Wang Yi in heikler Mission
Von Jörg Kronauer
Brüssel, Berlin, Paris: Das sind die drei Stationen der Europareise, die Chinas Außenminister Wang Yi in dieser Woche absolviert. Der Form nach dienen Wangs Gespräche erst mit der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas, anschließend mit Regierungsmitgliedern in Deutschland und in Frankreich der Vorbereitung des EU-China-Gipfels, der laut aktuellem Stand am 24./25. Juli in der Volksrepublik abgehalten werden soll. Der Sache nach geht es vor allem darum, die Spannungen zwischen Brüssel und Beijing, die sich zuletzt stark verschärft haben, nach Möglichkeit ein wenig zu begrenzen. Die Frage ist freilich, ob die EU das aktuell überhaupt will.
Im Frühjahr hatte es eine Zeitlang so ausgesehen, als ob die EU und China Kurs auf eine engere Zusammenarbeit nehmen würden. Die Ursache dafür war der Zollkrieg, mit dem US-Präsident Donald Trump die Welt überzog und der vor allem auch die EU bzw. ihre Mitgliedstaaten hart traf. In der Erkenntnis, für die ohnehin schwächelnde Industrie der EU sei ein ökonomischer Zweifrontenkrieg nicht unbedingt die geeignete Kur, griff EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 8. April zum Telefon und sprach mit Chinas Ministerpräsident Li Qiang über eine etwaige Verbesserung der Beziehungen. Beijing teilte anschließend mit, man sei dazu bereit. Und um die Worte mit Taten zu untermauern, hob die Volksrepublik Ende April die Sanktionen gegen mehrere EU-Abgeordnete auf, die sie vor vier Jahren verhängt hatte. Beide Seiten gingen anschließend daran, den EU-China-Gipfel zu planen.
Die Stimmung trübte sich dann aber Mitte Juni während des G7-Gipfels schwer ein. Auslöser war ein gezielter Verbalangriff von der Leyens im kanadischen Kananaskis gegen die Volksrepublik. Dabei griff sie tief in die Klamottenkiste diplomatischer Beschimpfungen. »Das größte kollektive Problem« im Welthandelssystem sei nicht etwa der globale Zollkrieg des G7-Mitglieds USA, sondern Chinas Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation WTO, behauptete von der Leyen, die gleich auch noch von »Dominanzgehabe« und »Erpressung« sprach – und damit nicht die Trump-Regierung, sondern Beijing attackierte. »Donald« habe »ganz recht«, dass Beijing »ein ernstes Problem« darstelle, wetterte sie – und legte nahe, die Vereinigten Staaten sollten die EU nicht mit Zöllen bekämpfen, sondern sich mit ihr gegen China verbünden. Ein Sprecher des Außenministeriums in Beijing drückte umgehend »starke Unzufriedenheit« über den Affront aus.
Die EU verschärft ihre Attacken gegen China zu einem heiklen Zeitpunkt. Die Aussichten ihrer Wirtschaft in den USA sind nach wie vor ungeklärt. Die Handelsstreitigkeiten mit China schwelen weiter. Beijing hatte im vergangenen Jahr in Reaktion auf die Verhängung hoher EU-Zölle auf Elektroautos aus China Anti-Dumping-Untersuchungen initiiert, die sich gegen diverse EU-Produkte richten, unter anderem gegen alkoholische Getränke vor allem aus Frankreich und gegen Schweinefleisch nicht zuletzt aus Deutschland. Die Untersuchungen hat es neulich verlängert – ein Zeichen, dass es verhandlungsbereit ist und von Maßnahmen gern absehen könnte. Es könnte auf den Import der EU-Produkte allerdings auch hohe Zölle verhängen. Hinzu kommen die Exportkontrollen auf seltene Erden, die inzwischen in Kraft sind und Beijing ein hartes Druckmittel in die Hand geben. Seinerseits wünscht es die Aufhebung der EU-Zölle auf Elektroautos. Chinesische Kfz-Hersteller haben sich von ihnen ohnehin nicht abdrängen lassen: Sie exportieren nun Hybride und Verbrenner in die EU und haben damit ihren Marktanteil im April gegenüber April 2024 verdoppelt.
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hielt es für angebracht, vor ihrem Treffen mit Wang am Mittwoch – nach jW-Redaktionsschluss – den Ton weiter zu verschärfen und China wahllos »Cyberangriffe«, Eingriffe »in unsere Demokratien«, »unfairen Handel« und Unterstützung für Russland vorzuwerfen. Ob das ein ungeschickter Versuch war, vor dem Gespräch mit Wang den Druck auf ihn zu erhöhen, oder ob Kallas das Gespräch schon vorab sabotieren wollte, war nicht ganz klar.
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