Vereinigung Demokratischer Jurist:innen: Freie Ausübung des Versammlungsrechts war bei Protesten gegen AfD in Gießen nicht gewährleistet
Die Vereinigung Demokratischer Jurist:innen (VDJ) kritisierte am Mittwoch Einschüchterung und Einschränkung der Versammlungsfreiheit durch die Polizei bei den Protesten gegen die Gründung eines AfD-Jugendverbandes am 29. November 2025 in Gießen:
Die Polizei habe in Gießen »bürgerkriegsähnliche Zustände« verhindert, erklärte der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU) in seiner Bilanz der Proteste gegen die Gründungsveranstaltung der neuen Jugendorganisation der AfD mit dem Namen »Generation Deutschland«. Die Vereinigung Demokratischer Jurist:innen (VDJ) wendet sich gegen dieses »Bürgerkriegsnarrativ«, das dazu dienen soll, 1. einen unverhältnismäßigen Polizeieinsatz und 2. eine beispiellose Abschreckungskampagne gegen demokratischen Protest zu legitimieren. Mitglieder der VDJ waren bei den Protesten in Gießen vor Ort und haben Polizeigewalt aus nächster Nähe beobachten können.
Das Land Hessen stützte sein Polizeieinsatzkonzept u. a. auf einen kürzlich ergangenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu Sitzblockaden (Beschluss vom 1. Oktober 2025 – 1 BvR 2428/20). Demnach sollen Sitzblockaden zwar prinzipiell von der Versammlungsfreiheit geschützt, aber zugleich unzulässig sein bzw. eine »grobe Störung« darstellen, wenn sich diese ausschließlich gegen eine andere Versammlung richten. Die VDJ kritisiert diesen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts.
Denn es ist mit dem Bestimmtheitsgebot nicht vereinbar, dass die Teilnehmenden an einer Demonstration nicht eindeutig erkennen können, in welchem Moment ein grundrechtlich geschützter Protest in eine »grobe Störung« umschlägt. Diese Unsicherheit kann dazu führen, dass sich Teilnehmende von vornherein nicht an einer Sitzblockade beteiligen und insoweit ihre Versammlungsfreiheit nicht ausüben.
Dessen ungeachtet ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip weiterhin voll zu berücksichtigen. Der Beschluss kann nicht so gelesen werden, dass die Polizei nun ein grenzenloses Ermessen hat, um Sitzblockaden oder Blockadezüge umgehend gewaltsam aufzulösen. Das Vorgehen des Landes Hessen zeigt eindrücklich, wie der Beschluss in der Praxis als Blankocheck benutzt wird, um friedliche Proteste zu kriminalisieren.
Das Vorgehen der Polizei hinterließ bei Teilnehmenden den nachhaltigen Eindruck, dass demokratischer antifaschistischer Protest nicht gewollt ist und (wie leider üblich) vorab kriminalisiert wird. Bereits im Vorfeld vermittelten das Einsatzkonzept der Polizei sowie die Gefahrenprognose der Stadt Gießen den Eindruck, dass eine Eskalation bewusst herbeigeführt werden sollte. Vor Ort verstärkte sich dieser Eindruck durch eine massive Präsenz von Einsatzkräften aus insgesamt 15 Bundesländern sowie der Bundespolizei. Unterstützt wurde der Eindruck durch den Einsatz von Polizeihubschraubern, einer permanenten Drohnenüberwachung, Polizeikräften auf Dächern mit Sicht zum DGB-Versammlungsplatz sowie den Einsatz von Wasserwerfern. (…)
Zusammengenommen führen diese Maßnahmen zu einer Machtdemonstration des Staates, die geeignet ist, eine grundrechtlich unzulässige Abschreckungswirkung gegenüber Personen auszuüben, die sich an Protesten beteiligen wollen. (…) Die freie und ungestörte Ausübung des Versammlungsrechts war nicht gewährleistet. (…)
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