»Die Bevölkerung sorgt sich um das Wasser«
Interview: Fabian Linder
Sie haben mit anderen Klimaschutzorganisationen am 16. August im bayerischen Reichling gegen Gasbohrungen demonstriert. Was ist dort passiert?
Zuletzt hatte es eine Probebohrung gegeben, es wurde bis in mehr als 3.000 Meter Tiefe gebohrt. Probebohrung klingt immer ein bisschen harmloser als es ist. Es ist dasselbe Bohrloch und dieselbe Technik, durch die später auch gefördert wird. Der Unterschied zwischen Probebohrung und Förderbetrieb ist eher juristisch.
Das entsprechende Bohrloch aus den 1980er Jahren wurde geschlossen, da es nicht lukrativ genug schien. Wie sieht das heute aus?
Man hatte dort ursprünglich nach Öl gesucht. Das stellte sich als nicht rentabel genug heraus. Nun ist das Erdgas ins Zentrum der Interessen gerückt. Es war die Rede von ein paar hundert Millionen Kubikmetern, die man erwartet.
Welche Sorgen treiben die Protestierenden an?
Die Bevölkerung sorgt sich vor allem um das Wasser. Die Bohrung findet sehr nah am örtlichen Brunnen und in der Nähe des Lechs statt. Bei einem Unfall besteht die Gefahr, dass das Trinkwasser in der Region betroffen ist.
Als Klimaschutzorganisationen üben Sie scharfe Kritik an Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Welche Rolle spielt er?
Um nach Erdgas zu suchen, muss man sich die Rechte dafür beschaffen und für die konkrete Bohrung einen Antrag beim Bergamt stellen, das Aiwangers Ministerium zugeordnet ist. Er verweist darauf, dass sein Amt sich an geltendes Recht halten müsse. In einem Rechtsgutachten hierzu sind wir zum Ergebnis gekommen, dass Aiwanger durchaus Möglichkeiten gehabt hätte, das abzuwehren. In der Vergangenheit hatte der Minister die Bohrungen explizit begrüßt. Mittlerweile äußert er sich ein bisschen zurückhaltender, stellt sich aber weiterhin nicht gegen die Gasbohrung. Wir fordern von ihm, für Bayern klarzumachen, dass wir uns an unsere Klimaziele halten, unsere Natur schützen und er solche Gasbohrungen verhindert.
Wie sieht der lokale Widerstand gegen die Gasbohrung aus?
Die Bürgerinitiative in Reichling hat sich vor allem gebildet, weil es sehr wenige Informationen gab. Nach einer Randnotiz in der Gemeindesitzung haben die Leute das mehr oder weniger selbst in die Hand genommen und kamen auf uns sowie auf Greenpeace zu. Es gab gemeinsame Infoabende, um diese Lücken zu füllen. Darüber hinaus organisieren sie verschiedene Protestaktionen. An vielen Zäunen in der Region hängen ein gelbes »X« als Zeichen des Widerstands und Banner an örtlichen Scheunen, um den Protest vor Ort auszudrücken.
Gibt es auch befürwortende Stimmen?
Durchaus. Es ist nicht ganz klar, welche Hoffnungen dahinterstehen. Mutmaßlich aber der Wunsch nach wirtschaftlichen Vorteilen oder Steuereinnahmen. Nach unserem Verständnis dürften die Einnahmen aus der Gewerbesteuer aber nicht in der Region verbleiben.
Anrainer kündigten an, ihre Grundstücke nicht für Gaspipelines zur Verfügung zu stellen. Welche Möglichkeiten gibt es dann für das Bohrfeld?
Wir sind sehr dankbar für diese großartige Aktion. Der Transport mit dem Lkw wäre aus meiner Sicht nicht wirtschaftlich. Wir werden beobachten, was sich die Betreiber und die Gemeinde dann einfallen lassen, um das Gas zu transportieren.
Welches Vorgehen halten Sie für gangbar, um gegen eine mögliche Gasförderung vorzugehen?
Sollte die Probebohrung erfolgreich sein und das Unternehmen einen Antrag auf Förderung stellen, werden wir das sehr genau juristisch prüfen und eventuell auch Klage erheben. Für andere Bohrstellen hatten wir Veranstaltungen abgehalten, um die Leute zu sensibilisieren. Wir hoffen, dass dann niemand mehr Flächen für solche Projekte zur Verfügung stellt. Wichtig für unsere weitere Arbeit ist auch das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs, das vor über einem Monat veröffentlicht wurde. Darin wird darauf hingewiesen, dass Umweltschutz ein Menschenrecht ist und dementsprechend Klimaschutz auch völkerrechtlich verbindlich ist. Das wirft die Frage auf, ob Staaten, die neue Gaskonzessionen vergeben und Gas subventionieren, nicht gegen das Völkerrecht verstoßen. Bayern subventioniert die Förderung von Gas sogar indirekt, indem es – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – auf die Förderabgabe auf Erdgas verzichtet.
Kasimir Buhr ist Referent für Energie und Klima beim BUND Naturschutz in Bayern e. V.
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