Gegründet 1947 Sa. / So., 20. / 21. April 2024, Nr. 93
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  • · Nachrichten

    Blockierer harren aus

    Rund 1000 Demonstranten haben nach Polizeiangaben über Nacht die Blockadeaktionen am Tagungsort des G8-Gipfels in Heiligendamm fortgesetzt.
    Die Organisatoren sprachen von insgesamt 2000 Menschen, die an der Kontrollstelle Rennbahn am Sicherheitszaun und in der Nähe des Ortes Börgerende verharrten. Im Laufe des Vormittags sei die Teilnehmerzahl der Blockaden wieder erheblich gewachsen.
    Die zweite Kontrollstelle Hinter Bollhagen, die am Mittwoch ebenfalls zeitweise gesperrt war, ist Polizeiangaben zufolge wieder frei. Auch die Molli-Bahn, mit der die Journalisten zum Tagungsort gebracht werden, nahm nach einer Unterbrechung vom Mittwoch wieder den Verkehr auf.

    (AFP/jW)
  • · Nachrichten

    A Letter to G8: Greenpeace dringt in Sperrzone ein

    Mindestens zwei Schlauchboote der Umweltorganisation »Greenpeace« sind am späten Vormittag in die Sperrzone vor Heiligendamm eingedrungen.

    Polizeiboote drängten sie zunächst in Richtung Kühlungsborn ab. Eines der Schlauchboote soll nach Informationen des Nachrichtensenders n-tv dabei gekentert sein. Ein weiteres Boot wurde von Bundesmarine und Hubschraubern gejagt. Mindestens vier der Greenpeace-Aktivisten landeten vorübergehend im Wasser, sollen aber unverletzt sein.

    Nach Aussage eines Greenpeace-Sprechers wollten die Aktivisten den G8-Regierungschefs in Heiligendamm eine Petition mit einem Aufruf zum Klimaschutz überreichen.
    Das Boulevardblatt Bild beklagte auf der heutigen Titelseite riesige Löcher im Unterwasser-Sperrzaun. Ob ein Zusammenhang besteht, ist nicht geklärt.

    (jW)

  • · Nachrichten

    G8-Gegner: Voller Erfolg

    Bild 1

    Der Koordinierungskreis der G8-Proteste schätzt den bisherigen Verlauf der Blockaden als einen vollen Erfolg ein.
    An zwei Stellen wurden die Blockaden auch in der Nacht fortgesetzt, berichteten die Protest-Organisatoren auf einer Pressekonferenz heute morgen.
    Laut Anwaltlichem Notdienst kam es während der gestrigen Aktionen zu etwa 200 sogenannten Ingewahrsamnahmen. Anwälte wurden - vor laufenden Kameras - von Polizei massiv behindert und nicht zu den Gefangenen in der Gefangenensammelstelle vorgelassen.
    Thema der Informationsveranstaltung war auch ein intarnter Bremer Polizeiprovokateur. Dieser hatte mit einer Gruppe von vier weiteren Zivilpolizisten, die mit schwarzen Kapuzenpullis und Käppis auftraten, versucht, wirkliche Demonstranten zum Aufnehmen und Werfen von Steinen zu animieren.
    Er konnte von Blockadeteilnehmern überwältigt und festgehalten werden und wurde seinen Kollegen in den Polizeiketten übergeben.
    Zur Sprache kamen ebenso die zahlreichen Falschmeldungen der Polizei, die von der Presseagentur dpa ungeprüft weiterverbreitet worden seien.

    (jW)

  • · Nachrichten

    DIE LINKE. verurteilt Schikanen gegen Camps

    Bild 1

    Gegen die fortdauernden Schikanen von Camp-Teilnehmern durch die Polizei wendet sich die Fraktion DIE LINKE.
    Im Camp Wichmannsdorf, daß unter dem Motto "Campen für eine gerechte und ökologische Welt von unten" als Dauerversammlung angemeldet ist, würden die Bewohner immer wieder mit schikanösen Kontrollen, Durchsuchungen und Platzverweisen drangsaliert. Insgesamt seien in den letzten Tagen rund um das Camp 1.500 polizeiliche Maßnahmen durchgeführt worden - bei 1.200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
    Es dränge sich der Eindruck auf, erklärte die entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. und Anmelderin des Camps in Wichmannsdorf, daß es sich um »eine systematische vorgelagerte Repression«  handele, mit der den Betroffenen »das Gefühl vermittelt werden soll, einer illegalen Aktion beizuwohnen«.
    Der Protest gegen die G8 sei legitim. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist »rund um Heiligendamm zur Farce verkommen«, schätzt Heike Hänsel ein.

  • · Nachrichten

    Die Blockaden halten

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    ...auch wir machen erst mal dicht. Am Donnerstag ab 10 Uhr wird der Newsticker jW G8 spezial mit aktuellen Meldungen, Berichten unserer Reporter, Interviews und Kommentaren fortgesetzt.

  • · Nachrichten

    G8 blockiert

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    Eindrücke von Blockierern und Blockierten. Aktionen mit Zaunblick rund um Heiligendamm. Von unserem Bildreporter Christian Ditsch/Version sowie AP-Fotografen.

  • · Nachrichten

    Polizei nahm Fotoreporter fest

    Nach Information des anwaltlichen Notdienstes wurde der unter anderem für den Stern tätige Fotoreporter Daniel Rosenthal heute morgen während einer Blockadeaktion bei Börgerende von der Polizei festgenommen.

    Nach rund zehn Stunden sei er nun wieder auf freiem Fuß, warte aber noch auf die Herausgabe seiner Fotoausrüstung, wie der Notdienst jW mitteilte.

    Die Polizei warf dem offiziell für den G8-Gipfel akkreditierten Bildjournalisten Anstiftung zu schwerem Landfriedensbruch und Teilnahme an Sitzblockaden vor. Den Vorwurf der Anstiftung zum schweren Landfriedensbruch konstruierte die Polizei nach Aussage seines Rechtsanwalts Lars Nümann daraus, daß Rosenthal in der Nähe des schwarzen Blocks fotografiert und dabei zum Selbstschutz einen Helm getragen habe. Die Polizei verdächtigte ihn offenbar, zu Zwecken des Sensationsjournalismus Autonome zu weiteren Steinwürfen aufgefordert zu haben.

    (jW)

  • · Nachrichten

    Falschmeldung über Falschmeldung

    In den Presseveröffentlichungen der Polizei wurde zum ersten Mal gegen 18 Uhr der Blockade an der Rennbahn unterstellt, Demonstranten würden sich u.a. mit Molotow-Coctails bewaffnen.
    Die Pressesprecher von »Block G 8« dementieren aufs Schärfste diese offensichtlich gezielt verbreitete Falschmeldung. »Bestätigt wird unsere Darstellung von diversen Journalisten, die vor Ort das Geschehen miterlebt haben«, so »Block G 8«. Richtig sei vielmehr, daß bei der Blockade an der Rennbahn am Osttor ein zeitweise vermummter Zivilbeamter enttarnt wurde, der Demonstranten vorher aufgefordert hatte, sowohl Steine zu werfen als auch den Zaun zu beschädigen.
    Weiterhin meldete die Polizei die Auflösung mehrerer Blockaden unter anderem in Börgerende. »Dies ist falsch«, so »Bock G 8«. Tatsächlich würden Teilnehmer von   »Block G 8« seit 14 Uhr die Zugangsstraße nach Heiligendamm in Börgerende blockieren. »Dort sind zur Stunde noch immer 1.500 Blockierer auf der Straße.«
    Auch die Blockade an der Rennbahn beim Osttor ist seit 11.30 Uhr blockiert. Noch befinden sich etwa 2.000 Menschen dort auf der Straße und bereiten sich auf die Nacht vor.
    Die Kampagne »Block G 8« will morgen früh ausführlich auf der Pressekonferenz im Pressezelt Stadthafen über die Desinformation der Polizei informieren, appelliert aber schon jetzt: »Wir fordern alle Medien auf, sich nicht auf ungeprüfte Meldungen der Polizei zu verlassen.« (jW)

  • · Fotostrecken

    G8 blockiert

    6. Juni. Merkel, Bush & Co. hinter Gittern
    »Du muußt bei die Gesindel rischtisch 'art durschgreifen, Cherí...«
    Handwerk hat goldenen Boden
    Bella e Italiano
    Warmduscher greifen an
    »Was, den trägst du immer noch?«
    Straße frei, Polizei
    U2? Too bad
    Schwarzer Block in Aktion
    Auf der falschen Seite?
    Vermummt, brutal, bewaffnet
    Die dunkle Seite der Macht
  • · Nachrichten

    Provokateur entschärft

    Bild 1

    Wie der Sender n-tv berichtete, haben Demonstrationsteilnehmer am Blockadepunkt Galopprennbahn einen mutmaßlichen Polizeiprovokateur zur Rede gestellt und ihn aufgefordert, sich auszuweisen.
    Als der Mann der Forderung nicht nachkam, hätten die Demonstranten angefangen, ihn zu verprügeln. Er sei dann von Kräften des anwaltlichen Notdienstes aus der Notlage befreit und zur Linie der Polizisten gebracht worden, die ihn in ihre Reihen gezogen hätten. Wie ein Sprecher des Notdienstes bestätigte, hatten mehrere Demonstranten den Mann in szenetypischer Kleidung als Polizisten erkannt. Einer n-tv-Reporterin berichteten Demonstrationsteilnehmer, er wäre wie »ein gewaltbereiter Autonomer« gekleidet gewesen, und er habe zu Gewalttaten aufstacheln wollen.
    2000 Demonstranten halten sich noch in Zaunnähe am östlichen Zugang zum G8-Tagungort Heiligendamm auf.

    (jW)

  • · Ansichten

    Dank an die Clowns

    Frank Ehrhardt, Potsdam
    Bild 1
    Am Samstag, dem 2. Juni 2007, bin ich Augen- und Ohrenzeuge einer riesigen friedlichen Demonstration geworden und habe die Provokationen und im Anschluß diese extremen Lügen in den Medien erlebt.
    Ein Zug bestehend aus vielen tausend bunten Menschen, Fahnen aller Farben – aber rote Fahnen dominierten -, riesige Figuren und Transparente, die mit viel Geschick, Humor und Fantasie gefertigt wurden. Ich reihte mich mit meiner roten Fahne ein und lief mit. Unterwegs zum Stadthafen blieb ich immer wieder stehen, um andere Gesichter, andere Gruppierungen, andere Losungen zu sehen. So zog der ganze Zug an mir vorüber. Auch der sogenannte schwarze Bock. Ich sah tausende Gesichter – in keinem – ich wiederhole: in keinem einzigen war Wut, Bitternis, Haß oder Gewaltbereitschaft zu sehen. Im Gegenteil: Ausgelassene, fröhliche, menschliche, lächelnde Gesichter prägten den Zug. Ich schaute auch in die Gesichter, die unter großen Helmen und hinter Schilden hervorlugten – da waren ernste, angespannte, menschliche Gesichter zu erkennen. Und dann gab es da eine Gruppe offenbar professioneller Clowns, die ausschwärmten und sich überall dort zeigten, wo sich  Demonstranten und »Ordnungshüter« nahe kamen. Sie brachten Humor in solche Momente. Sie rangen beiden Seiten ein Lächeln ab und verhinderten dadurch - schon im Vorfeld – Provokationen der einen als auch der anderen Seite. Wo die Clowns auftauchten entspannten sich die Gemüter. Ein genialer Einfall. Ein Deeskalationsteam ohne Uniform. Wir können den Clowns nicht genug danken.

    Wasserspeiende Ungeheuer


    Der Zug wurde ständig durch ein bis zwei dröhnende Hubschrauber begleitet. Am Ort der Abschlußkundgebung sah ich mit Brettern vernagelte Geschäfte. Wie sehr die Medien doch die einheimische Bevölkerung auf die drohenden Krawalle eingetrimmt hatten. Der Beginn der Kundgebung mußte mehrfach verschoben werden, da die Hubschrauber in Standschwebe über dem »Festplatz« standen und die Mikrofone und Lautsprecher übertönten. Zwischen den Redebeiträge immer wieder der Appell an die Polizei, die Provokationen einzustellen. Plötzlich Rauch, Unruhe, unruhige Blicke … und vier mehr als mähdreschergroße grüne wasserspeiende Ungeheuer fahren mitten auf den Festplatz. Mir kommen Menschen mit roten Gesichtern und tränenden Augen entgegengerannt, die Wasser suchen, um ihren Augen auszuspülen. Und wieder die Aufforderung von der Bühne: »Zieht Euch zurück - raus aus unserer Veranstaltung, hört auf mit den Wasserwerfern und überhaupt mit Euren Provokationen auf!«
    Mehrmals stürmten vor meinen Augen schwer gerüstete Polizeieinheiten mit geschlossenen Visieren in die Menschenmassen. Wie lange geht das noch gut ohne organisierte Gegenwehr?
    Irgendwann ziehen sich sowohl die bulligen Wasserwerfer, als auch die marschierenden Kolonnen zurück. Unter dem lauten Beifall tausender aufatmender nicht gewaltbereiter G8-Gegner. Eine Stunde später wird von der Bühne verkündet, daß in der Innenstadt Jagd auf nasse Menschen gemacht wird. Ein Scherz? Nein. Auf dem Weg zum Hauptbahnhof komme ich an einem (!) verbrannten PKW vorbei. Dann werde ich Zeuge wie junge Leute am Straßenrand völlig willkürlich angehalten werden und die Trockenheit ihrer Kleidung durch Abtasten überprüft wird. Wer mit nasser Kleidung an diesem Abend in Rostock aufgegriffen wurde, wurde als potentieller Gewalttäter eingestuft und dementsprechend erkennungsdienstlich behandelt.

    Die Bilder von Genua


    Hunderte Polizisten sollen verletzt worden sein. Auf dem Weg zum Camp fragten wir uns, wie und wo die Beamten mit Helm, Visier, und dem ganzen Körper voller Hartplastik zu verletzen seien. Oder zählt es auch als Verletzung, wenn die Polizisten ihr eigenes Tränengas einatmen?
    Vor dem Camp erwarten uns drei große Wasserwerfer und mehrere hundert kampfbereite Polizisten. Es ist inzwischen 21.30 Uhr. Mir stockt der Atem, Bilder aus der Turnhalle in Genua 2001 werden wach, wo unschuldig schlafende brutalst zusammengeknüppelt wurden. Überhaupt haben mich heute einige Bilder eher an Chile im September 1973 erinnert, als an ein demokratisches Rechtssystem. Damals hielt ich es für ausgeschlossen, daß ich jemals ähnliches mit eigenen Augen sehen werde. Doch heute hab ich Angst – und nicht nur ich – denn hier herrscht Barbarei.
    Wenn Gewalt gebraucht wird, um der Welt etwas zeigen zu können, dann wird Gewalt  befohlen. Und wenn den Kampfmaschinen da draußen jemand in der Nacht den Befehl gibt, das Lager zu stürmen, dann motivieren die angeblich verletzten Polizeikollegen ungemein. Um 23.30 Uhr treffen sich die Delegierten der einzelnen Zeltgemeinschaften, um darüber zu beraten ob und wie Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. In dieser Nacht bleibt es zwar ruhig, aber mich lassen die Eindrücke des Tages lange nicht zur Ruhe kommen.

    Hier herrscht Barbarei


    Die Medien haben ihre Bilder bekommen. Immer und immer wieder wurde das einzige brennende Auto gezeigt. Von wem jedoch die Gewalt ausging und wer provoziert hat – bis dann endlich doch die Steine flogen – das wissen nur wir. Wir die 80 000 bewegten Bürger, die ihren Unmut über die täglich verübten Gewalttaten der G-8–Staaten friedlich äußern wollten. Die Gewalttaten wie Krieg, Folter und Mord, wie gezielte Umweltzerstörung, Hungertod von Millionen Menschen. Es ging aber vielen um mehr. Eindeutig wurde der Kapitalismus als Grundübel herausgestellt. Das macht den Herrschenden offenbar Angst, solche Angst, daß sie wild um sich schlagen und treten lassen. Auch die Massenmedien tun ihren Dienst: Tagelang werden ihre Lügen um die Welt gehen: Rostock wurde von linken Krawallmachern aus In- und Ausland in Schutt und Asche gelegt – über 430 verletzte Beamte …
  • · Nachrichten

    G8 nimmt Reißaus

    Während Blockadeaktivisten rund um Heiligendamm von der Polizei ausgehungert werden, haben sich die Staats- und Regierungschefs der G-8-Staaten am Abend außerhalb des zwölf Kilometer langen Sicherheitszaunes gewagt.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Ehegatte Joachim Sauer hatten die Gipfelgäste und ihre Partner auf das Gut Hohen Luckow 25 Kilometer von Heiligendamm entfernt geladen. Musik von Bach, Beethoven und Mendelssohn-Bartholdy sowie ein Dinner im ehemals volkseigenen Rittersaal wurden den Gästen geboten. Laut ddp war es rund um den 300-Seelen-Ort ruhig, »von Demonstranten keine Spur«.

    (jW)

  • · Nachrichten

    Angeblich drei Blockaden aufgelöst

    Bad Doberan - Die Polizei hat nach eigenen Angaben drei Blockaden rund um Heiligendamm aufgelöst.
    Die Beamten hätten nach 18.00 Uhr geräumt, weil die Straßen befahren werden müßten, um die Einsatzkräfte zu bewegen, sagte Polizeisprecher Reinhard Höing bei Bad Doberan auf Anfrage der Nachrichtenagentur ddp. Nur dann könnten sie ihrem Schutzauftrag für den G8-Gipfel nachkommen. Die Polizei verfolge jedoch trotzdem eine Deeskalationsstrategie und habe deswegen die Blockaden so lange geduldet.
    Nach Angaben Höings ist es aufgrund der Länge des Sicherheitszaunes gar nicht möglich, das Gelände komplett abzusperren und vor Demonstranten zu schützen. Am Mittwoch beteiligten sich nach Polizeiangaben zwischen 6000 und 8000 Menschen an den Protesten.

    (ddp/jW)

  • · Nachrichten

    Mit Zwischenraum, hindurchzuschaun

    Bild 1

    Bad Doberan. Die Lage am G-8-Sicherheitszaun hat sich am Abend wieder zugespitzt.
    Hunderte Demonstranten stürmten auf den Sicherheitszaun zu und rissen auf rund 200 Metern Maschendraht ab.
    Es ertönten Rufe: «Der Zaun muss weg». Insgesamt befanden sich bis zu 7.000 Teilnehmer bei einer Sitzblockade nahe des östlichen Kontrollpunkts im Sicherheitszaun. Die Polizei behauptet, mehrere Demonstranten hätten sich mit Molotow-Cocktails bewaffnet und Steine in die Hand genommen.
    (AP/jW)

  • · Pressespiegel

    Presseschau: Hut ab vor den Gipfelstürmern

    Die Rostocker »Ostsee-Zeitung« zollt den Gipfelgegnern in ihrer Donnerstagausgabe Respekt: »Profunde Ortskenntnisse führen eine über Monate trainierte Polizeitaktik ad absurdum.
    Statt überlegt zu agieren, sind die Sicherheitskräfte gezwungen, überhastet zu reagieren. Die Polizeistrategen haben auf Abschreckung, Verbote und Bannmeilen gesetzt und dabei Kreativität und Flexibilität der Gipfelgegner unterschätzt. Daß es den G-8-Kritikern zunehmend gelingt, mit der Polizei Katz und Maus zu spielen, ist erstaunlich. Und kann auch Angst machen.«

    Bush soll sich zu Demonstranten trauen

    Die »Freie Presse Chemnitz« merkt zu den Protesten an: »Von den gestrigen Demonstrationen der Gipfelgegner, von denen sich die Polizeikräfte erstaunlicherweise wieder einmal überrascht zeigten, hat US-Präsident George W. Bush beispielsweise sicherlich kaum etwas mitbekommen. Vielleicht haben ihn ja spät am Abend einige Bilder aus dem Fernsehen erreicht. Warum eigentlich kommt niemand auf die Idee, sich dem Protest einmal zu nähern und sich ihm direkt zu stellen, statt sich abzuschotten? Mappen, Akten und andere wichtige Utensilien tragende Ministerialbeamte, die ihre Chefs sonst ja auch mit Berichten aller Art versorgen, gibt es doch in jeder Delegation zur Genüge. Vom Volk in höchste Regierungsämter gewählt zu werden, ist eine Seite der Demokratie. Mit deren (gewaltfreien) Protesten umzugehen, eine andere.»

    Gefährliches Katz-und-Maus-Spiel

    Bayreuths »Nordbayerischer Kurier« lehrt: »Die Demonstranten, die in Heiligendamm der   Staatsgewalt trotzen wollen, lassen sich auf ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei ein. Mit Blockaden und einem Vordringen in Verbotszonen feiern sie ihre kleinen Triumphe, aber was außer Polizeihundertschaften bewegen sie damit? Selbst die ehrenwertesten Motive unterstellt: Sie wandeln auf einem schmalen Grat zwischen Recht und Unrecht. Ein Funke kann in aufgeheizter Lage zur Eskalation genügen. Demonstranten ebenso wie Polizeibeamten wird hohe Disziplin und Besonnenheit abverlangt. Steinwürfe, Schlagstock, und Wasserwerfer gehören in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht zur Diskussionskultur.«

    ATTAC kindisch, Linkspartei frivol

    Die »Rheinische Post« dagegen ereifert sich: »Was sich manche Gegner des G8-Treffens leisten, ist dreist. Sprecher des globalisierungskritischen Netzwerkes ATTAC, das sich zur Hüterin einer höheren Moral, als eine Art Greenpeace zu Lande, aufspielt, feiern die ihnen gelungenen Straßenblockaden wie Kindsköpfe, denen ein Streich gelungen ist. Straßenblockaden mögen nicht generell den Straftatbestand der Nötigung erfüllen; Rechtsbrüche, Ordnungswidrigkeiten sind sie allemal. Politisch frivol äußerten sich gestern Repräsentanten der Linkspartei, indem sie der Polizei vorhielten, bei den Zahlenangaben zu ihren im Einsatz gegen Steinewerfer verletzten Beamten getäuscht zu haben. Daß die Knochenbrüche an Fingern und Handgelenken in der Regel ambulant und nicht stationär versorgt wurden, heißt doch nicht, daß die Polizei »maßlos übertrieben« hat.«

    (jW)

  • · Nachrichten

    Blockade mit Wasserwerfern aufgelöst

    Bild 1

    Heiligendamm. Eine der drei Blockaden von G8-Gegnern um Heiligendamm ist von der Polizei gewaltsam aufgelöst worden.
    Westlich des Ostseebades in der Ortschaft Hinter Bollhagen wurden am Mittwochabend rund 2500 Demonstranten mit Wasserwerfern von der Straße abgedrängt. Zeugen berichteten auch von TDie Passierstelle am Zaun ist wieder zugänglich. Die Straße wird von einem Großaufgebot der Polizei gesichert. Die meisten Demonstranten haben sich in ein nahegelegenes Camp zurückgezogen. Augenzeugen berichteten jW von einem regen Verkehrsaufkommen auf der freigeräumten Straße.
    (ddp/jW)

  • · Nachrichten

    Anti-G8-Camp in Rostock kurzzeitig von Polizei umstellt

    Nach Informationen von Campteilnehmern sowie der Campinski-Pressegruppe war das Zeltlager der G8-Gipfelgegner in Rostock von rund 100 Polizeifahrzeugen umstellt.
    Uniformierte seien bereits in das wegen der laufenden Blockadeaktionen spärlich besetzte Camp eingedrungen, hätten sich inzwischen jedoch wieder zurückgezogen. Was die Polizei genau von den Campteilnehmern wollte, blieb vorläufig unklar.

    (jW)

  • · Nachrichten

    Blockierer sollen hungern

    Die Polizei will die Versorgung der Aktivisten an den Blockadepunkten unterbinden. Wasser und Essen werde nicht mehr durchgelassen, so die Polizei.

    Auch die beim Katastrophenschutz von einem anwesenden Arzt angeforderte Versorgung mit Decken wegen der Gefahr von Unterkühlung werde nicht zugelassen. An der Blockade in Rethwisch, wo das Anti-Konfliktteam der Berliner Polizei eingesetzt ist, sagte ein Beamter, der sich Journalisten vor Ort mit dem Namen Wunderlich vorstellte: »Straftätern kann man nicht auch noch Wasser und Essen zukommen lassen. Das paßt nicht in mein Demokratieverständnis.«

    (jW)

  • · Nachrichten

    Polizei macht Stimmung

    Die Polizeisondereinheit »Kavala« verbreitet die Eilmeldung, daß an der Kontrollstelle »Galopprennbahn« am Zaun bei Heiligendamm Teilnehmer der Blockade »die Kleidung wechseln, sich vermummen und Schutzkleidung anlegen, sich mit Molotow-Cocktails bewaffnen und Steine aufnehmen«.
    Blockade-Aktivisten äußerten sich gegenüber jW besorgt. Die Polizei verbreite nun offensichltlich Falschmeldungen, um eine spätere gewaltsame Räumung der bislang friedlichen Menschensperre öffentlichkeitswirksam vorzubereiten. »Hier vermummt und bewaffnet sich niemand. Wir blockieren friedlich«, versicherte eine Teilnehmer bei »Block G 8« gegenüber jW.

    (jW)

  • · Nachrichten

    Kurzer Prozeß in Rostock

    In sieben Schnellverfahren gegen Globalisierungsgegner im Alter zwischen 20 und 31 Jahren verurteilte das Amtsgericht Rostock heute unter anderem zwei Spanier, einen Polen und drei junge Deutsche zu Haftstrafen zwischen sechs Monaten mit Bewährung und zehn Monaten ohne Bewährung.

    Den Angeklagten war schwerer Landfriedensbruch in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung oder versuchter gefährlicher Körperverletzung vorgeworfen worden. Ihre Anwälte kündigten Berufungen gegen die Verurteilungen an.Wie der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) berichtet, hatten sich die Angeklagten auf die Schnellverfahren nur eingelassen, weil sie in der JVA Waldeck und in der Frauen-JVA Bützow unter entwürdigenden Haftbedingungen festgehalten wurden und ihnen im Anschluß an die Schnellverfahren eine Haftentlassung zugesichert worden war.

    Inhaftierte mißhandelt

    Zudem waren mehrere der Angeklagten bei ihrer Festnahme am 2. Juni in Rostock durch Polizeibeamte so schwer mißhandelt worden, daß sie mit sichtbaren Hämatomen im Gesicht und am ganzen Körper im Gericht vorgeführt wurden. Eine schmächtige 21jährige aus Deutschland war bei ihrer Verhaftung so massiv und mehrfach ins Gesicht geschlagen worden, daß sich angesichts ihrer Hämatome im Gesicht auch der Richter zu Nachfragen veranlaßt sah.
    In der JVA Waldeck wurden den Angeklagten teilweise richterlich genehmigte Telefonate nicht erlaubt und Hofgänge verweigert mit der Begründung, es könne nicht für ihre Sicherheit garantiert werden, da in der JVA viele Neonazis inhaftiert seien. Darüber hinaus wurden einige Angeklagte von den Wachmännern beschimpft und bedroht.

    Da die Umstände ein rechtsstaatliches Verfahren und eine ordnungsgemäße Verteidigung nicht ermöglichten, beschränkten sich Verteidiger darauf, die Vorgehensweise von Staatsanwaltschaft und Gericht zu kritisieren und Erklärungen abzugeben.

    Im Verfahren gegen einen 20jährigen Philosophiestudenten aus Deutschland beispielsweise stützte sich die Verurteilung auf eine lückenhafte schriftliche Aussage eines Polizeibeamten. Darin wurde behauptet, der Angeklagte habe am 2. Juni vier oder fünf Flaschen oder Steine in eine unbekannte Richtung geworfen. Weder wurde klar, ob es sich um Glas- oder Plastikflaschen, noch wie viele es gewesen sein sollen, weder ob es sich um Kieselsteine noch ob es sich um Pflastersteine gehandelt haben soll. Präzisere Angaben wurden nicht gemacht, dennoch wurde der nicht vorbestrafte 20jährige, der die Tat bestritten hat, zu neun Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt.
    Auch in anderen Verfahren mangelte es an präzisen Tatvorwürfen und Zuschreibungen; immer wieder blieb in den polizeilichen Aussagen unklar, wo, wann und aus welcher Entfernung und in welche Richtung geworfen worden sein soll. Ein Großteil der Angeklagten bestritt die Tatvorwürfe.

    Verteidiger beschimpft

    Die Atmosphäre der Verfahren war geprägt von beleidigenden Äußerungen des Staatsanwalts gegen Angeklagte und Verteidiger. So bezeichnete der Staatsanwalt die Angeklagten als »Chaoten« und Mitglieder des »schwarzen Blocks«, obwohl keinem der Angeklagten vorgeworfen worden war, vermummt gewesen oder aus dem Schwarzen Block heraus agiert zu haben. Einen Angeklagten beleidigte der Staatsanwalt als »Durchgeknallten«. Zwei Rechtsanwälten unterstellte er, er bezweifle, daß sie Jura studiert hätten.

    Der zuständige Einzelrichter hatte zudem von vornherein klar gemacht, daß er keine Einzelfälle betrachten wolle und daß es nicht vorstellbar sei, daß Polizisten lügen würden. »Zur Verteidigung der Rechtsordnung« könne er auch keine Bewährungsstrafen verhängen.
    »Bei den Schnellverfahren pünktlich zum Ankunft der Delegationen handelt es sich in erster Linie um ein Instrument der Abschreckung«, sagte Rechtsanwältin Christina Klemm, »die mit einem fairen Verfahren nichts zu tun haben. Hier agieren Justiz und Polizei Seite an Seite.«
    (jW)