Minderheiten niedergemacht
Von Wiebke Diehl
Erneut haben Einsatzkräfte der demokratisch nicht legitimierten Regierung in Syrien Proteste von Minderheiten mit brutaler Gewalt beantwortet. So wurden am Sonntag nach Angaben der in Großbritannien ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in den alawitisch geprägten Küstenstädten Latakia und Tartus drei Menschen getötet. Auch in der Stadt Homs wurden nach Angaben lokaler Quellen gegenüber dem libanesischen Nachrichtensender Al-Majadin zahlreiche Zivilisten verletzt. Die Angriffe der »Sicherheitskräfte« auf friedliche Demonstranten sollen mit Schuss- und Blankwaffen, darunter Macheten, erfolgt sein. Zudem seien Menschen geschlagen worden – mit dem Ziel, ihr Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu beschneiden. Journalisten seien gehindert worden, die Ereignisse zu filmen.
Demonstrationen gab es in Latakia, Tartus, Banias, Dschabla, Homs und im Gouvernement Hama. Überall wurde den Teilnehmern mit Gewalt begegnet. Die Proteste fanden als Sitzstreiks sowie Märsche statt. Zeitweise verhafteten Einsatzkräfte auch den Vorsitzenden des Alawitischen Islamischen Rates im Gouvernement Tartus, Scheich Ali Halhal. Bis zunächst Montag um sieben Uhr galt zudem eine Ausgangssperre. Die Proteste der Alawiten richteten sich gegen die anhaltenden Übergriffe staatlicher Behörden gegen Minderheiten. Wie bereits bei Protesten am 25. November wurden die unverzügliche Freilassung aller willkürlich Inhaftierten sowie die Errichtung eines föderalen Systems gefordert. Aufgerufen hatte der Vorsitzende des Obersten Islamischen Rates der alawitischen Gemeinschaft, Scheich Ghasal Ghasal, in Reaktion auf einen am Freitag erfolgten Anschlag auf eine alawitische Moschee in Homs. Mindestens zwölf Menschen waren bei der während des Freitagsgebets ausgelösten Explosion in der Imam-Ali-ibn-Abi-Talib-Moschee getötet und etwa 30 weitere schwer verletzt worden.
Der Oberste Alawitische Rat machte in einer Erklärung die Behörden für den Anschlag verantwortlich. Die Gewalt sei das Ergebnis einer »Politik des Ausschlusses, der Anstiftung und des Zwangs«. Diese »kriminellen Handlungen« würden »nicht auf unbestimmte Zeit mit Schweigen beantwortet«. Seit der Machtübernahme des Al-Qaida-Ablegers Haiat Tahrir Al-Scham (HTS) unter dem jetzigen Übergangspräsidenten Ahmed Al-Scharaa, früher bekannt unter dem Pseudonym Abu Mohammed Al-Dscholani, Ende vergangenen Jahres werden Alawiten täglich Opfer von Entführungen, Demütigungen, Zwangsverheiratungen, Vergewaltigungen, Folter und Tötungen. Im März wurden in einem von extremistischen Gruppen verübten Massaker Tausende Alawiten getötet. Gesteuert wurden die Täter aus Ministerien heraus, wie unter anderem Reuters belegt hat. Im April und Juli traf es die drusische Minderheit.
Auch Christen werden zum Ziel von Angriffen und fühlen sich zunehmend unsicher, viele verlassen das Land. Im Juni starben bei der Explosion einer Bombe in der griechisch-orthodoxen Mar-Elias-Kirche im Altstadtviertel Bab Tuma in Damaskus 25 Menschen, etwa 60 wurden verletzt. Im Oktober berichteten Zeugen nach der Erschießung von drei Christen, die Täter hätten Uniformen der »Sicherheitskräfte« getragen. Derweil meldeten am Donnerstag israelische Medien unter Berufung auf eine dem selbsternannten syrischen Präsidenten nahestehende Quelle, Israel und Syrien hätten »bedeutende Fortschritte« bei der Aushandlung eines Sicherheitsabkommens erzielt, das »bald« unterzeichnet werden könne. Die Übereinkunft solle auf einem hochrangigen syrisch-israelischen Gipfel in einem europäischen Land unterzeichnet werden – möglicherweise von Scharaa und dem israelischen Premierminister Netanjahu selbst. Die HTS-Milizen schauen der israelischen Besatzung in Syrien tatenlos zu und wurden in der Vergangenheit während des Syrien-Kriegs heimlich von Israel unterstützt. Israelischen Medienberichten zufolge ist auch Russland hinter den Kulissen und mit Zustimmung der USA an der Vermittlung eines Abkommens zwischen Tel Aviv und Damaskus beteiligt.
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