Vor Rechten eingeknickt
Von Reinhard Lauterbach, Poznań
Polen wird ab kommenden Montag an seinen Grenzen zu Deutschland – und Litauen – Kontrollen einführen. Das kündigte Ministerpräsident Donald Tusk am Dienstag in Warschau an. Demnach soll die Maßnahme »vorübergehend« sein und die »illegale Migration von und nach Polen unterbinden«. Die Maßnahme ist laut der entsprechenden Verordnung des Innenministeriums in Warschau vorerst bis zum 5. September terminiert. Gegenüber den beiden anderen Nachbarländern innerhalb der Schengen-Zone, Tschechien und der Slowakei, sind offenbar keine Grenzkontrollen geplant.
Tusks Entscheidung hat einen Doppelcharakter. Einerseits ist sie die Konsequenz aus den von der Bundesregierung eingeführten Überprüfungen auf der deutschen Seite der Grenze. Als Folge waren nach Angaben des Innenministeriums gegenüber der Süddeutschen Zeitung (SZ) vom Mittwoch 250 abgewiesene Asylsuchende nach Polen zurückgeschickt worden. Die Bundespolizei nannte laut FAZ vom Mittwoch die Zahl von 284 Personen allein zwischen dem 8. Mai und dem 30. Juni. 2024 hatte es laut SZ insgesamt 690 Zurückweisungen gegeben. Das bedeutet, dass die Zahlen zwar nicht hoch, aber zuletzt stark angestiegen sind. Tusk hatte bereits im März gegenüber der Bundesregierung gegen die Grenzkontrollen protestiert. Offiziell, weil sie die knapp 100.000 Polen behinderten, die täglich über die Grenze zur Arbeit in Deutschland pendeln. Faktisch sicher auch, weil Warschau dadurch auf Menschen »sitzenbleibt«, die es gern an die BRD losgeworden wäre.
Im Zusammenhang damit warnte in Deutschland die sogenannte Gewerkschaft der Polizei vor einem »Pingpongspiel« an der Grenze. Der Polen-Beauftragte der Bundesregierung, der CDU-Politiker Knut Abraham, äußerte die Sorge, dass die Kontrollen jetzt zum Dauerzustand werden könnten. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zeigte dagegen Verständnis dafür.
Tusks Entscheidung ist aber auch eine Reaktion auf die Aktivitäten rechter Bürgerwehren. Erst am Sonntag hatten Hunderte solcher Aktivisten an mehreren Grenzübergängen demonstriert und erklärt, sie wollten »illegale Migranten« daran hindern, polnischen Boden zu betreten. Vereinzelt soll es auch Angriffe auf Schutzsuchende gegeben haben. Der Vorwurf der Untätigkeit angesichts der nur noch im Zusammenhang mit dem Adjektiv »illegal« beschriebenen Migration hat die Tusk-Regierung anscheinend in Zugzwang gebracht. Die Rechte dominiert eindeutig den Diskurs über das Thema. Humanitär oder auch nur rechtsstaatlich argumentierende Stimmen sind praktisch nicht mehr zu hören. Nachdem Geflüchtete seit drei Jahren als Instrumente der »hybriden Kriegführung« Russlands gegen Polen dargestellt worden sind, wundert es nicht, dass sich die menschliche Sympathie für sie jetzt in engen Grenzen hält.
Unterdessen steht der Amtseinführung des am 1. Juni gewählten neuen polnischen Staatspräsidenten Karol Nawrocki nichts mehr entgegen. Parlamentspräsident Szymon Hołownia kündigte an, er werde für den 6. August eine gemeinsame Sitzung beider Parlamentskammern einberufen, um Nawrocki zu vereidigen. Er setzte sich damit über Anregungen Tusks hinweg, diese Sitzung aus formalen Gründen nicht anzusetzen. Hołownia reagierte mit seiner Ansage darauf, dass der Oberste Gerichtshof am Dienstag abend die Wahl Nawrockis bestätigt hatte. Es habe zwar Unregelmäßigkeiten gegeben, aber die seien Folge einer Überlastung der Wahlhelfer, und ihr Ausmaß sei nicht so groß gewesen, dass sie das Ergebnis hätten umkehren können, sagte der Vorsitzende Richter. Drei Richter wiesen diese Argumentation allerdings in Sondervoten zurück.
Einwände von Justizminister Adam Bodnar, der mit der Wahlprüfung beauftragte Senat sei noch von der PiS-Regierung berufen und mit Vertrauenspersonen besetzt worden, wirkten eher wie hilflose Rückzugsgefechte. Insgesamt 5.000 Bürger hatten Einspruch gegen die Wahlergebnisse vom 1. Juni eingelegt. Weil das aber oft auf einem in der Kanzlei des Abgeordneten Roman Giertych von Tusks »Bürgerplattform« erstellten Formblatt und ohne genaue Schilderung geschehen war, welche Fehler passiert sein sollen, hatte der Oberste Gerichtshof nur 22 dieser Beschwerden zur Beratung angenommen.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Yuliia Ovsiannikova/NurPhoto/imago03.06.2025
»Eine weitere Brutalisierung des Krieges«
- Ulrich Perrey/dpa06.11.2024
Mit Tricks zu mehr Abschiebungen
- Christophe Gateau/dpa-Pool/dpa12.02.2022
Unter Führung der BRD
Mehr aus: Ausland
-
Weniger Raketen für Kiew
vom 03.07.2025 -
»Die Monarchisten sind zutiefst diskreditiert«
vom 03.07.2025 -
Gegen Faschismus
vom 03.07.2025 -
Big Beautiful War
vom 03.07.2025 -
Faschistenführer Robinson vor Gericht
vom 03.07.2025 -
Wang Yi in heikler Mission
vom 03.07.2025 -
Trump will Waffenruhe diktieren
vom 03.07.2025 -
»Auch die Macht dieses Staates ist begrenzt«
vom 03.07.2025