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Aus: Ausgabe vom 23.07.2025, Seite 4 / Inland
EU-Asylpolitik

Allianz für Abschiebelager

Innenminister Dobrindt setzt sich bei Treffen mit EU-Kollegen in Dänemark für Umsetzung verschärfter Asylpolitik ein. Exterritoriale »Rückkehrzentren« nächstes Ziel
Von Kristian Stemmler
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Die Härte: Alexander Dobrindt (CSU, l.) reist derzeit von einer Ministerrunde zur nächsten (Grainau, 18.7.2025)

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) kennt derzeit nur ein Thema: die Verschärfung der Migrationspolitik hierzulande und EU-weit. »Härte und Konsequenz« an den EU-Außengrenzen forderte er am Montag an der polnisch-belarussischen Grenze. Am Dienstag ist der CSU-Politiker zu einem informellen Treffen der EU-Innenminister in Kopenhagen weitergereist; sein erster Auftritt im Kreise der Amtskollegen aus den Mitgliedstaaten. In der Hauptstadt Dänemarks, dessen Regierung einen asylpolitischen Kurs im Sinne der Bundesregierung fährt, ging es unter anderem darum, Abschiebungen in sogenannte Drittstaaten zu forcieren. Dobrindt machte einmal mehr deutlich, dass ihm so gut wie jedes Mittel recht sein dürfte, um Asylsuchende wieder aus der EU hinauszuschaffen.

So machte sich der Minister in Kopenhagen für eine schnelle Umsetzung des von Menschenrechtsorganisationen viel kritisierten Konzepts der »Return Hubs« stark. »Wir halten das für einen innovativen Ansatz, der zwingend notwendig ist«, sagte er am Dienstag zum Auftakt der Gespräche. Bei den »Rückkehrzentren« handelt es sich um Lager zur Internierung abgelehnter Asylsuchender, die außerhalb der EU errichtet werden sollen. Betroffene sollen dort untergebracht werden, bis sie in ihre Heimatländer abgeschoben werden können. Für die Einrichtung solcher Lager müsse man Partnerländer in der Nähe der Herkunftsländer finden, erklärte Dobrindt die nächste Aufgabe der Innenminister.

Ihm sei klar, dass das Konzept »natürlich etwas ist, was einzelnen Mitgliedstaaten sehr schwerfällt«, sagte er. Angesichts dieses Problems brachte Dobrindt die Idee ins Spiel, dass eine kleinere Gruppe von EU-Staaten Fakten schafft und »Return Hubs« auf den Weg bringt. Dobrindt wollte nicht ausschließen, »dass wir uns bei anderen mit anschließen«. Länder wie Italien, Dänemark und die Niederlande gelten derzeit als Kandidaten für den Betrieb von solchen exterritorialen Asyllagern.

Bereits im März hatte die EU-Kommission den Entwurf einer neuen »Rückführungsverordnung« vorgelegt, in dem diese »Rückkehrzentren« ein zentraler Bestandteil sind. Die Organisation Pro Asyl bezeichnete den Entwurf als »Blankoscheck für alle Arten von Rückführungsphantasien in Drittstaaten«. Er sieht auch vor, dass Geflüchtete künftig in jeden Drittstaat abgeschoben werden können, mit dem es einen entsprechenden »Deal« gibt – ohne Rücksicht darauf, ob die betroffene Person schon einmal in dem Land war oder sonst eine Verbindung dazu hat.

Auch dieses Vorgehen findet Dobrindts Zustimmung. Er forderte am Dienstag, dass das sogenannte Verbindungselement im EU-Recht gestrichen wird. Dieses besagt, dass Asylsuchende nur in ein Land außerhalb der EU abgeschoben werden, in dem sie Familie haben oder bereits länger gewesen sind – für den Minister offenbar ein unnötiges Hindernis fürs effektive Abschieben. Sollten etwa Abschiebungen nach Afghanistan kaum möglich sein, könnten abgelehnte Asylsuchende zunächst ins Nachbarland Pakistan gebracht werden, führte er aus. Dobrindt hatte bereits am Freitag mit Innenministern weiterer fünf Staaten auf der Zugspitze ein Papier beschlossen, in dem sich die Forderung nach »Return Hubs« findet. Frankreich, Dänemark, Polen, Tschechien und Österreich hatten sich hinter die Forderung gestellt.

Kritik an diesem Kurs kam von Clara Bünger, fluchtpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke. Mit Blick auf den Gastgeber des Treffens erklärte Bünger in einer Mitteilung vom Dienstag, »Dänemarks Abschottungskurs« dürfe kein Vorbild sein. Das Nachbarland verfolge das Ziel, »gar keine Asylsuchenden mehr aufzunehmen«. Ganze Stadtteile würden dort auf »Ghettolisten« gesetzt, Menschen zwangsweise umgesiedelt und Wohnblöcke abgerissen.

»Die EU-Innenminister setzen immer stärker auf eine Politik der Angst«, konstatierte Bünger. Migration werde nicht mehr als »menschliche Realität und als Ergebnis europäischer Macht- und Kriegspolitik« betrachtet, sondern »gezielt als Sicherheitsrisiko inszeniert«. Statt Deals mit Regierungen wie die der islamistischen Taliban in Afghanistan brauche es daher »eine solidarische Flüchtlingspolitik, die legale Wege eröffnet und Menschen schützt, statt sie auszulagern, zu entrechten oder aus der Gesellschaft zu drängen«.

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