»Die Beteiligung am Völkermord muss enden«
Interview: Anselm Schindler
Palästinasolidarische Aktivistinnen und Aktivisten haben die Eröffnung der noch andauernden Salzburger Festspiele für eine eigene Aktion genutzt. Einige stürmten die Bühne in der Felsenreitschule, andere entrollten von den Arkaden Transparente mit der Aufschrift »Stoppt den Völkermord« und »Free Gaza now«. Was war das Ziel?
Bei der Eröffnung treffen sich einflussreiche Leute aus Wirtschaft und Politik. Diese reisen nicht nur aus der Region, sondern aus der ganzen Welt an, manche sogar per Privatjet. Im Publikum saßen auch der österreichische Bundeskanzler Christian Stocker und sein deutscher Kollege Friedrich Merz. Die an der Aktion Beteiligten haben den Moment genutzt, um auf den Völkermord in Gaza und auf die Besatzung Palästinas (durch den Staat Israel, jW) aufmerksam zu machen. Die Medien waren voll von der Aktion, und es wurde mehrere Tage darüber berichtet. Auch über die Situation in Gaza wurde mehr berichtet, vor allem was die Blockade (durch Israels Militär, jW) von Hilfslieferungen betrifft.
Die BRD zählt zu den Unterstützern Israels. Wie positioniert sich Österreich?
Während Deutschland einer der wichtigsten Waffenlieferanten für den Völkermord in Gaza ist, hält sich Österreich hier zurück. Zwar werden Bauteile geliefert, zum Beispiel für Drohnen, aber die Rüstungskooperation läuft nicht auf demselben Level wie die zwischen Deutschland und Israel. Was die politische Unterstützung der Netanjahu-Regierung betrifft, wird hier in Österreich aber dieselbe Linie gefahren wie in Deutschland: Österreich hat sich in der UNO immer wieder gegen eine Waffenruhe gestellt und die Palästina-Bewegung wird mit Repression überzogen. Außerdem gibt es einen starken zionistischen Einfluss.
Wie sieht der aus?
Das ist historisch gewachsen, nicht zuletzt weil der Begründer des Zionismus, Theodor Herzl, aus Wien kam. Die Israelitische Kultusgemeinde in Österreich steht bis heute an der Seite der israelischen Regierung. Oskar Deutsch, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, hat erst vergangene Woche ein Fernsehinterview gegeben, in dem er in Frage gestellt hat, dass in Gaza Menschen hungern. Im März war der israelische Botschafter David Roets zu Besuch in Innsbruck und hat gesagt, dass es in Gaza keine Zivilisten gebe – und damit das Morden gerechtfertigt. Außerdem hat er angekündigt, dass er in Gaza Golf spielen wird. Von diesen Aussagen gibt es ein heimlich aufgenommenes Video. Die Israelitische Kultusgemeinde hat skandalisiert, dass das aufgenommen und veröffentlicht wurde. Sie hat sich selbst als Opfer dargestellt, zu den Aussagen aber geschwiegen. Gleichzeitig gibt es auch in Österreich viele linke Jüdinnen und Juden, die gegen den Völkermord auf die Straße gehen. Wir dürfen uns hier als Jüdinnen und Juden nicht instrumentalisieren lassen!
Mit der Aktion wurde auch eine Rede des Vizekanzlers Andreas Babler von der SPÖ unterbrochen. Er hat daraufhin zum Dialog eingeladen. Bewegt sich die SPÖ auf Sie zu?
Nicht wirklich. Wir haben nach der Aktion eine E-Mail an Babler geschrieben und um ein Gespräch gebeten, wurden aber von einem seiner Mitarbeiter vertröstet. Bablers Reaktion scheint nur Show gewesen zu sein.
Unter anderem in einem Spiegel-Meinungsbeitrag werden die Aktion als »judenfeindlich« und die Protestierenden als »Hamas-Sympathisanten« bezeichnet. Was entgegnen Sie dem?
Das sind Versuche, vom Thema abzulenken. Außerdem sind die Vorwürfe absurd. Von den sechs beteiligten Aktivistinnen und Aktivisten sind drei selbst Jüdinnen bzw. Juden. Uns geht es um die Kriegführung in Gaza, um die Menschen, die hungern, und um die Mittäterschaft europäischer Staaten und insbesondere von Österreich. Die österreichische Beteiligung am Völkermord muss enden!
Ilan Serfaty lebt seit einigen Jahren im österreichischen Innsbruck. Der in der BRD geborene Aktivist engagiert sich unter anderem bei der antizionistischen Gruppe »Not in our Name« und bei den »European Jews for Palestine«
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