Beirut in der Zwickmühle
Von Malika Salha
Die beiden großen schiitischen Parteien Libanons beraten gegenwärtig, wie sie auf den Beschluss Beiruts reagieren sollen, ihre jeweiligen bewaffneten Flügel bis Ende des Jahres zu entwaffnen. Auch ein Austritt aus der Regierung, in der Hisbollah und Amal-Bewegung nach wie vor vertreten sind, ist auf dem Tisch. Aufgrund früherer Erfahrungen, bei Entscheidungen dann vollständig übergangen zu werden, wird der Austritt aber hintangestellt, wie die Tageszeitung Al-Akhbar am Montag berichtete. Vor allem warte man auf die Stellungnahme der Armee, die bis Monatsende einen Plan zur Umsetzung des Regierungsentschlusses vorlegen soll.
Vergangene Woche gab das Kabinett in Beirut dem Druck der USA nach und stimmte der Entwaffnung nach langen Verhandlungen zu. Andernfalls drohe ein Ende des Waffenstillstands mit Israel, hatte Washington offenbar erfolgreich im Juli betont, obwohl Israel das Abkommen insbesondere im Süden Libanons fast täglich verletzt. Diese Entscheidung, nach Gesprächen mit Saudi-Arabien und den USA innenpolitisch auf Konfrontation zu gehen, fällt in eine Phase erheblicher Verschiebungen innerhalb der »Achse des Widerstands« gegen Israel, der die Hisbollah angehört. Sie ist aus dem Krieg mit dem Nachbarland geschwächt hervorgegangen: Führungsfiguren wurden getötet, Waffenlager zerstört, Versorgungsrouten über Syrien sind seit dem Sturz Assads blockiert.
Der Zeitpunkt des Kabinettsvotums war kalkuliert: Seit dem Tod ihres Generalsekretärs Hassan Nasrallah bei einem israelischen Luftangriff auf Dahieh im September 2024 hat die Hisbollah an Rückhalt verloren. Mit Nasrallah verschwand nicht nur ein Symbol des Widerstands, sondern auch Zustimmung aus nichtschiitischen Bevölkerungsteilen. Nachfolger Naim Kassim ist schlicht weniger beliebt. Die geschwächte Position ebnete den Weg für Joseph Aouns Wahl zum Präsidenten und die US-gestützte Entwaffnungsagenda.
Schiiten stellen inzwischen die Bevölkerungsmehrheit im Libanon. Trotzdem bleiben sie politisch weitgehend ausgeschlossen. Das Präsidentenamt und damit die Armeeführung hat ein Maronit inne, der Posten des Premierministers wird von einem Sunniten besetzt. Einfluss besteht vor allem über das Amt des Parlamentspräsidenten, das seit langem Amal-Chef Nabih Berri innehat. Zwar stellen beide Parteien insgesamt vier Minister. Die Entwaffnungsverhandlungen hatten diese jedoch vor der Abstimmung am Donnerstag verlassen.
Der Süden Libanons hat für Israel strategische Bedeutung wegen der Wasservorkommen des Litani-Flusses und als Pufferzone. Denn neben der Verteidigung Libanons gehört die Befreiung Palästinas zu den Zielen der Hisbollah. In den 1980er- und 1990er-Jahren hatte Israel den Süden Libanons besetzt, bis der Rückzug 2000 durch militärischen Druck der Hisbollah erzwungen wurde. 2006 scheiterte ein erneuter Besatzungsversuch. Auch im aktuellen Krieg hatte hauptsächlich die Hisbollah ein Vorrücken der israelischen Armee verhindert. Ihr erklärtes Ziel in diesem Krieg war es, Israel an einer zweiten Front zu binden und die militärischen Angriffe auf Gaza abzumildern. Ohne die Hisbollah könnte die israelische Armee im Libanon wahrscheinlich erneut bis zum Litani vorrücken und eine dauerhafte Präsenz aufbauen.
Das Beispiel Syrien bestätigt allerdings ein weiteres Mal, dass das Eingehen auf die USA nicht vor Israel schützt. So erkennt Washington nach wie vor die israelische Besatzung der Golanhöhen an, während Israel seine Angriffe auf syrisches Territorium fortsetzt, um auch dort eine Pufferzone zu schaffen. Die auf Druck der USA hin beschlossene Entwaffnung wird also keine Stabilität bringen, sondern ein Machtvakuum hinterlassen, den Süden Libanons zur Zielscheibe für eine neue Besatzung machen und innenpolitische Proteste anfeuern. Der Rückhalt für die Hisbollah speist sich nicht nur aus Ideologie, sondern auch aus jahrzehntelanger Abwesenheit funktionierender Staatsstrukturen. Wer diese Strukturen im Krieg zerstört, ohne Alternativen zu bieten, lässt den Libanon politisch wie militärisch entwaffnet zurück und riskiert Eskalationen an mehreren Fronten.
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