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Aus: Ausgabe vom 19.12.2025, Seite 5 / Inland
DDR-Architektur droht Abriss

SEZ-Retter ziehen vor Gericht

Mittels Klage von Verbänden soll DDR-Freizeitzentrum in Berlin unter Denkmalschutz gestellt werden. Senator droht mit Abrissbirne
Von Michael Merz
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DDR-Architektur im Dornröschenschlaf: Der Komplex des Sport- und Erholungszentrums in Berlin-Friedrichshain

Das imposante Gebäude des Sport- und Erholungszentrums (SEZ) in Berlin-Friedrichshain ist derzeit wieder in seinen Dornröschenschlaf gefallen. Noch vor einem Monat wurde der brutal gestört. Da rückten die Bagger an, Presslufthämmer polterten, Staubwolken stiegen auf – der Beginn des Abrisses des von vielen innig geliebten Komplexes sollte vollzogen werden. Pikant: Eine behördliche Genehmigung liegt dafür bis heute nicht vor. Das Bezirksamt stoppte das Treiben vorläufig. Nun wollen die Naturfreunde Berlin und Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) dafür sorgen, dass die Zerstörungswut endgültig aufhört. Am Donnerstag kündigten die Organisationen an, im Januar Klage beim Verwaltungsgericht einzureichen. Ihr Ziel: Das SEZ soll als schutzwürdiges Baudenkmal deklariert werden.

Im Jahr 35 nach dem Ende der DDR ein logisches Unterfangen, steht es doch nach wie vor für künstlerisch fortschrittliche DDR-Architektur. Das Dilemma: »Es ist zum Abriss freigegeben, weil es ganz offensichtlich ein Denkmal, aber politisch nicht opportun ist«, erklärte Carl Waßmuth von GiB. Der bestehende SEZ-Komplex, zuletzt genutzt für Tanz und Yoga, hat gewichtige Feinde. Unter anderem Bausenator Christian Gaebler (SPD), der Tatsachen schaffen will und erst in dieser Woche im einstigen Frontstadtblatt Morgenpost jubilieren durfte: »Ich freue mich besonders über die gestiegene Zahl der Wohnungen, die dort gebaut werden können.« Für die, die an Erinnerungen hängen, sei immerhin ein »Historien-Parcours« in Planung – Fachwerkstützen der ehemaligen Schwimmhalle, einsam stehend auf einer Wiese. »Solange die SPD noch in Berlin mitregiert, darf sich der Senator als freier Radikaler betätigen – im Wahlkampf nächstes Jahr käme der Abriss des SEZ für die derzeit fünftplatzierte Partei gar nicht gut«, ist sich hingegen Waßmuth sicher. Insofern werde durch die Klage auch Zeit gewonnen, um das Freizeitzentrum in seiner Substanz zu bewahren. »Das SEZ muss wieder zu einem wichtigen Sportstützpunkt für den Breitensport entwickelt werden«, ergänzt Uwe Hiksch von den Naturfreunden.

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Den Denkmalschutz vor Gericht einklagen wollen Rechtsanwalt Benno Reinhardt, Carl Wasmuth (Gemeingut in BürgerInnenhand) und Uwe Hiksch (Naturfreunde Berlin)

Es ist nicht das erste Berliner DDR-Bauwerk, das durch Vernichtung vergessen gemacht werden soll – der Palast der Republik, das Restaurant »Ahornblatt« mit seiner legendären Dachkonstruktion an der Fischerinsel sind zwei Beispiele, und vor wenigen Monaten war die Abrissbirne am Jahn-Sportpark nicht mehr aufzuhalten. Schwimmbecken, Eisflächen, Sporthallen und jegliches Pipapo wurden beim Bau des SEZ in Ost-West-Kooperation Anfang der 80er Jahre vereint. Kaum ein DDR-Bürger, der sich hier nicht in die mit künstlichen Wellen aufgetürmten Fluten stürzte oder zumindest die werktäglich von hier ausgestrahlte Aerobic des Ostens, genannt »Medizin nach Noten«, im Live-TV verfolgten. Im Kapitalismus wurde der Betrieb des SEZ dann als zu teuer erklärt. Anfang der 2000er verscherbelte Finanzsenator Thilo Sarrazin den Komplex an einen Privatinvestor, seit 2024 ist er an das Land Berlin rückübertragen. Wenn auch nicht in seiner Gesamtheit wieder nutzbar, so hoffen doch Zehntausende Berliner mittels Unterschriftenaktionen und Demonstrationen seither auf ein Happyend für zumindest Teile des SEZ. »Es gibt eine beeindruckende Unterstützung für den Erhalt in der Bevölkerung«, sagt Carl Waßmuth. »Zum Runden Tisch haben wir alle Beteiligten eingeladen, der Senator ist übrigens nie gekommen.«

In einer Petition an den Landeskonservator Christoph Rauhut, das Areal wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen und städtebaulichen Bedeutung zu schützen, heißt es, dass »Denkmalschutz nicht nach Gutsherrenart gewährt oder verweigert werden« dürfe. Vor Gericht durchsetzen soll das nun Rechtsanwalt Benno Reinhardt. »Der Senat würgt ja jede Diskussion ab«, sagt er. Als Präzedenzfall dient dabei ein Urteil aus dem bayerischen Ansbach zur Rettung einer historischen Radrennbahn. Darin heißt es, dass Denkmalschutz Teil des Umweltschutzes sei, »auch der Schutz des kulturellen Erbes ist vom Umweltschutz erfasst«. Die Rennbahn jedenfalls konnte so vorm Abriss bewahrt werden.

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