Abhören und abschießen
Von Kristian Stemmler
Auf dem Höhepunkt des Hypes um angebliche Drohnenattacken beschloss die Bundesregierung Anfang Oktober eine Reform des Bundespolizeigesetzes. Die wurde folglich medial vor allem unter dem Stichwort »Drohnenabwehr« abgehandelt. Tatsächlich räumt der Gesetzentwurf aber der Bundespolizei noch in vielen anderen Bereichen neue weitreichende Befugnisse und Durchgriffsrechte ein – wie bei der ersten Lesung des Entwurfs am Donnerstag im Bundestag deutlich wurde. So darf sie künftig etwa an Bahnhöfen Personen anlasslos kontrollieren, Abschiebehaft selbst veranlassen und Telefone überwachen.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) bezeichnete die »Modernisierung« des Gesetzes als »dringend erforderlich«, da es größtenteils aus dem Jahr 1994 stamme. Damals habe es »noch keine Cyberattacken und Drohnengefahr« gegeben. Die Neuregelung statte die Bundespolizei mit den »notwendigen Mitteln und Befugnissen« aus. So schaffe etwa die Ausweitung der Videoüberwachung an Bahnhöfen »Vertrauen und Sicherheit für unsere Bevölkerung«, behauptete der Minister. Mit der sogenannten Quellen-TKÜ (Telekommunikationsüberwachung) begegne die Polizei Kriminellen auf Augenhöhe. Hinter der behördlichen Bezeichnung steckt nicht weniger als das heimliche Installieren von Schadsoftware – Staatstrojaner genannt. Damit kann elektronische Kommunikation direkt auf den Endgeräten ausgeforscht und Verschlüsselung umgangen werden.
Die SPD-Abgeordnete Sonja Eichwede nannte die Gesetzesänderungen »überfällig«. Die Bundespolizei werde »effektiver aufgestellt«, um zum Beispiel »organisierte Schleuserbanden« zu verfolgen oder Drohnen abzuwehren, die von »fremden Mächten« genutzt würden. Irene Mihalic von Bündnis 90/Die Grünen befand dagegen, in dem Gesetzentwurf würden lediglich »alte Unionsrezepte neu aufgekocht«. Dass künftig alle Passagierdaten von Flügen aus Drittstaaten pauschal an die Bundespolizei übermittelt werden sollen, bezeichnete Mihalic dagegen als »nicht maßvoll und auch nicht sinnvoll«.
In Wahrheit stelle der Gesetzentwurf »einen Schritt in Richtung Autoritarismus und Überwachungsstaat« dar, mahnte Clara Bünger. Die innenpolitische Sprecherin der Linke-Fraktion warnte vor einem »massiven Ausbau staatlicher Macht bei gleichzeitiger Schwächung der Grundrechte«. Künftig dürfe die Bundespolizei »nahezu beliebig entscheiden, wen sie kontrolliere«. Damit werde »Racial Profiling«, also Kontrollen von Personen etwa aufgrund ihrer Hautfarbe, weiter legitimiert.
Büngers Fraktion brachte am Donnerstag einen eigenen Antrag ein, der eine Streichung von Befugnissen der Bundespolizei vorsieht. Dobrindts Truppe sei »zugleich Treiber und Symbol eines autoritären Umbaus in der deutschen Innenpolitik«. Kern dieses Umbaus sei die Idee, »gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Probleme und Widersprüche der Migrations- und Integrationspolitik, der zunehmenden Verelendung im öffentlichen Raum durch Wohnraummangel und ökonomische Prekarisierung« sowie der Proteste dagegen »mit ›hartem Durchgreifen‹ und ›klarer Kante‹ Herr werden zu können«.
Mit dem Gesetzentwurf soll die Bundespolizei auch in die Lage versetzt werden, »technisch auf der Höhe der Zeit gegen Drohnengefahren vorzugehen«, wie Dobrindt im Oktober erklärt hatte. So könnten etwa Störsender zum Einsatz kommen. Mit der Gesetzesänderung sei aber auch der Abschuss von Drohnen möglich. Noch bevor die neue Rechtsgrundlage den Bundestag passiert hat, hatte der Innenminister in Berlin am Mittwoch das Gemeinsame Drohnenabwehrzentrum eröffnet. Das ist bei der ihm unterstellten Bundespolizei angesiedelt und soll Vertreter der sogenannten Sicherheitsbehörden mit Bundeswehr und Geheimdiensten zusammenbringen.
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