Rotlicht: Gold
Von Lucas Zeise
Der Goldpreis hat in diesem Jahr einen Rekord nach dem anderen gebrochen. Im Frühjahr wurden erstmals mehr als 3.000 US-Dollar für eine Feinunze (31,1 Gramm) bezahlt. Im Herbst waren es bereits mehr als 4.000 US-Dollar. Sonderbarerweise sind sich die meist von den Banken bezahlten Marktbeobachter einig, worauf der rasante Preisanstieg zurückzuführen ist. Die Notenbanken der Welt haben »seit etwa vier Jahren ganz außergewöhnlich viel Gold gekauft«, stellen sie fest. Sie berufen sich dabei auf die Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) und des World Gold Council (WGC), der internationalen Lobby- und Marketingorganisation der Goldproduzenten. Der WGC produziert nicht nur fesche Sprüche, sondern auch ziemlich umfassende Statistiken über den Goldmarkt. Laut dieser Statistik haben alle erfassten Zentralbanken der Welt in den Jahren 2022 bis 2024 jeweils etwas über 1.000 Tonnen Gold zugekauft und damit erheblich mehr als in den Jahren zuvor, als die Summe der Zukäufe jährlich zwischen 200 und 600 Tonnen lag.
Der WGC stellt rückblickend außerdem fest, dass die Zentralbanken bis zur Weltfinanzkrise 2007/09 netto Gold verkauft hatten. Richtig ist jedenfalls, dass nach dem Ende des Bretton-Woods-Systems 1971, als der US-amerikanische Präsident Richard Nixon die Bindung des US-Dollars an das Gold kappte und Gold damit formal seine Funktion als Weltgeld einbüßte, die Zentralbanken, wie der WGC schreibt, zunächst einige Jahrzehnte lang ihre Goldreserven abgebaut hatten. Danach seien sie auf die Käuferseite gewechselt, weil die Finanzkrise gezeigt habe, wie schnell der Glaube an die Stabilität des Finanzsystems erschüttert werden könne. Man kann dazu anmerken, dass wohl nicht nur der Glaube, sondern das Finanzsystem selbst erschüttert wurde.
Die Zentralbanken halten Gold als Wertaufbewahrungsmittel. Sie sind in dieser Hinsicht Schatzbildner. Aber Gold muss kostspielig gelagert und streng bewacht werden und bringt keine Zinsen. Es ist außerdem mühsam, es in andere Geldformen umzutauschen, also – wie die Händler sagen – wenig liquide. Es ist als Zahlungsmittel nicht geeignet. Es ist nicht einmal wertstabil. Sein Preis schwankt, gemessen in US-Dollar, Euro, Yen oder Schweizer Franken. Nur in Notzeiten, wenn der kapitalistische Weltmarkt nicht ordentlich funktioniert, ist es wirklich von Nutzen. Es ist das Krisengeld schlechthin. Die Preisentwicklung des Goldes spiegelt das wider. Nach einem rasanten Anstieg seit 1971, als die Goldbindung zum US-Dollar (eine Unze gleich 35 US-Dollar) aufgelöst worden war, bröckelte in den 1980er und 1990er Jahren der Preis wieder und begann erst um die Jahrtausendwende wieder zu klettern. Während der Finanzkrise stieg er 2008 zum ersten Mal über die 1.000-US-Dollar-Marke, überwand 2022 die Schwelle von 2.000 US-Dollar, um schließlich weiter bis auf 4.000 US-Dollar zu steigen.
Der Grund für die gestiegenen Goldkäufe der Zentralbanken liegt übrigens auf der Hand: Am letzten Februarwochenende 2022 sperrten die Zentralbanken des Westens die Guthaben, die die russische Zentralbank als Devisenreserven in US-Dollar und Euro bei ihnen hatte. Es handelt sich dabei um etwa 300 Milliarden US-Dollar, je zur Hälfte in Euro und in US-Dollar. Juristisch war das eine Kriegserklärung. Technisch aber einfach: Das Geld befand sich lediglich in Form von juristischen Eigentumstiteln in den Händen der russischen Zentralbank, kein einziger Dollar- oder Euro-Schein befand sich physisch in Moskau. Anders die Goldreserven. Sie lagerten und lagern für die westlichen Staaten unangreifbar in Russland selbst. Nur eine militärische Operation hätte einen derartigen Raubüberfall auf die Goldreserven möglich gemacht. Wenn die regelbasierte Finanzordnung von ihren Hauptprofiteuren nicht mehr respektiert wird, kommt das Gold, das »barbarische Relikt« (J. M. Keynes), als Weltgeld wieder zur Geltung.
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