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Aus: Ausgabe vom 13.08.2025, Seite 8 / Ausland
Lawfare in Peru

»Eigentlich müssten alle Castillos Freiheit fordern«

Abgesetzter Präsident Perus seit mehr als zwei Jahren in U-Haft. Seine Verteidigung setzt jetzt auf UNO. Ein Gespräch mit Guido Croxatto
Interview: Frederic Schnatterer
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Seit mehr als zwei Jahren sitzt der peruanische Präsident Pedro Castillo in Haft. Er wurde laut Einschätzung vieler Experten im Dezember 2022 unrechtmäßig seines Amtes enthoben. Haben Sie Castillo in letzter Zeit persönlich treffen können?

Castillo möchte, dass ich als einer seiner internationalen Verteidiger nach Peru fahre, um ihn im Gefängnis zu besuchen. Viele meiner Kollegen, aber auch Politiker, raten mir allerdings davon ab. Sie halten es für gefährlich, da ich mich in den letzten Jahren nicht mit öffentlicher Kritik an der Regierung von Dina Boluarte zurückgehalten habe. Angesichts der diktatorischen Tendenzen der De-facto-Regierung ist es wahrscheinlich, dass sie alles unternehmen würde, um meinen Besuch bei Castillo zu verhindern.

Im Januar wurde Castillo wegen versuchten Staatsstreichs angeklagt. Wie sieht Ihre Verteidigungsstrategie aus?

In den kommenden Tagen fahre ich nach Genf. Dort treffe ich mich mit dem UN-Botschafter Kolumbiens, der zudem Anwalt ist und sich auf Menschenrechte spezialisiert hat. Auch ein Treffen mit der UN-Botschafterin Mexikos ist geplant. Wir haben den Fall Castillo vom Interamerikanischen Gerichtshof abgezogen. Statt dessen fokussieren wir unsere Anstrengungen seit einem Monat auf das UN-Menschenrechtskomitee.

Warum haben Sie den Fall vom Interamerikanischen Gerichtshof abgezogen?

Seit zwei Jahren ging es dort nicht voran. Das hat bei der Organisation Amerikanischer Staaten, OAS, System. Auch bei anderen linker Präsidenten, die unrechtmäßig juristisch verfolgt wurden, wurde nichts unternommen. Beispiele sind Evo Morales aus Bolivien, Rafael Correa aus Ecuador, Lula aus Brasilien.

Wir wollten den Fall bereits seit längerem vor das UN-Menschenrechtskomitee bringen. Von dort hieß es aber zuletzt, dass Castillo seine Klage vor dem Interamerikanischen Gerichtshof zunächst zurückziehen müsse. Nur so könne die UNO sich des Falls annehmen. Wir als seine internationalen Verteidiger halten die Begründung für fragwürdig. Die Gerichtsbarkeit der UNO ist mit der der OAS nicht zu vergleichen. So hat sie keine Möglichkeit, ein Urteil letztlich auch zu vollstrecken.

Sollte die UNO Peru wegen der unrechtmäßigen Absetzung und Inhaftierung Castillos verurteilen, handelte es sich also eher um eine symbolische Geste?

Ja, das stimmt. Wir denken aber trotzdem, dass der Druck groß wäre. Uns geht es darum, grundsätzlich festzustellen, dass Castillo unrechtmäßig abgesetzt wurde. Die Willkür in dem Fall ist so unglaublich, dass ein anderslautendes Urteil ein Skandal wäre.

Ist es angesichts des ganzen Hin und Hers nicht eher unwahrscheinlich, dass bald ein Urteil gefällt wird?

Ja, ich denke, hinter der Prozessverschleppung durch die UNO und die OAS steht wohl genau das Bestreben, erst nach dem Ende des eigentlichen Mandats von Castillo im kommenden Jahr ein Urteil zu fällen. Dann wäre bereits ein neuer Präsident gewählt, und Castillo müsste nicht wieder eingesetzt werden. Politisch gesehen wäre ein solches Urteil nicht so bedeutend.

Weltweit und auch in der lateinamerikanischen Linken ist der Fall Castillo nur recht wenig präsent. Warum? Als der brasilianische Präsident Lula 2017 unrechtmäßig verurteilt wurde, gab es eine riesige internationale Solidaritätskampagne …

Im Grunde müssten heute alle Castillos Freiheit fordern. Allerdings hat sich schon direkt nach seiner Absetzung gezeigt, dass es zwei Positionen innerhalb des sogenannten progressiven Lagers gibt. Während Petro in Kolumbien oder López Obrador in Mexiko unmittelbar die Freilassung gefordert haben, blieben andere still. Darunter auch Lula, der wirtschaftliche Interessen in Peru hat. Dort wurde an der Pazifikküste kürzlich der extrem bedeutende chinesische Hafen eröffnet. Von dort aus ist eine Eisenbahnstrecke bis nach Brasilien geplant. Diese fehlende Solidarisierung mit Castillo kann sich in Zukunft noch zu einem Bumerang entwickeln.

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