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Aus: Ausgabe vom 29.12.2025, Seite 4 / Inland
Rufe nach Sozialraubzug

Bosse voller Ungeduld

Kapitalverbände und »Arbeitnehmerflügel« der CDU wünschen baldige Resultate beim Abbau des Sozialstaats. IG Metall ruft Industrie zum Unterhaken auf
Von Marc Bebenroth
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Koch und Kellner? Rainer Dulger neben Friedrich Merz (r.) bei einer Wirtschaftskonferenz (23.1.2024)

Für die Rettung des Geschäftsmodells gilt der herrschenden Klasse der nächste Sozialraubzug als alternativlos. Auch der »Good Cop« innerhalb der CDU, die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA), fordert für das neue Jahr Resultate. Noch vor der parlamentarischen Sommerpause müssten »erste Ergebnisse« konkret zu fassen sein, sagte der CDA-Vorsitzende Dennis Radtke am Sonntag gegenüber AFP. Dabei sei es »ratsam, Dinge zu versprechen, die man am Ende auch liefern kann«. Vollzug wird die Koalition aber vermutlich erst nach den Landtagswahlen im März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz melden wollen. In beiden Ländern sitzt die AfD der CDU, den Grünen und der SPD im Nacken.

Das muss einen wie Christoph Ahlhaus nicht beunruhigen. »Placeboaktionismus und Herumreformieren reicht nicht mehr, um Deutschland wieder in Schwung zu bringen«, sagte der Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) laut dpa am Sonnabend in Berlin. Von der Bundesregierung verlangte er »Strukturreformen« und »konkrete Entlastungen«. Zur Steigerung der Profite müsse kräftig dereguliert und subventioniert werden, gab Ahlhaus zu verstehen. Die BRD brauche »einen großen Wurf – sonst droht eine Dauerkrise«, warnte selbentags Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), im Gespräch mit dpa. Dazu müssten »wir unbürokratischer und schneller werden« sowie »unseren Sozialstaat neu aufstellen«. Ein »Bürokratierückbau« würde Unternehmen und Privathaushalten mehr »Freiheit« zur »Entfaltung« ermöglichen. Dies alles würde »Deutschland so viel attraktiver für Investoren aus dem Inland und dem Ausland machen«, sagte der BDA-Präsident.

Um der Unzufriedenheit der Kapitalisten entgegenzukommen, hatte zuvor Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) angeregt, den Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD anzupassen. Dem erteilte der Parlamentsgeschäftsführer der Sozialdemokraten, Dirk Wiese, gegenüber der Rheinischen Post vom Sonnabend eine vorläufige Absage. »Der aktuelle Koalitionsvertrag hat noch viele wichtige und entscheidende Vereinbarungen für die Zukunft des Landes, welche wir gemeinsam umsetzen wollen«, sagte er dem Blatt. Angesichts der zu erwartenden Ergebnisse der von der Regierung eingesetzten Kommissionen »zur Zukunft der sozialen Sicherungssysteme« gebe es »genug zu tun, so dass wir die Ärmel drei- bis viermal hochkrempeln werden«.

Für den Umgang mit der Parteibasis dürfte das nicht nötig sein. Gegenüber Bild am Sonntag sagte ein Parteisprecher, dass das Mitgliederbegehren gegen die Drakonisierung des »Bürgergelds« offiziell am 23. Dezember gestartet sei und drei Monate später erst ende. Die Reform will die Koalition nach Informationen aus Regierungskreisen am 5. oder 6. März durch den Bundestag peitschen, wie AFP am Sonntag berichtete. »Es besteht für die Fraktion keine Pflicht«, das Begehren zu berücksichtigen, sagte die Thüringer Juso-Chefin Sophie Ringhand dem Springer-Blatt. Der Ablauf sei »unglücklich, aber nicht zu ändern«.

Als oberste Komanagerin appellierte Christiane Benner an die Bosse. US-Zollkrieg, Chinas enorme Produktivkraftentwicklung und steigende Energiekosten seien »extreme Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft«. »Das Exportmodell ist in Gefahr«, warnte die Erste Vorsitzende der IG Metall am Sonntag in Frankfurt am Main. Die Automobilindustrie könne auf »Flexibilisierung bei den Antrieben«, Verarbeitung von »grünem Stahl« und erneuerbare Kraftstoffe setzen. Das würde den Zuliefererbetrieben Zeit verschaffen – auch um »die Menschen zu qualifizieren und den Umbau sozialer zu gestalten«. »Bis 2035 nur Profit machen und dann gehen hier die Lichter aus – das wird mit der IG Metall nicht passieren. Dann werden wir Konflikte und Widerstand weiter verschärfen«, kündigte Benner an. »Allen Sozialabbau, alle Kommentare über zu faule oder zu kranke Beschäftigte, nehmen die Menschen gegen sich selbst wahr.«

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