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Aus: Ausgabe vom 03.07.2025, Seite 2 / Ausland
Iranische Opposition

»Die Monarchisten sind zutiefst diskreditiert«

Iran: Theokratie hat wenig Rückhalt in der Bevölkerung. Prowestlicher Regime-Change dennoch unwahrscheinlich. Ein Gespräch mit Navid Shomali
Interview: Philip Tassev
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Auf diesem Propagandaplakat steht das Volk noch geschlossen hinter der Islamischen Republik (Teheran, 22.6.2025)

Welche Haltung vertritt die Tudeh-Partei des Iran (TPI) gegenüber der Islamischen Republik?

Bei der Islamischen Republik Iran (IRI) handelt es sich um eine nicht reformierbare theokratische Diktatur, die auf der reaktionären Ideologie des politischen Islam beruht und von einem »obersten Führer« angeführt wird, dem als »Vertreter Gottes auf Erden« die absolute Herrschaft in allen Angelegenheiten zusteht. Das Regime unterdrückt die Menschenrechte, insbesondere die der Frauen, wie zuletzt die Niederschlagung der Massenproteste von 2022/23 gezeigt hat. Es ist sehr antikommunistisch und hat Sozialisten, Gewerkschafter und andere Linke während der meisten Zeit seines Bestehens inhaftiert, gefoltert und hingerichtet. Die Ökonomie basiert auf einem neoliberalen Modell, das den Vorgaben des IWF folgt und zu Privatisierung und Korruption sowie zur Verschärfung der sozialen Ungleichheit im Iran geführt hat.

Wie analysieren Sie den aktuellen Konflikt zwischen Teheran und Tel Aviv/Washington?

Die regionale Politik basiert auf dem Export der »islamischen Revolution« durch islamistische Milizen, die die konkurrierenden fortschrittlichen Kräfte systematisch ins Abseits drängen. Obwohl die Führung der IRI das als Abschreckung gegen die US-amerikanische und israelische Bedrohung darstellt, haben die jüngsten Ereignisse ihr völliges Versagen offenbart! Jetzt konzentriert sich das Regime auf die Selbsterhaltung, einschließlich der Erzielung eines Kompromisses mit Trump! Das israelische Apartheidregime verfolgt mit seinen fortgesetzten Verstößen gegen das Völkerrecht weiterhin das Ziel, die IRI in einen totalen Krieg hineinzuziehen. Die Interessen des iranischen Volkes werden von beiden Seiten ignoriert.

Wie viel Rückhalt hat die Islamische Republik noch in der Bevölkerung? Wie realistisch sind Rufe nach einem prowestlichen Regimewechsel, wie sie etwa vom Sohn des ehemaligen Schahs kommen?

In den vergangenen Jahren wurde die Beteiligung bei jeder Scheinwahl immer geringer. Die meisten zuverlässigen Schätzungen deuten darauf hin, dass mindestens 75 Prozent der Bevölkerung das IRI-Regime ablehnen, während ein Kern von zehn bis 15 Prozent es unterstützt.

Die monarchistischen Exilanten um Reza Pahlavi, die die israelische Aggression gegen unser Land enthusiastisch unterstützt haben, sind im Iran inzwischen zutiefst diskreditiert. Sie sind zweifellos gut ausgestattet, aber es fehlt ihnen an einer sozialen Basis im Lande. Es ist daher höchst unwahrscheinlich, dass sie an die Macht zurückkehren, es sei denn, es kommt zu einer Intervention von außen.

Gibt es noch andere linke Oppositionsgruppen und arbeiten Sie mit ihnen zusammen?

Ja, es gibt andere linke Parteien und Gruppen, die sich gegen die Diktatur und den Imperialismus stellen. Diese sind zusammen mit den fortschrittlichen nationalistischen Parteien die wichtigsten Kräfte, die in einer vereinigten Front das Potential haben, einen nationaldemokratischen Wandel zu erreichen. Es gibt jedoch noch viel zu tun, um dieses Ziel zu erreichen, und die TPI steht dabei an vorderster Front. Der Iran ist ein Vielvölkerstaat, in dem Kurden, Azeri, Araber, Belutschen und Turkmenen zu den wichtigsten nationalen Minderheiten zählen. Sie wurden während der gesamten jüngeren Geschichte diskriminiert. Zwar spielen einige ihrer politischen Kräfte eine aktive Rolle im Widerstand gegen das theokratische Regime, doch können sie in bestimmten Fällen für die Instrumentalisierung durch äußere Kräfte anfällig sein.

Was sagen Sie denjenigen, die in der Islamischen Republik eine antiimperialistische Kraft sehen?

In meiner ersten Antwort habe ich das Wesen und die Praxis der IRI umrissen: reaktionär und undemokratisch, neoliberal und arbeiterfeindlich in ihrer wirtschaftlichen Ausrichtung, dazu antikommunistisch und sektiererisch. Dies sollte ausreichen, um sie als antiimperialistische Kraft auszuschließen. Man könnte auch die zahlreichen Fälle der Zusammenarbeit mit dem Imperialismus in der Region hinzufügen, nicht zuletzt in Afghanistan und im Irak. Aufrichtiger Antiimperialismus und die IRI passen einfach nicht zusammen!

Navid Shomali ist Internationaler Sekretär der marxistisch-leninistischen Tudeh-Partei des Iran (TPI)

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