Drohung mit Weltuntergang
Von Satyajeet Malik
Das indische Außenministerium hat seinem Nachbarn Pakistan Anfang der Woche »nukleare Erpressung« vorgeworfen und erklärt, dass man dieser keinesfalls nachgeben und »alle notwendigen Schritte« unternehmen werde, »um die nationale Sicherheit zu gewährleisten«. Am Sonnabend zuvor hatte der pakistanische Militärchef Asim Munir bei einer Versammlung im US-Bundesstaat Florida unterstrichen, dass Pakistan eine »Atommacht« ist: »Wenn wir glauben, dass wir untergehen, werden wir die halbe Welt mit uns in den Abgrund reißen.«
Munir brachte in diesem Zusammenhang erneut das Thema des Induswasserabkommens auf, das von Indien ausgesetzt wurde. Ihm zufolge würden durch die von Neu-Delhi angekündigte Indussperre 250 Millionen Menschen in Pakistan in Hungergefahr gebracht. Er drohte, dass Pakistan den Bau des indischen Damms abwarten und diesen dann »mit zehn Raketen vernichten« werde. Schon am 4. August hatte der indische Generalstabschef, Upendra Dwivedi, gewarnt, dass »der nächste Krieg, den wir erwarten, bald kommen könnte«. Dwivedi sprach auch von einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass Indien an zwei Fronten gleichzeitig kämpfen werde: nicht nur gegen Pakistan, sondern auch gegen China.
Das Verhältnis zwischen den beiden atomar bewaffneten Nachbarn Indien und Pakistan ist seit dem »Viertägigen Krieg« im Mai dieses Jahres zum Zerreißen gespannt. Indien hatte in den frühen Morgenstunden des 7. Mai die »Operation Sindoor« als Reaktion auf den Terroranschlag im indisch verwalteten Kaschmir gestartet, der 26 hinduistische Männer das Leben gekostet hatte. Der Schlagabtausch endete mit einer von US-Präsident Donald Trump vermittelten Waffenruhe. Während Pakistan diese begrüßte, hielt Indien die Frage der Feuerpause in der Schwebe. Zwei Tage nach ihrer Ausrufung gab der indische Premierminister Narendra Modi an, dass die Militäroperationen lediglich »ausgesetzt« seien und Indien die Aktionen Pakistans weiterhin genau beobachten werde.
Modi erklärte außerdem, dass alle künftigen Terrorakte als »Kriegserklärung« betrachtet würden. Damit hat er die Schwelle für einen Krieg erheblich gesenkt. So sei das »neue Normal« zwischen den beiden Ländern, wobei die »Operation Sindoor« als Maßstab für künftige militärische Reaktionen auf terroristische Aktivitäten Pakistans in Indien dienen werde. Für viele hat diese »neue Normalität« die Grenzen zwischen Frieden und Krieg verwischt. Von vielen wird die aktuelle Pause als Ruhe vor dem Sturm, vor einem Ausbruch einer neuen und noch gefährlicheren Runde der Auseinandersetzungen angesehen.
Pakistan hat die Aussetzung des 1960 geschlossenen Indusvertrags regelmäßig als rote Linie bezeichnet und betont, dass es einen Versuch, das Wasser aus dem Fluss abzuzweigen, seinerseits als »Kriegserklärung« betrachten werde. Nach Schätzungen der pakistanischen Regierung werden rund 80 Prozent der Trockengebiete Pakistans aus dem Indusbecken bewässert. Zwei Dritteln der Bevölkerung des Landes dient es somit als direkte Lebensgrundlage.
Was in Pakistan zudem die Alarmglocken läuten lässt, ist ein Bericht, dass die indische Organisation für Verteidigungsforschung und -entwicklung (DRDO), die für Militärtechnik zuständig ist, an einem fortschrittlichen, bunkerbrechenden Sprengkopf arbeitet, der 80 bis 100 Meter tief in den Boden eindringen kann, bevor er detoniert. Medienberichten vom 30. Juni zufolge soll der neue Sprengkopf bis zu acht Tonnen wiegen und dem US-amerikanischen »GBU-57/A« gleichkommen, der am 22. Juni von der US-Luftwaffe gegen die iranische Atomanlage in Fordo eingesetzt wurde.
Indien beabsichtigt, seinen Bunkerbrecher auf die modernste Hyperschallinterkontinentalrakete des Landes, »Agni-5«, zu montieren. Diese Raketen können eine Reichweite von mehr als 2.500 Kilometern und Geschwindigkeiten zwischen Mach acht und 20 erreichen, wodurch sie schwer abzufangen sind. Viele behaupten, dass Indien damit seine Nuklearpolitik des »No First Use« (kein Ersteinsatz) umgehen und die unterirdischen Nuklearanlagen in Pakistan angreifen könnte.
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