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Aus: Ausgabe vom 29.12.2025, Seite 3 / Inland
Fechenheimer Wald

Wird das Kapital gegen den Umweltschutz gewinnen?

Frankfurt am Main: Ermittlungen wegen gefällter Eichen. Autobahnbau soll nicht verhindert werden, meint Willi Loose
Interview: Gitta Düperthal
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Erlebt die Rettung seines Habitats nicht mehr: Toter Heldbockkäfer bei einem Presserundgang im Biegwald (Frankfurt am Main, 14.10.2022)

Im Frühjahr 2025 wurden im Fechenheimer Wald in Frankfurt am Main erneut Brutbäume des streng geschützten Heldbockkäfers gefällt. Diese galten als Ausweichquartiere für 2023 gefällte Bäume, um so den Autobahnausbau der A 66 zu ermöglichen. Weil das möglicherweise widerrechtlich geschah, ermittelt nun die Frankfurter Staatsanwaltschaft. Wie wurde das bekannt?

Wir haben im Winter 2025 gefällte Eichen im städtischen Forst am Rande der A-66-Trasse gefunden, die als Ausweichquartiere für den Heldbockkäfer und die Bechsteinfledermaus aus den Bäumen auf der Autobahntrasse gelten konnten. Beide Arten haben nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie höchsten Schutzstatus. Deshalb hatten wir einen Umweltschaden bei der oberen und unteren Naturschutzbehörde angezeigt. Letztere hat das aufgegriffen und ein Gutachten dazu erstellen lassen. Mit dem Autobahnbau hängt dies also nicht unmittelbar, wohl aber mittelbar zusammen.

In Presseberichten heißt es, das Umweltamt habe Anzeige »gegen Unbekannt« gestellt – warum?

Ich habe keine Ahnung, weshalb es »Unbekannt« heißt, das muss die Staatsanwaltschaft klären. Verursacher des Problems und Auftraggeber der Fällung ist wahrscheinlich die Fachabteilung »Stadtforst«, die wie die untere Naturschutzbehörde zum Frankfurter Umweltdezernat gehört. Uns geht es nicht darum, dass eine Person wegen der Strafanzeige Bußgeld zahlen muss. Mit der Praxis, dass der Schutzstatus des Waldes ständig weiter aufgeweicht wird, muss aber Schluss sein: Es darf nicht sein, dass zusätzlich zu den Bäumen auf der Autobahntrasse weitere Bäume gefällt werden, weil sie angeblich eine Gefahr für die Verkehrssicherheit darstellen.

Im Fechenheimer Wald versetzten im Januar 2023 bewaffnete Polizisten gegen den Autobahnausbau demonstrierende Umweltaktivistinnen und -aktivisten in Schrecken, um wenige verbliebene Baumbesetzer zu räumen. War damals bekannt, dass künftig weitere Bäume gefällt werden würden?

Wir hatten schon damals, vor der angedrohten Räumung, vor dem hessischen Verwaltungsgerichtshof, VGH, ein Verfahren gegen die Rodung der Bäume auf der A-66-Trasse angestrengt, weil wir die Population des Heldbockkäfers gefährdet sahen. Der VGH folgte unserer Argumentation nicht, sondern der Autobahn-GmbH, die für den Ausbau der Trasse eine artenschutzrechtliche Ausnahme geltend machen wollte, weil der Autobahnbau im »außergewöhnlichen öffentlichen Interesse« liege und deshalb Vorrang vor dem Naturschutz habe.

Damals war der Heldbockkäfer als möglicher rettender Held gegen den Ausbau angesehen worden. Wie stehen die Chancen heute?

Die Autobahn-GmbH hat Anfang 2025 den Antrag auf eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung gestellt, die vom hessischen Wirtschaftsministerium als Anhörungsbehörde jetzt genehmigt wurde. Wir prüfen noch, ob wir dagegen gerichtlich vorgehen können. Das Gutachten der Unteren Naturschutzbehörde könnte dafür Argumente liefern. Die Klagefrist läuft am 2. Januar aus.

Ursprünglich sollte der Ausbau der A 66 rund 170 Millionen Euro kosten. Heute wird er als vor 50 Jahren geplantes Dinosaurierprojekt kritisiert, als aus der Zeit gefallen und überteuert.

Mittlerweile ist von 1,5 Milliarden Kosten die Rede. Das Geld könnte man wahrlich sinnvoller verwenden als zur Zerstörung der Umwelt.

Werden also Autolobbyisten und Kapitalvertreter gegen den Umweltschutz obsiegen?

So würde ich es nicht sagen. Aber: Der Bundestag hat ein Beschleunigungsgesetz für den Straßen- und Autobahnbau auf den Weg gebracht. Er setzt darauf, der Stimmung von Autofahrern, Bauwirtschaft und so weiter nachzukommen. »Spinner« wie Naturschützer sollen Ausbaupläne künftig nicht mehr verhindern können.

Wer ist für dieses Desaster aus Ihrer Sicht politisch verantwortlich?

Quer durch das Spektrum der Parteien auf allen politischen Ebenen gilt: Nur in der Opposition bringen sie mitunter alternative Konzepte ein. Sobald sie regieren, ist das vorbei. Umweltinitiativen werden weiter dafür kämpfen, dass langfristig Ziele wie Klima- und Artenschutz nicht gefährdet werden.

Willi Loose ist Teil des »Aktionsbündnisses unmenschliche Autobahn« (AUA)

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