Ist bei den Kürzungen das letzte Wort gesprochen?
Interview: Gitta Düperthal
Für 2026 sind im Kulturbereich der sächsischen Landeshauptstadt Dresden drastische Kürzungen angekündigt. Einrichtungen, Vereine und Projekte sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Auch dem Erich-Kästner-Haus für Literatur sollten nach ersten Überlegungen 25 Prozent der Fördermittel gestrichen werden. Hat sich daran was geändert?
25 Prozent weniger Förderung: So war es zunächst geplant. In der Sitzung am 11. Dezember beschloss der Stadtrat in interfraktioneller Initiative von CDU, SPD und Grünen schließlich, die freien Kulturträger doch mit 90 Prozent der im Haushalt 2026 vorgesehenen Mittel zu versehen.
Wie erklären Sie sich das Einlenken?
Dahinter ist eine psychologische Taktik zu vermuten. Man könnte glatt meinen, wir hätten jetzt mit zehn Prozent Kürzung ein Geschenk erhalten! Tatsächlich sind wir seit Jahren chronisch unterfinanziert. Damit spreche ich für die freie Kulturszene Dresdens, der wir als Erich-Kästner-Haus angehören. Für uns konkret würde es dennoch heißen: Bei unserem sowieso dürftigen Personal müssen wir Stellen streichen, können nicht mehr fünf Tage in der Woche öffnen. Ohnehin geht bei uns ohne zusätzlich ehrenamtlich geleistete Arbeit gar nichts. Aktuell haben wir nur 1,45 feste Stellen, plus zwei zusätzliche mit insgesamt 46 Wochenstunden: eine geringfügige und eine im Freiwilligen Sozialen Jahr. Beide hätten wir so verloren. Wie andere freie Träger auch bekommen wir Stellen nicht nach Tarif finanziert, sondern erhalten ein Jahresbudget. Wir müssen also zusehen, wie wir alles finanzieren können.
Hat öffentlicher Druck die Stadträte dazu bewegt, die Kürzung weiter abzumildern?
Ja. Gemeinsam mit dem Netzwerk Kultur Dresden hatten wir mit der Petition unter dem Titel »Dresden streicht, wovon es lebt«, den Stadtrat aufgefordert, die geplanten existentiellen Kürzungen der freien Kulturszene und der kommunalen Kultureinrichtungen für 2026 zurückzunehmen. Knapp 4.000 Menschen haben bisher unterzeichnet. Zudem unterstützt uns der Schriftstellerverband PEN. Der Kulturausschuss beschloss daraufhin am Dienstag – auf Initiative der SPD und der Grünen: Wir werden nicht um 15.500 Euro gekürzt, also zehn Prozent, sollen aber etwa 9.900 Euro weniger als 2025 erhalten. Auch das ist ein Problem.
Was leistet Ihr Haus, das unbedingt weiter ausreichend gefördert werden sollte?
Wir sind das einzige existierende Erich-Kästner-Museum, vermitteln sein literarisches und geistiges Erbe. Wir öffnen es tagsüber und bieten mehr als 100 Abendveranstaltungen im Jahr. Zu uns kommen Besucherinnen und Besucher aus mehr als 50 Ländern. Wir müssen feste Sach- und Betriebskosten, Miete etc. stemmen. Die Förderung der Stadt muss reichen, um diese größtenteils finanziert bekommen. Mit Eintrittsgeldern können wir Bildungsprojekte gestalten: unser Museumsmobil oder die Arbeit in Schulen. Mit etwaigen Einsparungen ist all das nicht zu schaffen. Wir können nichts ausbauen, etwa internationale Wanderausstellungen.
Wie begründen die Verantwortlichen die Kürzungen?
Von Land und Bund unterfinanzierte Kommunen sind durch ansteigende Sozialkosten aufgrund hoher Flüchtlingszahlen belastet, was derzeit zur ideologisch aufgeladenen Debatte genutzt wird. Es gibt umstrittene Prestigeobjekte, wie den Neubau der eingestürzten Carolabrücke: Muss sie wirklich mit vier Spuren aufgebaut werden, reichen nicht zwei? Muss der Fernsehturm derart kostspielig saniert werden?
Ist die jetzt beschlossene Kürzung das letzte Wort?
Der für April 2026 geplante Nachtragshaushalt könnte für uns zum Vor- oder Nachteil ausgehen. Bis dahin gilt eine Haushaltssperre. Als Verein können wir uns aber nicht verschulden, sondern brauchen Planungssicherheit. Langfristige Verträge wie Miete oder Versicherungen sind nicht von einem auf den anderen Tag kündbar. Wir müssen also entscheiden: Wie lange ist das unter diesen Umständen noch machbar?
Das heißt, Sie kämpfen weiter.
Selbstverständlich. Die Freiheit ist uns viel wert, sogar mit Selbstausbeutung! Wenn aber unsere Handlungsfähigkeit nicht mehr gegeben ist, tragen wir das Risiko. Melden wir nicht rechtzeitig Insolvenz an, müssen wir privat die Konsequenzen tragen.
Andrea O’Brien ist Geschäftsführerin des Erich-Kästner-Hauses für Literatur in Dresden
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