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Aus: Ausgabe vom 29.12.2025, Seite 2 / Inland
Banken kündigen Konten

Und wenn der Kampf vor Gericht scheitert?

Nachdem zwei Banken der Roten Hilfe alle Konten gekündigt haben, braucht es Solidarität, sagt Hartmut Brückner
Interview: Hendrik Pachinger
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Wurde der Roten Hilfe ihre Solidarität mit politischen Gefangenen zum Verhängnis? Solidaritätsdemonstration für verhaftete Demonstranten (Berlin, 16.7.2016)

Die Meldung, so kurz vor Weihnachten, schlug ein wie eine Bombe: Der größten linken Solidaritätsorganisation werden alle Konten gekündigt, ihre Arbeit damit dramatisch erschwert. Was ist passiert?

Innerhalb einer Woche kündigten uns gleich zwei Banken die Zusammenarbeit. Zunächst kündigte die Sparkasse Göttingen sämtliche Konten des Vereins, kurz darauf folgte die GLS-Gemeinschaftsbank mit dem gleichen Schritt. Eine Begründung erhielten wir nicht. Die Konten unterhalten wir bereits seit vielen Jahren. Die Sparkasse Göttingen ignoriert dabei ihren öffentlichen Versorgungsauftrag und die GLS ihre Verantwortung gegenüber einem Genossenschaftsmitglied. Zwei Banken, die sich gesellschaftlich verantwortlich geben, entziehen damit einer legalen linken Organisation ihre Infrastruktur. Kurz vor der Kündigung wurden wir von der GLS-Bank telefonisch zu den Hintergründen unserer Spendensammlung für das sogenannte Antifa-Ost-Verfahren befragt. Der Vorgang ist eindeutig kein Verwaltungsakt, sondern eine politische Entscheidung.

Das ist nicht der erste Vorfall dieser Art.

Richtig. In den vergangenen Wochen wurde öffentlich, dass auch der DKP die Konten bei der GLS-Bank gekündigt wurden. Ebenso betroffen sind das Anarchist Black Cross sowie Gruppen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung. Uns erreichen Hinweise, dass es noch weitere Fälle gibt, bei denen politische Gruppen unter Druck geraten oder eingeschränkt wurden. Der Austausch unter den betroffenen Organisationen läuft bereits – auch mit Blick auf gemeinsame Schritte. Denn was hier geschieht, ist kein Einzelfall mehr, sondern Ausdruck eines alarmierenden autoritären Klimas, das zunehmend über finanzielle Mittel wirkt.

Sie vermuten, dass dies mit der Politik des US-amerikanischen Präsidenten zu tun hat. Können Sie das genauer erklären?

Die zeitliche Nähe zur Entscheidung der US-Regierung, eine »Antifa Ost« als ausländische Terrororganisation zu listen, ist auffällig. Diese Maßnahme basiert auf einem deutschen Strafverfahren mit äußerst fragwürdiger Beweislage. Diese Definition wurde von der Bundesregierung nicht übernommen – im Gegenteil: Offizielle Stellen haben mehrfach betont, dass keine erhebliche Gefährdung mehr von Personen oder Gruppen ausgeht, die unter diesem Begriff kurzerhand zusammengefasst wurden.

Trotzdem entfaltet die US-Terrorlistung reale Wirkung. Banken, die mit betroffenen Organisationen in Verbindung stehen, drohen Sanktionen bis hin zum Ausschluss aus dem globalen Zahlungsnetz SWIFT. In der Praxis genügt schon der bloße Eindruck eines Risikos, um Konten zu kündigen. Was wie »Compliance« aussieht, ist also hochpolitisch – und führt dazu, dass äußerst fragwürdige US-Definitionen von Terrorismus in Europa exekutiert werden.

Wie geht es jetzt weiter?

Wir machen das öffentlich – und wir machen weiter. Wir klären auf, mobilisieren und rufen dazu auf, Mitglied zu werden. Gleichzeitig prüfen wir alle rechtlichen Optionen gegen die Kündigungen. Eine Organisation wie unsere, die seit über 100 Jahren politisch Verfolgte unterstützt, lässt sich nicht so einfach auslöschen – auch nicht mit Kontosperrungen.

Und wenn der Kampf vor Gericht scheitern sollte?

Dann bleibt ein gefährlicher Präzedenzfall bestehen. Einer, der zeigt: Es braucht kein Verbot, keine Anklage, keinen rechtsstaatlichen Prozess mehr – es reicht eine politische Deutung, insbesondere aus Washington, und schon werden zivilgesellschaftliche Strukturen wie »Hate Aid« oder linke Strukturen wie die Rote Hilfe in ihrer Arbeit und ihrer Integrität angegriffen. Dazu kommt dann der Versuch, sie wirtschaftlich auszutrocknen. Das bedroht nicht nur uns, sondern die gesamte demokratische Zivilgesellschaft. Deshalb ist der Widerstand gegen diese Entwicklung nicht nur legitim, sondern notwendig.

Wie waren bisher die Reaktionen aus der Zivilgesellschaft, den Medien und von den Parteien?

Die ersten Rückmeldungen sind solidarisch und wachsam. Viele Menschen entscheiden sich gerade jetzt, Mitglied der Roten Hilfe zu werden, und wollen uns unterstützen. Gleichzeitig sehen wir noch viel Zurückhaltung im öffentlichen Diskurs. Wir hoffen, dass sich mehr Menschen bewusst machen, was hier passiert – und sich auf die Seite derer stellen, die von staatlicher und wirtschaftlicher Repression betroffen sind. Denn: Wer heute schweigt, steht morgen womöglich selbst ohne Konto da.

Hartmut Brückner ist Sprecher der Roten Hilfe e. V.

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