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Aus: Ausgabe vom 16.12.2025, Seite 3 / Ansichten

Dumm gelaufen

Bildungswesen und Bourgeoisie
Von Arnold Schölzel
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Im Interview mit der FAZ vom Montag erklärte Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU), die Situation im deutschen Bildungssystem sei »so dramatisch«, dass vom Landrat bis zum Bundeskanzler alle erkennen müssten: Dessen Verbesserung sei »zur Überlebensfrage für unsere Volkswirtschaft und zunehmend auch für unsere Demokratie geworden«. Das ist eine Binsenweisheit. Die Frage ist, warum das erst jetzt gesagt wird – wobei Prien schon als Ministerin in Schleswig-Holstein öfter Alarm geschlagen hat.

Warum aber unternimmt das deutsche Großbürgertum so wenig gegen die Misere? Haben die deutschen Kapitalverbände kein Interesse, das Zurückbleiben bei der Produktivkraftentwicklung, das zum Beispiel mit Blick auf China allseits als mangelnde Innovationskraft der deutschen Industrie beklagt wird, in eine Aufholjagd umzuwandeln? Die Antwort lautet vorläufig: Haben sie nicht.

Denn fast 25 Jahre nach dem ersten PISA-Schock lässt sich sagen: Das Problem dämmert zwar irgendwo, Änderungswille ist aber nicht erkennbar. 2023 folgte der zweite PISA-Schock. 2024 verließen rund 62.000 Jugendliche die Schulen ohne Abschluss – ein Rekord. Ein großer Teil der übrigen ist nicht ausbildungsfähig. 2,9 Millionen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren haben keinen Berufsabschluss, das sind 20 Prozent der Altersgruppe.

Nach drei Jahren Stagnation der Wirtschaftsleistung zeichnet sich nun ab: Die deutsche Industrie bleibt zurück. Die wichtigste Ressource dieses Landes, kluge Köpfe, wurde nach dem »Sieg« über den Sozialismus vernachlässigt, was zuvor in Konkurrenz mit dem international anerkannten DDR-Bildungssystem so nicht möglich war. Wem die Infrastruktur als staatliche Aufgabe egal ist, dem ist auch Bildung schnurz. Die deutsche Bourgeoisie war in den vergangenen 150 Jahren nie besonders helle – siehe die Anzettelung zweier Weltkriege –, aber selbst zu Kaisers Zeiten verfügte sie über ein System, das Berlin bis 1933 zur Welthauptstadt von Mathematik, Physik und Medizin machte. Das erledigten die Nazis in kürzester Zeit. Feststellung vom vergangenen Mittwoch: Ein Drittel aller Berliner Schüler kann nicht ausreichend lesen, schreiben und rechnen. Wer wie SPD und Grüne die Einführung des Niedriglohnsektors zum neoliberalen Innovationsschlager gemacht hat, erklärt auch faktisch Bildung für überflüssig. Für technische Innovation ist da kein Platz.

Nun greift das kriegstüchtig werdende Land erneut nach Weltmacht. Wer aber Panzer, Superdrohnen und Kasernen baut, hat kein Geld für Kitas und Schulen. Die Rettung durch Qualitätskitas, die Prien vorschwebt, ist aussichtslos. Die Verheißung der Bertelsmann-Stiftung und des Ifo-Instituts, Bildung werde in den kommenden 80 Jahren Billionen Euro zusätzlich erbringen, ist lächerlich. Die deutsche Bourgeoisie ist fest entschlossen, gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung zu handeln.

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