund für den Streik informiert werden. Die »unfaire« Bezahlung der Ärzte durch die Gesundheitskasse ist Stein des Anstoßes – bei Ausweitung der Leistungen. »Unsere Medizin ist wertvoll – aber wird nicht so bezahlt«, ist da zu lesen. »Es muss immer mehr geleistet werden von den Kollegen, weil einerseits die Patientenzahlen immer mehr werden, wir eine Überalterung (der Bevölkerung) haben und es dadurch mehr Erkrankungen gibt.« Andererseits würde es durch die moderne Medizin viele Fortschritte in Diagnostik und Therapie geben, die zusätzliche Arbeit von den Ärzten bedingen würden, erklärte Wilhelm Kerber, Vertreter der Kurie der niedergelassenen Ärzte, die den Warnstreik organisieren, in der vergangenen Woche gegenüber Medienvertretern. Dadurch sei die Arbeitsbelastung in den vergangenen Jahren um 30 Prozent gestiegen, sagte die Obfrau der niedergelassenen Ärzte, Maria Korak-Leiter, im Interview mit ORF Kärnten: Die Menschen sollten wissen, wieso die Mediziner sich nur »sehr wenig Zeit für die Patienten« nehmen können.
Außerdem kritisieren die Ärzte die unterschiedliche Honorierung in den Bundesländern. Kärnten liegt am unteren Ende, nur im Burgenland wird ihnen von der ÖGK noch weniger gezahlt. Daher die Forderung nach einheitlichen Honoraren in ganz Österreich. Allerdings: »Die Kasse möchte nur über Kostendämpfungsmaßnahmen reden«, so Kerber. Da es in den Gesprächen über die Vergütung für die Behandlung von Patienten in den niedergelassenen Arztpraxen keine Einigung gab, werde nun in mehr als drei Vierteln der Arztpraxen am Montag für zwei Stunden die Arbeit niedergelegt. Bis zehn Uhr seien dann die Praxen dicht. Die Ärzte hoffen auf Verständnis bei den Patienten. Der Landespräsident der Ärztekammer, Markus Opriessnig, wies gegenüber ORF Kärnten zudem auf Nachwuchsprobleme hin: »Diese Honorierungssysteme sind derart unattraktiv, dass sich niemand mehr diesen Schritt antut«, ein Kassenarzt zu werden.
Dem widerspricht die ÖGK. In einer Pressemitteilung sprach sie sich am vergangenen Mittwoch gegen den Streik aus und forderte dazu auf, »den Konfrontationskurs zu beenden und an den Verhandlungstisch zurückzukehren«. In der aktuellen wirtschaftlichen Lage sei die Sicherstellung einer umfassenden medizinischen Versorgung »nur durch verantwortungsvolles Handeln aller Partner im Gesundheitswesen möglich«. Die Kärntner Ärztekammer betonte jedoch, sie sei nur zu weiteren Gesprächen bereit, wenn es davor ein deutlich verbessertes und »ernstzunehmendes Angebot« gebe, gab sie vergangene Woche bekannt.
Österreichweite Protestmaßnahmen der Kassenärzte seien in Vorbereitung, erklärte die Ärztekammer Anfang des Monats in Wien. Denn: »Die Unzufriedenheit ist groß.« Für diesen Mittwoch hat die Ärztekammer nach Wien geladen. Nicht auszuschließen, dass auf der dortigen Pressekonferenz bereits weitere Kampfmaßnahmen verkündet werden.
75 für 75
Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Andreas Stroh/imago05.12.2023
Aufzug weißer Kittel
- Alex Halada/imago25.10.2023
Heißer Herbst in Österreich
- Oliver Berg/dpa23.05.2023
Einigung oder Erzwingungsstreik
Regio:
Mehr aus: Kapital & Arbeit
-
Geschäfte mit hohem Wellengang
vom 18.08.2025