Den Vortritt haben die Kommunen
Von Bernard Schmid, Paris
Einen Schritt nach dem anderen will die Französische Kommunistische Partei gehen, wenn sie in die kommenden Wahlkämpfe in Frankreich zieht. Am Sonnabend haben sich die Delegierten der Partei, der sogenannte Nationalrat, in Paris versammelt. Dabei ging es auch um die Präsidentschaftswahl 2027, die im derzeitigen politischen System Frankreichs eine zentrale Rolle spielt. Doch anders als die am vergangenen Mittwoch in der Vorstadt Bagneux versammelten Linkskräfte will die 1920 gegründete Partei nicht vor lauter Konzentration auf die Präsidentschaftswahlen die zuvor anstehenden Kommunalwahlen im März kommenden Jahres »überspringen«. Denn wenn sich die Linkskräfte dabei uneins zeigen, werden sie wohl kaum über ihren derzeitigen Stand in landesweiten Umfragen von rund 25 Prozent hinauskommen und bei den Präsidentschaftswahlen schlecht abschneiden.
Die Führung der Kommunisten fürchtet eine Tendenz zur Spaltung der Linken bei den Kommunalwahlen vor allem durch eine erwartete Offensive der Partei La France insoumise (LFI). Diese setzt derzeit auf eine Polarisierungsstrategie und ein eher radikales Profil. Am Sonntag kündigte die LFI-Fraktionsvorsitzende im Parlament, Mathilde Panot, in einem Interview mit den Fernseh- und Radiosendern BFM TV und RMC an, im Falle der Wahl von LFI-Rathausregierungen würden diese die Kommunalpolizeien – die in den vergangenen zehn bis 15 Jahren vielerorts aus dem Boden gesprossen sind – entwaffnen und Videokameras im öffentlichen Raum abbauen. Dafür gibt es aus Sicht von Bürgerrechts- und antirassistischen Gruppen Gründe. Doch die Zustimmung dafür dürfte in der örtlichen Bevölkerung eher gering ausfallen. Umgekehrt hält sich der KP-Vorsitzende Fabien Roussel seit Jahren mit Polizeikritik sehr zurück, um sich auf die sozialen Interessen der Bevölkerung zu konzentrieren – dass er am 19. Mai 2021 an einer Kundgebung der rechtslastigen sogenannten Polizeigewerkschaften teilnahm, wurde ihm aus anderen Teilen der Linken vorgeworfen.
Bei LFI kommt die besondere Struktur hinzu. Dort kann man nur an »Aktionsgruppen« teilnehmen, aber nicht Mitglied werden, denn für Beitritte ist die Wahlplattform geschlossen – formaljuristisch weist sie genau drei Mitglieder auf, den Vorsitzenden Manuel Bompard und die Fraktionschefin Mathilde Pannot sowie den Schatzmeister. Dies erspart sozusagen unnötigen Ärger wie das Organisieren von Parteitagen, lästige Diskussionen und die Bildung innerparteilicher Strömungen. Nur ist eine solche Struktur für eine lokale Verankerung bei weitem nicht so effizient wie für nationale Kampagnen.
Die größte LFI-regierte Gemeinde ist derzeit – seit den Kommunalwahlen im März und Juni 2020 – das nordfranzösische Faches-Thumesnil, eine Vorstadt von Lille mit 18.000 Einwohnern. Dagegen hat die Kommunistische Partei noch immer viel an kommunalem Einfluss zu verlieren. Roger Martelli, Historiker und früheres langjähriges Parteimitglied, schätzte in einem Interview mit Le Monde am 22. Mai die Zahl der nach wie vor kommunistisch regierten Rathäuser – kleinere Kommunen eingeschlossen – auf derzeit 630 bis 660. In Spitzenzeiten kurz nach der Befreiung 1944/45 waren es einmal insgesamt 2.000. Ihm zufolge könnte LFI bei den kommenden Wahlen dem bisherigen lokalen Einfluss der Kommunisten in der Hauptstadtregion Île de-France gefährlich werden. In ökonomisch krisenhaften Landstrichen wie dem Pas-de-Calais hingegen drohten ihnen eher die extreme Rechte, Stimmen abzuringen.
Vielerorts wird sich für die KP eher die Frage stellen, mit dem rechtssozialdemokratisch geprägten Parti Socialiste oder aber mit der LFI, der linkssozialistischen Abspaltung der Sozialdemokraten, in die Kommunalwahlen zu ziehen. Dabei könnte es je nach örtlichem Kontext zu unterschiedlichen Lösungen kommen. Am Sonnabend stimmten die Mitglieder im südwestfranzösischen Carcassonne unterdessen bereits über ihre Strategie ab. Dabei sprach sich die Sektion zu 80 Prozent für eine Allianz mit dem PS, zu 15 Prozent für eine mit LFI aus.
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