BRICS gegen Dollar
Von Volker Hermsdorf
Der BRICS-Gipfel in Rio de Janeiro markiert eine neue Etappe in der geopolitischen Neuordnung der Welt. Führende Staaten des globalen Südens präsentierten sich dort selbstbewusst als Gegenmacht zur westlich dominierten G7 und bekräftigten ihren Anspruch, eine multipolare Weltordnung zu gestalten. Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hatte das Treffen am Sonntag mit scharfer Kritik an den USA und ihren Alliierten eröffnet.
»Die regelbasierte Ordnung ist tot – ebenso die Mechanismen zur friedlichen Konfliktregulierung«, sagte Lula. Er verurteilte Israels Krieg gegen Palästina sowie die israelischen und US-Angriffe auf das neue BRICS-Mitglied Iran als völkerrechtswidrig. Den jüngsten NATO-Beschluss zur Aufrüstung kritisierte der Gastgeber als Schlag gegen den globalen Süden. »Es ist einfacher, fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Militärausgaben bereitzustellen als die versprochenen 0,7 Prozent für Entwicklungshilfe. Das zeigt, dass das Geld zur Umsetzung der Agenda 2030 zwar da wäre, aber aufgrund falscher politischer Prioritätensetzung nicht zur Verfügung steht«, erklärte er. Für den Westen sei es offenbar immer einfacher, in den Krieg zu investieren als in den Frieden, so Lula. »Wir dürfen nicht gleichgültig bleiben angesichts des Genozids, den Israel in Gaza verübt, und des Todes Unschuldiger durch den Einsatz von Hunger als Kriegswaffe«, fügte er hinzu.
In der gemeinsamen Abschlusserklärung des am Montag mittag (Ortszeit) beendeten siebzehnten Gipfeltreffens bekräftigten die Namensgeber Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika sowie die neuen Vollmitglieder Ägypten, Äthiopien, Iran, Indonesien und die Vereinigten Arabischen Emirate ihren Anspruch, ein Gegengewicht zur westlich dominierten G7 zu sein, die zunehmend an Bedeutung verliere. »BRICS repräsentiert fast die Hälfte der Weltbevölkerung und 40 Prozent der globalen Wirtschaft«, so der per Video auf der Plenarsitzung zugeschaltete russische Präsident Wladimir Putin. Er verwies darauf, dass das vereinte Bruttoinlandsprodukt der BRICS-Staaten rund 77 Billionen US-Dollar beträgt – etwa 20 Billionen mehr als das der G7. »Diese Zahlen belegen die unaufhaltsame Verschiebung der ökonomischen Kräfteverhältnisse«, so Putin. Russlands Außenminister Sergej Lawrow kritisierte, dass die vom Westen dominierte alte Ordnung auf Neokolonialismus, Ausbeutung und ideologischen Dogmen beruhe. Die BRICS-Staaten setzten statt dessen auf Gleichberechtigung, Multilateralismus und Nichtdiskriminierung. »Multipolarität ist keine Option, sondern eine Realität«, erklärte Lawrow.
Ein zentrales Thema war die Abkehr vom US-Dollar. Der Anteil nationaler Währungen im Handel der BRICS-Staaten wächst rasant – 2024 wurden allein in Russland 90 Prozent der Transaktionen mit BRICS-Ländern ohne US-Dollar abgewickelt. Auch Indien, China und Iran bauen bilaterale Zahlungssysteme aus. Washington reagiert darauf wie üblich: US-Präsident Donald Trump drohte am Wochenende mit einem Zusatzzoll von zehn Prozent gegen alle Länder, die sich »mit den antiamerikanischen Politikern der BRICS« verbündeten. Bereits im Januar hatte er Strafzölle von bis zu 100 Prozent für Länder angekündigt, die die Vorherrschaft des US-Dollars im internationalen Handel in Frage stellen. Ein weiteres zentrales Thema war der Zugang zu künstlicher Intelligenz. Zwar sehen die BRICS-Staaten darin ein enormes Potential, doch warnen sie vor exklusiven, westlich dominierten Technologien.
Trotz aller Einigkeit gibt es innerhalb des Blocks auch Spannungen. Die geostrategischen Interessen Chinas und Indiens stehen sich oft diametral gegenüber; soziale Ungleichheiten sind in mehreren Mitgliedstaaten Realität. Doch der Wille zur Zusammenarbeit über politische Systeme und Kulturkreise hinweg bleibt zentral. Für das Jahr 2026 übernimmt Indien den Vorsitz. Mehr als 30 weitere Staaten haben ihr Interesse an einer Mitgliedschaft bekundet. BRICS positioniert sich damit nicht nur als ökonomisches Gegengewicht zum Westen – sondern auch als politisches Projekt einer neuen globalen Ordnung.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (8. Juli 2025 um 14:22 Uhr)Das werde ich niemals vergessen: Der Cheffe Jens Riewa des »Tagesschau«-Kollektivs und wie die Hyperbetonerin Susanne Daubner unter dem menschenverachtenden Honecker-Regime aufgewachsen (S. Daubner: »Ich sollte in die Stasi – da bin ich geflohen.« – Herr Riewa auch?) sind dem realistischen und authentischen Journalismus zutiefst verpflichtet. Sie würden eine Vereinigung von Staaten niemals als sogenannte BRICS-Staaten bezeichnen, weil sie die sogenannten G-7-Staaten im BIP seit Jahren übertrumpfen. Diese Staaten flehen ja laut »Tagesschau« regelrecht um Herabwürdigung.
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