Schäden schwer zu bemessen
Von Knut Mellenthin
Einen Monat nach den Angriffen Israels und der USA auf die iranischen Atomanlagen gibt es immer noch keine gesicherte Bilanz der Schäden. Donald Trump wiederholte am Sonnabend auf seiner Plattform Truth Social, dass »alle drei nuklearen Standorte entweder komplett zerstört oder ausradiert wurden«. Damit meint der US-Präsident die Anreicherungsfabriken Natanz und Fordo sowie das Forschungszentrum bei der Stadt Isfahan. Dessen Hauptzweck bestand bei der Inbetriebnahme 2005 darin, Uran in Gas umzuwandeln, das dann durch sehr schnell rotierende Zentrifugen geleitet werden kann, um seinen Reinheitsgrad immer weiter zu erhöhen. Diese drei Standorte liegen im Zentrum des Landes, südlich von Teheran. Im Juni wurden auch weitere Ziele angegriffen, darunter Fabriken, in denen Zentrifugen produziert wurden.
In seinem Kommentar am Sonnabend schrieb Trump, es würde »Jahre dauern«, die drei Anlagen »wieder in Betrieb zu nehmen, und wenn Iran das tun wollte, wären sie viel besser dran, an drei anderen Standorten einen Neustart zu unternehmen«. Substanz oder gar Beweiskraft haben solche Äußerungen jedoch nicht. Der Präsident wiederholt sie unverändert, seit die USA am 22. Juni die iranischen Atomanlagen bombardiert hatten. Fakten, die seine subjektive Sichtweise stützen könnten, liefert Trump nicht.
Mit seinem jüngsten Posting auf Truth Social reagierte der exzentrische Milliardär direkt auf einen Bericht, den NBC am Donnerstag ausgestrahlt hatte. Der in New York sitzende Sender behauptet, dass von den drei hauptsächlich angegriffenen Zentren nur eine Anlage überwiegend zerstört worden sei, nämlich die Anreicherungsfabrik bei Fordo. Diese liegt, soweit bekannt ist, in Bunkern 80 bis 90 Meter unter einem Bergmassiv. Die Fabrik in Natanz und das Zentrum in Isfahan seien vielleicht nur in einem geringeren Ausmaß beschädigt, was der Regierung in Teheran die Wiederinbetriebnahme in den nächsten Monaten erlauben würde, während das iranische Atomprogramm insgesamt durch den Ausfall Fordos um zwei Jahre zurückgeworfen worden sei. NBC berief sich für diese Darstellung auf Einschätzungen, die fünf namentlich nicht genannten aktiven oder ehemaligen »US-Offiziellen« zugeschrieben wurden.
Gleichzeitig erzählte der Sender, allerdings mit ähnlich schwachen Quellen, in der anfänglichen Planung der US-Angriffe, die das Central Command der Streitkräfte Trump präsentiert habe, seien drei zusätzliche Ziele enthalten gewesen. Dieses Vorhaben hätte aber mehrere Wochen gedauert, statt nur eine einzige Nacht. Der Präsident sei darüber unterrichtet worden, habe es aber abgelehnt, weil es nicht in Einklang mit seinen »außenpolitischen Instinkten« sei, die vom Wunsch bestimmt seien, die USA aus Auslandskonflikten herauszuziehen.
Die offizielle Einschätzung Teherans ist, dass vor allem Fordo durch die Angriffe »ernsthaft und schwer beschädigt« worden sei, wie Außenminister Abbas Araghtschi in einem Interview mit dem US-Sender CBS schon am 2. Juli erklärte und seither mehrmals wiederholt hat. Niemand wisse genau, was dort passiert sei, hatte er damals gesagt. Die Atomenergiebehörde Irans nehme zur Zeit Bewertungen und Einschätzungen vor und werde der Regierung anschließend ihren Bericht zuleiten. Mit dieser Mitteilung setzte sich Araghtschi öffentlich in Widerspruch zu anderen Vertretern des iranischen »Establishments«, einschließlich »Revolutionsführer« Ali Khamenei, die die Schäden in gewohnter Weise herunterspielen wollen.
Die Bewertungsschwierigkeiten ergeben sich anscheinend überwiegend dadurch, dass die Zugänge und Belüftungsanlagen der angegriffenen Objekte so stark verschüttet wurden, dass die Satellitenaufnahmen wenig Schlussfolgerungen zulassen. Das zeigte sich schon in einer Übersicht, die das auf Polemik gegen »die Bombe der Mullahs« spezialisierte, regierungsnahe ISIS-Institut in Washington, D. C., am 24. Juni, dem Tag der Waffenruhe, veröffentlichte.
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