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Aus: Ausgabe vom 17.07.2017, Seite 10 / Feuilleton

New Life in Berlin

Von Sigurd Schulze

Paul Frankenburger wurde am 5. Juli 1897 in München geboren und bereits 1931 als Jude vom Augsburger Theater entlassen. Er floh 1933 nach Palästina, nahm dort den Nachnamen Ben-Haim – »Sohn des Lebens« – an und wurde einer der führenden Komponisten und Kulturpolitiker Israels. Er starb 1984 in Tel Aviv. Die Aufführung seiner Werke durch Yehudi Menuhin, Jascha Heifetz, Menahem Pressler und Leonard Bernstein hatten ihn international bekannt gemacht. Sein Schicksal teilten viele deutsch-jüdische Komponisten, so Kurt Weill, Alexander Zemlinsky, Franz Schreker, Ernst Toch, Hanns Eisler und andere. Ihr Problem war: Sie begannen ein neues Leben, ohne Kenntnis der Sprache ihres Exils, ohne Beziehungen.

Ben-Haims 120. Geburtstag inspirierte die Sopranistin Mimi Sheffer, sich mit der Kunstmusik jüdisch-europäischer Komponisten zu beschäftigen. Am Wochenende veranstaltete sie in Berlin das erste Festival »New Life«. Drei Tage lang wurden in der Sankt Elisabeth-Kirche und in der Villa Elisabeth Werke geflüchteter jüdischer Komponisten gespielt, vom Klaviertrio und Streichquartett bis zur Sinfonie, darunter Uraufführungen und deutsche Erstaufführungen. Was wie ein Anachronismus erscheint – so die Uraufführung einer Ouvertüre von Alexander Zemlinsky (1871–1942) – hat tragische Gründe, weil diese Werke in Deutschland nicht gespielt werden konnten oder weil die Noten verschollen waren oder weil sie im Exil entstanden und eben jetzt nach Deutschland (re)importiert werden.

So begannen die vom Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) ignorierten Berliner Symphoniker unter Leitung von Lior Shambadal mit der Uraufführung der Ouvertüre von Zemlinsky und dem sinfonischen Gedicht für Sopran und Orchester »Pan« von Paul Frankenburger sowie mit der deutschen Erstaufführung des Klavierkonzerts op. 41 (1949) von Ben-Haim, furios gespielt von der New Yorker Pianistin Gila Goldstein. Am Sonntag folgten das Violinkonzert von Joseph Kaminski (1903–1972), gespielt vom Konzertmeister des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin, Erez Ofer, und die deutsche Erstaufführung des Klavierkonzerts No.1 von Josef Tal (1910–2008), gespielt von der israelischen Pianistin Ofra Yitzhaki.

Der israelische Botschafter Yakov Hadas-Handelsman, Schirmherr des Festivals, brachte es auf den Punkt, als er bemerkte, dass durch den Terror der Nazis unersetzliche Verluste für das deutsche und europäische Kulturleben entstanden sind, und dass die Musiker nun versuchen, einen Teil der musikalischen Ideen jüdischer Komponisten nach Deutschland zurückzubringen.

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