Serienproduktion Pleite
Von Ralf Wurzbacher
Beim Autozulieferer Ae Group im thüringischen Gerstungen gehen ziemlich sicher die Lichter aus. »Derzeit sieht es eher nach End als nach Happyend aus«, zitierte am Freitag die Thüringer Allgemeine die mit der Rettung des Unternehmens befasste Insolvenzverwalterin Romy Metzger. Ihre Bemühungen, neue Investoren an Land zu ziehen, sind gescheitert. Unter weltweit 146 kontaktierten Firmen fand sich keine, die zu einer Übernahme gewillt oder dazu befähigt gewesen wäre, hieß es. Am Montag verwies Bild auf die Einschätzung von Experten, wonach der Gläubigerausschuss im Laufe des Tages das Ende der Produktion verkünden werde. Käme es so, hätte sich die Hoffnung auf ein »Wunder« zerschlagen.
Nahezu 600 Beschäftigte könnten so in Kürze ihren Job los sein, was auch für die Gemeinde im Wartburgkreis ein herber Verlust wäre, wie Ortsbürgermeister Daniel Steffan (CDU) äußerte. Die Ae Group sei »über viele Jahre hinweg ein verlässlicher und bedeutender Arbeitgeber in unserer Region« gewesen, ihr Wegfall hätte »gravierende« Auswirkungen. »Unser Ziel ist es, einen sozialen Kahlschlag zu verhindern.« Ein Sozialplan soll bereits ausgearbeitet, eine Transfergesellschaft in Vorbereitung sein. Das Unternehmen fertigt Druckgussteile aus Aluminium für Karosserien, Motoren und Getriebe. Allerdings steckt die Branche in einer tiefen Krise. Autobauer haben den Sprung zur Elektromobilität verschlafen – und reißen zahllose Zulieferbetriebe in den Abgrund.
Fast im Wochentakt machen Meldungen von neuen Pleiten die Runde, vor allem in Ostdeutschland. Allein in Thüringen hängen rund 80.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt von der Autoindustrie ab, bei einem Jahresumsatz von neun Milliarden Euro. In Nöten ist zum Beispiel Nidec GPM in Merbelsrod, dort sollen 270 Stellen gestrichen werden. Musashi aus Japan will seinen Standort in Leinefelde-Worbis dichtmachen, neben mindestens einem zweiten im niedersächsischen Hannoversch Münden. Muhr und Bender (Mubea) will sich bis Jahresende von 300 Mitarbeitern trennen, darunter solche in einem Werk in Weißensee. Sorgen bereitet auch der »Sparkurs« bei Volkswagen. Der Verband Automotive Thüringen warnt: »Es herrscht ein hohes Maß an Lieferantenbeziehungen zwischen Thüringer Unternehmen und dem VW-Konzern.«
»Strukturanpassungsprozesse« begleiten die Entlassungswelle. Bei der Ae Group bedeutet das einen »schleichenden Zerfall«. Vorkehrungen für eine Schließung seien auch schon für die Werke im hessischen Nentershausen mit etwa 150 Beschäftigten und in Strzelce Krajeńskie in Polen mit 350 Mitarbeitern getroffen worden, schrieb am Montag das Portal Ingenieur.de. Im Februar 2024 hatte die Gruppe Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet mit der Ankündigung, sich selbst zu sanieren. Aus dem proklamierten Neuanfang wurde nichts, weshalb Anfang August das Amtsgericht Meiningen ein Regelinsolvenzverfahren eröffnete, diesmal mit der Ansage: geordnete Abwicklung.
Dabei seien die verbliebenen Standorte »gut aufgestellt«, befand Insolvenzverwalterin Metzger. Das Risiko, in ein Geschäft mit chronischen Absatzeinbrüchen zu investieren, wollte aber wohl doch keiner eingehen. Mit einer Ausnahme: Ein Aachener Unternehmen ist mit gleich mehreren Angeboten beim Gläubigerausschuss abgeblitzt. Wie es heißt, hielt der Hauptkunde, ZF Friedrichshafen, diese für nicht tragfähig. ZF ist Deutschlands zweitgrößter Autozulieferer, bei ihm stehen 14.000 Stellen auf der Abschussliste.
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