Gegründet 1947 Sa. / So., 27. / 28. April 2024, Nr. 99
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    Klimaschutz light verjüngt Kanzlerin

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    Der heutige Klimaschutz-Kompromiß von Heiligedamm wird von Agenturjournalisten überwiegend als Durchbruch, wenn nicht gar als »Sensation« gewertet.

    Beim Mittagessen der G8-Staats- und Regierungschefs habe Bundeskanzlerin Angela Merkel »ihren wohl bisher größten Coup perfekt gemacht« und US-Präsident George W. Bush beim Klimaschutz Zugeständnisse abgerungen, die bisher undenkbar schienen, schrieb AFP-Mitarbeiter Benno König. Die Kanzlerin wirke »nach ihrem Erfolg um Jahre verjüngt«.

    Was war geschehen? - Die G8 hatten einhellig erklärt, sie wollten eine Halbierung ihrer CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 als Zielsetzung »ernsthaft in Betracht ziehen«. Darüber hinaus bekannten sie sich zur Fortsetzung des Klimaschutzprozesses im Rahmen der UNO. Verbindliche Formulierungen sind den euphorischen Agenturmeldungen nicht zu entnehmen. Dafür spricht Merkel von einem »starken Signal«. Eine Verpflichtung der G8-Staaten zu konkreten Zielvorgaben bei der CO2-Minderung blieb jedoch aus.

    Als weiteren Erfolg bewertete die Kanzlerin, daß die G8 nun darin übereinstimmten, für das auslaufende Kyoto-Protokoll bis 2009 eine Nachfolgeregelung im Rahmen der UNO zu finden. Auch dagegen hatte sich Bush ursprünglich gesperrt. Über das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll wird zum Jahresende auf der indonesischen Insel Bali verhandelt.

    (jW)
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    USA und Briten verhindern Regulierung von Hedgefonds

    Heiligendamm - Wie bereits die Finanzminister haben sich auch die Staats- und Regierungschefs der G 8 nicht auf einen Verhaltenskodex für die hoch spekulativen Hedgefonds einigen können.
    Dies sei wegen des Widerstands zweier Länder nicht gelungen, hieß es am Donnerstag aus deutschen Delegationskreisen. Dabei dürfte es sich um die USA und Großbritannien handeln, in deren Finanzzentren New York und London die meisten Manager der Hedgefonds arbeiten.
    Die G 8 konnten sich lediglich zu einer Empfehlung an Anleger, Kreditgeber und Behörden durchringen, »wachsam« zu bleiben.
    Weltweit gibt es mehr als 9000 der hierzulande auch »Heuschrecken« genannten Hedgefonds, deren Gesamtkapital auf mittlerweile 1600 Milliarden Dollar geschätzt wird. Die Bundesregierung fürchtet, daß der Zusammenbruch eines Fonds weltweite Folgen für die Finanzmärkte haben könnte.
    Das Thema bleibt aber auf der Agenda der G 8: Die Finanzminister wollen im Oktober erneut darüber sprechen. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sagte im Mai, er sei zuversichtlich, bis Ende des Jahres Regeln verabschieden zu können.

    (AFP/jW)

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    »Wir waren nur Nummern«

    Interview: Peter Steiniger
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    Klaus Döweland

    Anreisende G8-Kritiker wurden unter fadenscheinigen Vorwänden busweise eingesperrt. Ein Gespräch mit dem Berliner Elektriker Klaus Döweland, der am Dienstag in die Gefangenensammelstelle in der Industriestraße in Rostock verbracht wurde.

    Beschluß. »Gründe für eine Gewahrsamnahme nicht ersichtlich«
    Beschluß. »Gründe für eine Gewahrsamnahme nicht ersichtlich«

    Warum wollten Sie an den Protestaktionen gegen die G8 teilnehmen?

    Ich wollte mich als Einzelperson den  Blockaden anschließen, um etwas gegen diese Kriegstreiber zu tun. Deshalb bin ich zum Camp Reddelich gefahren. Dort waren Busse organisiert worden, um am Dienstag Demonstranten zu den Aktionen am Flughafen Rostock-Laage während der Ankunft von US-Präsident Bush zu bringen. Da habe ich mich spontan mit angestellt und habe noch einen Platz bekommen.

    Sind Sie Mitglied einer Partei oder einer anderen politischen Gruppe? Woher kommen Sie und was für einen Beruf üben Sie aus?

    Ich lebe in Berlin und bin nicht politisch organisiert. Von Beruf bin ich Elektriker. Zuletzt habe ich als EDV-Techniker gearbeitet. Seit anderthalb Jahren bin ich erwerbslos.

    Aus der beabsichtigten Teilnahme an den Kundgebungen am Flughafen Laage wurde nichts. Weshalb?

    Unsere Fahrt endete an der Ausfahrt nach Rostock-Laage. Bereits auf der Autobahn wurde unser Bus von vorn und hinten durch Polizeifahrzeuge eskortiert. Man hat uns auf eine alte Baustellenzufahrt herausgewunken. Das war etwa gegen 16 Uhr. Dort mußten wir erst eine Weile warten, bis wir einzeln zum Aussteigen aufgefordert wurden. Wir hatten unser Hab und Gut auszubreiten und wurden erkennungsdienstlich behandelt - an Ort und Stelle an den Bus gestellt und fotografiert.

    Um wie viele Personen handelte es sich? Mit was für Leuten waren Sie unterwegs und wie hat die Polizei ihr Vorgehen begründet?

    Wir waren insgesamt 57 Personen - aus unserem Reisebus sowie einem Kleinbus, der sich uns während der Fahrt angeschlossen hatte. Im wesentlichen Einzelpersonen, nur wenige kannten sich. Auch ein paar Jugendliche waren dabei. Alles ganz normale Leute eben. Es wäre mir schon aufgefallen, wenn da jemand nach dem »harten Kern« ausgesehen hätte.
    Die Beamten stellten uns erst einmal mit der Aussage ruhig, es würde sich um eine Demo-Vorkontrolle handeln.

    Was geschah dann?

    Unsere Gruppe wurde in ein aus Polizeifahrzeugen gebildetes Viereck, das von Beamten umzingelt war, gewissermaßen eingepfercht. Wir mußten dort eine Dreiviertelstunde im strömenden Regen ausharren. Nach etwa 15 Minuten war die Polizei so gnädig, wenigstens eine Frau mit einem Kleinkind ins Trockene zu lassen. 

    Zu welchem Ergebnis führte die Überprüfung durch die Polizei?

    Eigentlich zu gar keinem. Jemand hatte zwei Walkie Talkies dabei. Das wurde ein bißchen aufgebauscht. Man hat sie ihm erst abgenommen, etwas später aber wieder herausgegeben. Gefährliche Gegenstände wurden bei uns nicht gefunden. Dann kamen die Polizisten mit einer neuen Erklärung: Im Bus wären Vermummte dabei gewesen. Was nicht stimmte.

    Welche Konsequenzen zogen die Beamten nach den Kontrollen?

    Man hat uns alle, auch die Frau und das kleine Kind, in Gefangenentransporter verfrachtet. Damit wurden wir nach Rostock zur Industriestraße gefahren. Dort wurden wir in einer Art Gefangenensammelstelle, die sich in einer ehemaligen Fabrikhalle befindet, von der Polizei in Empfang genommen. Wir wurden erneut fotografiert und die neuen Bilder wurden mit denen verglichen, die schon am Bus gemacht worden waren. Das landet sicher in irgendeiner Datenbank. Fingerabdrücke hat man seltsamerweise aber nicht genommen.

    Gab es eine konkrete Anschuldigung gegen Sie persönlich?

    Zunächst nicht. Wir wurden einzeln in ein Vernehmungszimmer geführt. Der Beamte dort trug Zivil und wollte von mir wissen, ob ich irgendeiner Gruppe angehöre oder mich zugehörig fühle. Zumindest bei mir wollte er wohl so eine Art Gesinnungsprüfung machen. Er fragte mich und fragte mich nochmal. Da habe ich zurückgefragt, ob ich rechtlich verpflichtet sei, darauf zu antworten. Das hat er verneint und schließlich die Befragung abgebrochen.

    Wie waren die Bedingungen in der Sammelstelle?

    Soviel ich sehen konnte, waren in diesem Komplex 16 Zellen eingerichtet worden. Das waren Gemeinschaftszellen, zirka sechs mal sechs Meter groß, und ungefähr 2,50 Meter hoch. Ringsherum war kleinmaschiger Gitterdraht, darüber waren Gumminetze gespannt. Sitz- oder Liegemöglichkeiten gab es keine. In der Zelle, in die ich kam, gab es einen versifften Bodenbelag, in den anderen nur den blanken Fabrikboden.

    Wurden Sie verpflegt?

    In meiner Zelle waren wir 15 Leute. Man mußte bei den Wärtern grundsätzlich alles einklagen. Um Isomatten und Decken – wir hatten ja alle durchnässte Klamotten – mußten wir fast betteln, etwas zum Trinken lautstark einfordern. Alles ging schleppend. Wenn jemand etwas wollte, auf die Toilette usw., dann wurde immer nur einer bedient. Etwas zu essen mußten wir auch einklagen. An unsere Vegetarier oder an Menschen, die kein Schweinefleisch essen, hatte man natürlich nicht gedacht. Irgendwann haben sie dann Bananen besorgt. Da fühlten wir uns dann wirklich wie die Affen im Käfig ...

    Wie sind die Beamten sonst mit Ihnen umgegangen?

    Wir hatten sogenannte Begleitnummern erhalten. Die Polizisten haben uns mit diesen Nummern angesprochen. Einige Mitgefangene haben sich das leider auch gefallen lassen. Offensichtlich waren viele das erste Mal mit so etwas konfrontiert. Bei mir haben sie es nicht mehr gewagt, nachdem ich darauf nicht reagiert und mich lautstark aufgeregt hatte.
    Sehr unterschiedlich war der Umgang mit unserem Recht zu telefonieren. Ich konnte problemlos mein Rechtsanwaltsgespräch und ein Privatgespräch führen. Anderen wurde das verweigert. Besonders betroffen waren die Ausländer unter uns. Und lange war kein einziger Beamter aufzutreiben, der eine Fremdsprache beherrscht, nicht einmal Englisch.

    Wann wurden Sie mit einer konkreten Anschuldigung konfrontiert?

    Um 20 Uhr sind wir eingeliefert worden. Ungefähr ab 23 Uhr wurden wir dann alle dem Staatsanwalt vorgeführt, schubweise. Der kam mir dann mit dieser ominösen Vermummungsstory. Ich hätte in einem Bus mit Vermummten gesessen. Dadurch sei ich als jemand aufgefallen, bei dem anzunehmen sei, daß er zu Straftaten beitragen könne. Das war alles.
    Als die Rechtsanwälte vom Legal Team eintrafen, entstand viel Aufregung unter den Beamten und es dauerte noch etwas, bis wir einem Richter vorgeführt wurden. Einige mit, einige ohne Anwalt.

    Zu welcher Entscheidung kam der Richter?

    Der Richter wirkte von den Ausführungen des Staatsanwaltes wenig angetan. Er wird sich wohl auch gedacht haben: Wegen so einem Müll holen die mich nachts aus dem Bett. Der Beschluß war ganz klar: Mir ist keine Beteiligung an einer Straftat nachzuweisen, es gäbe »keine ersichtlichen Gründe für eine Gewahrsamnahme«. Mittlerweile war es gegen zwei Uhr morgens. Drei Uhr sollte ich entlassen werden und bekam einen Schein in die Hand gedrückt, daß ich jetzt aus der Stadt Rostock und dem Landkreis Bad Doberan ausgewiesen sei. Die dort gesetzte Frist zum Verlassen – zwei Uhr - war allerdings bereits überschritten. Ich habe mich geweigert, die Entlassung anzunehmen. Ich mache denen doch nicht den Affen – gehe vorn raus und werde hinten wieder reingesteckt. Das haben sie dann widerwillig geändert. Wir sind dann nach und nach entlassen worden. Soviel ich weiß, war gegen 4 Uhr die Hälfte von uns wieder frei. Ob alle wieder raus kamen, weiß ich nicht. Ich bin dann zum Camp, dort wurden wir von einer kleinen Delegation in Empfang genommen und mit Kaffee und Kuchen verpflegt. Nach meiner Rückkehr nach Berlin bin ich dann direkt zur jungen Welt gegangen.

    Was glauben Sie, was die Polizei mit Ihrem Vorgehen bezweckte?

    Ich weiß es nicht genau. Zum einen wollten sie uns wohl davon abhalten zu demonstrieren. Gleichzeitig kam es mir so vor, als hätten sie mit uns einen Probelauf für die kommenden Tage gemacht.

    Platzverweisung. »Die getroffene Maßnahme ist geeignet, erforder
    Platzverweisung. »Die getroffene Maßnahme ist geeignet, erforderlich und angemessen...«

    Das Gespräch wurde am Mittwoch nachmittag geführt. Anmerkung: Der Anwältliche Notdienst berichtete jW, daß schon mehrfach Busse von der Polizei gestoppt und sämtliche Insassen von der Polizei festgehalten und verwiesen worden seien. »Was hier an Platzverweisen von der Polizei ausgesprochen wird, ist vollkommen willkürlich«, so Rechtsanwalt Carsten Gericke. Das Verwaltungsgericht Schwerin habe bereits etliche dieser Platzverweise als rechtswidrig aufgehoben. 

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    Sound einer neuen Zeit

    Von Commander Shree Stardust
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    »Gettysburg! Gettysburg!« – wie die Unionstruppen 1863 den Ort ihres Sieges über das konföderierte Sklavenhalterpack durch die Felder Pennsylvanias brüllten, ruft die Globalisierungsbewegung durch die Felder und Wälder Mecklenburg-Vorpommerns den einen Namen: »Heiligendamm!«
    Morgen in junge Welt: Der Taktik-Kassiber: Organisation! Von Commander Shree Stardust. Schon heute abend in der Online-Ausgabe.

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    Polizeigewalt unerträglich

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    Junge Gewerkschafter haben Anteil am Erfolg der G8-Protestbewegung, stellt die ver.di Jugend Niedersachsen-Bremen fest. Zugleich verurteilt sie die Polizeigewalt.
    Von der Polizei wird eine Stellungnahme zu den verdeckten Provokateuren gefordert, die offensichtlich im Einsatz waren.
    »Das Konzept des zivilen Ungehorsams ist aufgegangen.«, erklärte Jugendsekretär Andre Hinrichs, der im Camp Reddelich mit vor Ort ist. Die friedlichen Demonstranten hätten sich »trotz erheblichen Einsatzes von Schlagstöcken, CS-Gas und Wasserwerfern« nicht provozieren lassen.
    Landesjugendsekretär Patrick von Brandt sieht die Blockaden gestern und heute als einen »großartigen Erfolg« für die Protestbewegung. »Viele der gewerkschaftlich organisierten Jugendlichen haben die Nacht über die Blockaden aufrechterhalten.«
    Die ver.di-Jugend beklagt eine tendenziöse Berichterstattung, die »trotz der bunten Bilder von dem friedlichen und kreativen Protest gegen den illegitimen G8 Gipfel« weiter versuche, Ausschreitungen als Begründung für brutale Polizeieinsätze herbei zu schreiben.

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    Nackte solidarisieren sich mit schwarzem Block

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    Rostock - Barfuß bis zum Hals haben heute Demonstranten auf einer Bundesstraße gegen »die Kriminalisierung des schwarzen Blocks« protestiert.

    Ein Dutzend nackter Frauen und Männer besetzten für  einige Minuten die Verbindungsstraße zwischen Rostock und Bad Doberan. Unter dem Motto »Nackte Gewalt« hüpften sie vor der Polizeisperre umher - die Körper lediglich mit Personalausweis beklebt und mit Sprüchen beschrieben. Die Polizei duldete die Blockade der Bundesstraße nicht und drängte die Nackten von der Fahrbahn. Festnahmen gab es jedoch nicht.

    (ddp/jW)

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    RAV verklagt die Bild-Zeitung

    Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) geht gegen Bild wegen der Berichterstattung über eine Rechtsanwältin beim Einsatz von Zivilpolizisten vor:

    Am Mittwoch abend gegen 19 Uhr wurde eine Gruppe von fünf Polizeibeamten in Zivil durch Demonstranten bei der Blockade am Osttor des Sicherheitszaunes entdeckt. Die Zivilpolizisten waren im Stil des sogenannten Schwarzen Blocks gekleidet. Als auf dem Hubschrauberlandeplatz hinter der Polizeikette einige Hubschrauber landeten, versuchten die Zivilbeamten, die anwesenden Demonstranten zu Straftaten anzustacheln. Auf Aufforderung der Blockade-Organisatoren entfernten sich vier von fünf Zivilpolizisten und wechselten auf die Seite der uniformierten Beamten. Der fünfte Zivilpolizist, der sich wie seine Kollegen geweigert hatte, seine Identität offen- zulegen, wurde dann von Anwälten des Legal Teams und Organisatoren der Blockade auf eigene Bitten hin, zu seinen uniformierten Kollegen begleitet.

    Unter der Fotoüberschrift »Aufgebrachte Schläger versuchen, einem Zivilpolizisten die Kapuze vom Kopf zu reißen« zeigt die Bild-Zeitung vom Donnerstag ein Foto, das eine Anwältin des Legal Teams zeigt. Die betreffende Anwältin ist zu sehen, wie sie mit dem Zivilbeamten darüber spricht, wie er sich zu seinem eigenen Schutz auf die andere Seite der Polizeikette begeben kann. Die Bildüberschrift ist falsch. Sie suggeriert in böswilliger Absicht, daß die auf dem Bild erkennbaren Personen, die tatsächlich den als Agent Provocateur agierenden Polizeibeamten geschützt haben, Gewalttäter seien.

    »Der RAV hat den bekannten Presserechtsanwalt Johannes Eisenberg eingeschaltet, der die Bild-Zeitung auf Gegendarstellung und Unterlassung verklagen wird«, sagt Wolfgang Kaleck, Vorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins. »Mit ihrer wahrheitswidrigen Berichterstattung trägt die Bild-Zeitung zur Eskalation der Situation bei.« Zudem müsse die Polizeieinsatzleitung die Frage nach dem unverantwortlichen Einsatz von offensichtlichen Agent Provocateurs nicht nur bei der gestrigen Blockade beantworten. Nach dem kritikwürdigen Vorgehen der zivilen Polizeibeamten am gestrigen Tage sei es nicht auszuschließen, daß Polizeibeamte auch an weiteren Orten und Tagen in derartiger Art und Weise vorgegangen sind.

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    Viel Wind gegen G8

    Das Wetter ist mit den Gipfelgegnern. Wie »Die Zeit« auf ihrer Internetseite mitteilt, kann momentan kein Schiff an der Seebrücke von Heiligendamm anlegen.
    Da momentan zehntausende Globalisierungskritiker an beiden Toren des sogenannten Sicherheitszauns die Eingänge blockieren, heißt das, die Staats- und Regierungschefs der G 8 und ihr Troß sind eingesperrt.
    »Das ist ein voller Erfolg«, so Lotta Kemper von der Pressegruppe Campinski. »Wir haben den G 8 immer die Legitimität abgesprochen für uns und für den Rest der Welt zu sprechen. Wir haben gesagt, wir werden sie mit dezentralen und Massenblockaden blockieren, ihre Infrastruktur behindern und sie hinter ihrem Zaun einschließen - das passiert seit zwei Tagen sehr erfolgreich.«
    (jW)

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    G8-Teilnehmer so gut wie eingesperrt

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    Rostock - Das Tagungshotel des G8-Gipfels in Heiligendamm ist seit heute nachmittag vorerst nur noch auf dem Luftweg zu erreichen.
    Nach dem Auffrischen des Windes könne aus Sicherheitsgründen kein Boot mehr an der Seebrücke von Heiligendamm festmachen, teilte die »Campinski Pressegruppe« in Rostock mit. Da zehntausende Globalisierungsgegner die Eingänge zu dem umzäunten Gipfel-Areal versperrten, seien die dort tagenden Staats- und Regierungschefs jetzt so gut wie eingesperrt.

    (jW)

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    Sechs Gefangene im Hungerstreik

    Rostock - Sechs während der G8-Proteste in Gewahrsam genommene junge Männer befinden sich nach Informationen des Anwaltlichen Notdienstes im Hungerstreik, um gegen die Mißachtung ihrer Grundrechte durch die Polizei zu protestieren.

    Obwohl sie sich nicht in Untersuchungshaft befinden, werden sie in der JVA Lübeck in Einzelzellen festgehalten. Zudem sollen ihnen Telefonate mit ihren Rechtsanwälten verweigert worden sein. Unter ihnen sei auch ein 23jähriger, der am Abend des 3. Juni nach dem Konzert am Stadthafen von Polizeibeamten aus Baden-Württemberg brutal mißhandelt wurde, wie der Anwaltsnotdienst mitteilte. Der junge Mann befindet sich auf richterliche Anordnung bis zum 9. Juni um 12 Uhr in Gewahrsam.

    (jW)
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    Anwalt mißhandelt

    Heute gegen 14.20 Uhr wurde der Rechtsanwalt Dietmar Sasse von Polizisten geschlagen, gestoßen und etwa 100 Meter weit über den Boden geschleift.
    Der Vorfall trug sich bei Hinter Bollhagen zu, wo G8-Gegner eine Blockade abhalten. Sasse, der für den Anwaltsnotdienst des Republikanischen Anwaltsvereins (RAV) tätig ist, wollte dort einem Verhafteten juristische Hilfe leisten.
    Wenig später wurde das Fahrzeug, mit dem Dietmar Sasse auf dem Weg zu einer Protestveranstaltung von Anwältinnen und Anwälten vor der Gefangenensammelstelle in der Rostocker Industriestraße war, von Beamten der 23. Berliner Einsatzhundertschaft gestoppt. Mit dem Ruf »Das sind die Anwälte!« wurden die Insassen aus dem Auto gezogen, durchsucht und schikaniert.
    Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte waren während der laufenden G8-Proteste immer wieder massiven Behinderungen durch die Polizei ausgesetzt.
    (jW)

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    Anwälte demonstrieren vor Gefangenensammelstelle

    Um gegen die Behinderung ihrer Arbeit zu protestieren, haben sich seit 15 Uhr Anwältinnen und Anwälte des Legal Teams/Anwaltlicher Notdienst vor der Gefangenensammelstelle Industriestraße in Rostock-Schmarl versammelt.

    Mit dem Motto »für faire Verfahren und freien Zugang zu den Verhafteten« wollen die Juristen auf unhaltbare Zustände in den Gefangenensammelstellen der Sondereinheit BAO Kavala der Polizeidirektion Rostock aufmerksam machen.

    Grundrechte mißachtet

    Nach Informationen des Anwaltlichen Notdienstes sitzen in der Gesa Industriestraße zur Zeit rund einhundert Menschen ein. Mehrheitlich verlangen sie einen Rechtsbeistand, der ihnen durch die BAO Kavala verwehrt wird, obwohl dies zu den Grundrechten nach einem Freiheitsentzug gehört. Zudem hindere die BAO Kavala die Anwälte an der freien Berufsausübung, wenn sie ihnen Beratungsgespräche mit den Inhaftierten verweigert. Um diesen Skandal öffentlich zu machen, haben sich rund 30 Anwältinnen und Anwälte, sowie 20 Unterstützer zu der Kundgebung entschieden. Der Europaabgeordnete Tobias Pflüger verlangt zudem Einlaß, um die von Freigelassenen beschriebenen Käfige in der Gesa in Augenschein zu nehmen.

    (jW)

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    Klima gerettet!

    Die G8-Staatsoberhäupter haben sich bei ihrem Gipfel in Heiligendamm auf einen im Wortsinn atemberaubenden Kompromiß in Sachen Klimaschutz geeinigt.

    Wie Bundeskanzlerin Angela Merkel mitteilte, vereinbarten sie, »die Halbierung der Treibhausgasemissionen bis 2050 hier in Betracht zu ziehen und zwar ernsthaft«.

    Merkel sprach von einem »Riesenerfolg« sowie einem »Riesenschritt nach vorne«. Nun sei für die Umweltminister der Weg frei, bei der UN-Klimakonferenz auf Bali Ende des Jahres über ein Kyoto-Nachfolgeabkommen zu verhandeln.


    Die Europäer drängten US-Präsident George W. Bush in den Verhandlungen, konkreten Zielen zur Reduzierung der Treibhausgase zuzustimmen. Bush erklärte sich jedoch nur bereit, an einem Kyoto-Nachfolgeabkommen für die Zeit ab 2012 im Rahmen der Vereinten Nationen mitzuwirken.

    Der US-Präsident hatte vergangene Woche vorgeschlagen, die 15 größten Produzenten von Treibhausgasen - darunter China und Indien - sollten bis Ende kommenden Jahres gemeinsame Ziele vereinbaren. Merkel sagte vor Journalisten, die größten CO2-Produzenten sollten einen Beitrag bis 2008 zum UN-Prozeß leisten sollen. Damit gehe die amerikanische Initiative im Prozeß der Vereinten Nationen auf. Alle inklusive der USA hätten den Bericht des Weltklimarates als Grundlage für das weitere Vorgehen anerkannt. Damit werde auch ein Bezug zur Begrenzung der Erderwärmung hergestellt.

    (AP/jW)

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    Zusammenfassung: Heiligendamm weiterhin belagert

    Maritime Protestaktion von Greenpeacee. Vier größere Blockaden an der Zufahrt.
    Heiligendamm. Am zweiten Tag des G-8-Gipfels haben die Globalisierungsgegner ihre Proteste mit zum Teil spektakulären Aktionen fortgesetzt. Mitglieder der Umweltschutzorganisation Greenpeace drangen am Donnerstag mit mehreren Schlauchbooten in der Sperrzone vor Heiligendamm ein, um den G-8-Staats- und Regierungschefs eine Petition zum Klimaschutz zu überbringen. Sie wurden von Polizeibooten abgefangen, wobei den Umweltschützern zufolge vier Aktivisten verletzt wurden. Am Sicherheitszaun setzten Demonstranten unterdessen ihre Blockaden an den beiden Kontrollpunkten fort. Die Proteste verliefen zunächst ohne größere Auseinandersetzungen.
    Drei von elf Schlauchbooten mit Greenpeace-Aktivisten an Bord gelang es am Vormittag, vorübergehend in die Sperrzone einzudringen. Die Wasserschutzpolizei drängte die Boote ab und beendete die Aktion. Zwei der Boote seien von Polizeibooten regelrecht »überfahren« worden, kritisierte die Umweltschutzorganisation. Drei Verletzte hätten Prellungen erlitt en, der Zustand eines vierten Aktivisten sei noch unklar, sagte Koch. Greenpeace kritisierte das Vorgehen der Polizei als »absolut unverantwortlich«.
    Nach einer friedlichen Nacht setzten G-8-Gegner am Donnerstag ihre Blockaden von Straßen und Kontrollpunkten fort. Die Polizei-Einsatzzentrale Kavala berichtete am Nachmittag von vier Blockaden mit jeweils mindestens 500 Teilnehmern. Eine Sprecherin der Kampagne »Block G-8« sprach von mehr als 2 000 Blockierern allein am Kontrollpunkt Rennbahn. An der zweiten Kontrollstelle in Hinter Bollhagen setzte die Polizei ab Mittag Wasserwerfer ein, um sich dem Zaun nähernde Demonstranten auf Distanz zu halten. Ziel sei, »daß Heiligendamm zumindest über einen Kontrollpunkt im Laufe des Tages wieder zu erreichen ist«, sagte ein Polizeisprecher. Laut Polizei wurden in der Nacht und am Donnerstag bis zum frühen Nachmittag 365 Demonstranten festgenommen.

    (AFP/jW)

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    Acht Demonstranten verurteilt

    Rostock. Knapp eine Woche nach den Rostocker Krawallen sind die meisten der verhafteten Demonstranten verurteilt.
    Das Amtsgericht Rostock sprach alle acht bisher angeklagten Verdächtigen schuldig, die meisten zu Haftstrafen von neun oder zehn Monaten ohne Bewährung. Nur zwei Geständige wurden zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, wie das Gericht mitteilte. Alle Verurteilten wurden nach den Verhandlungen auf freien Fuß gesetzt, weil die Urteile noch nicht rechtskräftig sind.

    Die Gruppe der Verurteilten ist international: Vier Deutsche, zwei Spanier, ein Russe und ein Pole im Alter zwischen 20 und 31 Jahren. Alle wurden wegen versuchter oder vollendeter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit schwerem Landfriedensbruch verurteilt. Sie sollen am Samstag bei der Anti-G-8-Demonstration in Rostock Steine auf Polizeibeamte geworfen haben.
    (AP/jW)

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    Anti-G8-Konzert mit Bono und Grönemeyer in Rostock

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    Rostock - Vor rund 80.000 Zuhörern hat am Nachmittag das Konzert »Deine Stimme gegen Armut« in Rostock begonnen.
    Geplant sind auf dem Gelände der IGA bis 20.00 Uhr unter anderem Auftritte von Herbert Grönemeyer und U2-Sänger Bono. Mit dabei sind auch Die Toten Hosen, Die Fantastischen Vier und Sportfreunde Stiller. Mit dem Konzert solle Druck auf die Staats- und Regierungschefs ausgeübt werden, die momentan in Heiligendamm tagen, sagte Bono kurz vor dem Konzert. Die Armut in Afrika müsse wie versprochen bis 2010 halbiert werden.

    (AP/jW)

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    Bauern klagen

    Neubrandenburg. Landwirte rund um den G8-Tagungsort Heiligendamm wollen Schadensersatz für die von Demonstranten und Polizei zertrampelten Getreidefelder einfordern.

    Zahlreiche landwirtschaftliche Flächen seien »massiv betroffen«, klagt der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern. Durch die »Wanderwege« der G8-Gegner auf den Feldern sei mit Ertragsausfällen zu rechnen. Allein bei einem Landwirt in Admannshagen sei ein Gerstenfeld über eine Fläche von zwei Hektar »massiv zerstört« worden. Die Schäden beliefen sich auf insgesamt »mehrere tausend Euro«. Der Bauernverband kündigte Schadensersatzforderungen gegenüber dem Land Mecklenburg-Vorpommern an. Da die Polizei auf den Feldern keine Personalien von durchmarschierenden Demonstranten aufgenommen habe, sei es auch kaum möglich, nach dem Verursacherprinzip zu verfahren.

    Die Bundesregierung läßt sich den G8-Gipfel mehr als 100 Millionen Euro kosten. Da müßten doch ein paar tausend Euro für plattgemachte Felder drin sein.

    (jW)

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    Geräumt, aber nicht geschlagen

    Von Sebastian Wessels, Reddelich
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    Kleidung durchnäßt - Stimmung optimistisch. Eindrücke von den G8-Blockaden

    Einige hundert Blockadeteilnehmer sind soeben mit Wasserwerfern und Polizeiknüppeln von der Zufahrtsstraße bei Hinter Bollhagen vertrieben worden - tief in der Demo-
    Verbotszone und kurz vor dem G8-Tagungsort Heiligendamm.

    Nun verteilen sich die Aktivisten über die Wiese neben der Straße, die gerade von einem Polizeispalier abgeriegelt wird. Von Wasserwerfern durchnäßt hüllen sie sich in Wärmefolien, suchen Freunde und Bezugsgruppen - und lassen sich ihren Optimismus nicht nehmen. Trotz Räumung hat sich hier eine Feierstimmung durchgesetzt. Die Blockadetaktik war in vielerlei Hinsicht ein voller Erfolg: Die andere Zufahrt nach Heiligendamm wird noch erfolgreich blockiert und die Bäderbahn »Molli« ist lahmgelegt. G8-Delegierte mußten eingeflogen werden - und die allgegenwärtige Polizei wurde vielfach zum Narren gehalten.

    Robocops sprachlos

    »Gott, habt ihr 'nen Mistjob«, ruft ein Blockierer den uniform aufgereihten Polizisten zu. »Ihr Flaschen«, meint kopfschüttelnd und lachend ein anderer. Ein weiblicher Clown hat den etwa anderthalb Meter hohen Wall erklommen, auf dem die Straße verläuft und die Polizisten stehen, ahmt deren herrische Pose nach und marschiert im Stechschritt vor ihnen hin und her. Dann schnellt ein Polizistenarm hervor und stößt die junge Frau den Wall hinunter. Sie strauchelt, fällt aber nicht, sondern klettert sofort wieder hinauf, um ihre Parodie fortzusetzen.
    Ein durchnäßter Aktivist wendet sich mit einer einfachen Frage an das Spalier: »Habt ihr Leute verhaftet? Wir suchen Leute.« Die Rüstungen stehen da und rühren sich nicht. »Ja oder nein?«, drängt er. Ein vorbeikommender Blockadeteilnehmer klopft ihm auf die Schulter, zieht ihn hinter sich her und sagt beinahe mitleidig: »Laß es, die können nicht reden.«

    Anwohner teils solidarisch

    Hinter der Sperre in Richtung Heiligendamm streiten Anwohner mit den Polizisten. Vor einigen Minuten haben sie den Aktivisten aus dem Fenster ihres Hauses, das unmittelbar hinter der Absperrung steht, ein paar Snacks zugeworfen. Einer der Blockierer möchte seinen Schlafsack zurück haben, der noch jenseits der Sperre liegt. Die beiden Frauen aus Heiligendamm wollen ihm sein Eigentum geben, dürfen es aber nicht. »Diskussion beendet«, herrscht ein Beamter aus Bayern sie an.

    Clownerien, Gesang und Spott entfernen sich langsam. Zurück bleiben einige Strohsäcke, die von Blockierern zum Sitzen benutzt werden, ein paar Luftschlangen, leere Wasserflaschen und die Einsatzkräfte auf dem Wall. Auf Befehl nehmen sie ihre Helme ab. Ob sie neben der taktischen auch ihre moralische Niederlage ahnen, bleibt der Spekulation überlassen - sie geben ja keine Auskunft.
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    »Molli«: Signale auf rot

    Heiligendamm. Nur kurz hieß es heute freie Fahrt für die bereits gestern blockierte Dampfeisenbahn. Mit dem Touristenzug sollen die Journalisten zwischen dem G8-Medienzentrum in Kühlungsborn und dem Gipfelort Heiligendamm transportiert werden. Mittlerweile ist die Bahnstrecke von »Molli« erneut von G8-Gegnern still gelegt worden. (ddp/jW)

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    2000 bei Alternativgipfel in Rostock

    Rostock - Rund 2000 Globalisierungskritiker haben an den Veranstaltungen des G8-Alternativgipfels in Rostock teilgenommen, der soeben unter tosendem Applaus für die Abschlußrednerin Vandana Shiva endete.

    Insgesamt fanden im Rahmen des Gegengipfels 130 Veranstaltungen und sieben große Podiumsdiskussionen zu friedens- und umweltpolitischen Themen statt. Nach Aussage eines Mitorganisators nahmen auch viele Rostocker an den Veranstaltungen teil. Die wichtigste Botschaft des Alternativgipfels an die G8-Staaten: »Ihr seid nicht legitimiert, für die Menschen zu sprechen.«

    (AP/jW)