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Aus: Ausgabe vom 02.12.2025, Seite 4 / Inland
Gründung der AfD-Jugend in Gießen

Gefahr von links

Nach Neugründung der AfD-Jugend in Gießen: Hessens Innenminister beklagt »erhebliches extremistisches Potential« unter den Gegendemonstranten
Von Max Grigutsch
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Wo die gebrochenen Hände der Polizei wohl herrühren? (Gießen, 29.11.2025)

Sein Dank gilt der Polizei. Deren Einsatz zum Schutz des Gründungstreffens der AfD-Parteijugend »Generation Deutschland« in Gießen habe den Rechtsstaat zur Geltung gebracht, erklärte der hessische Innenminister Roman Poseck am Montag auf einer Pressekonferenz. »Was wäre in Gießen passiert, wenn die Polizei nicht mit diesem Großaufgebot im Einsatz gewesen wäre?« fragte der CDU-Politiker und legte die Antwort prompt nach. »Es wäre zu schwersten Straf- und Gewalttaten gekommen«, meinte er zu wissen. Rückblickend auf das Geschehen rund um das Gründungswochenende der AfD-Jugend, deren Vorgängerorganisation sich nach einer Verfassungsschutzeinstufung als »gesichert rechtsextrem« aufgelöst hatte, beklagte Poseck ein »erhebliches extremistisches Potential von links«.

Nach Angaben des Aktionsbündnisses »Widersetzen« hatten am Sonnabend mehr als 50.000 Menschen an Demonstrationen gegen die AfD-Jugend teilgenommen; die Polizei will mehr als 25.000 gezählt haben. Die Staatsgewalt hatte ihrerseits zum größten Polizeieinsatz der Stadtgeschichte getrommelt: Rund 6.000 Polizisten aus 15 Bundesländern und von der Bundespolizei waren vor Ort, um AfD-Mitglieder zu eskortieren oder Blockaden der AfD-Gegner zu räumen. Der Gründungskongress konnte erst mit erheblicher Verspätung beginnen.

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) bezeichnete die Demonstrationen am Sonntag als »Gewaltmärsche« und einen »linken Tiefpunkt«. Es seien »tausend gewaltbereite Demonstranten« vor Ort gewesen, ergänzte Innenminister Poseck tags darauf. Demnach seien mehr als 50 Beamte durch Schläge, Tritte und Böllerwürfe verletzt worden. Schwere Verletzungen wurden nicht verbucht, es sei aber »auch zu Handbrüchen und zu anderen Verletzungen gekommen«. Eine Erklärung, warum die Beamten – die mitunter den Faustschlag zu ihrem Repressionsarsenal zählen – ausgerechnet Handbrüche beklagen, blieb Poseck schuldig. Die polizeiliche Bilanz: drei Festnahmen, fast 200 Identitätsfeststellungen, ungefähr 60 Durchsuchungen von Personen und Sachen.

Eine gegenteilige Einschätzung verbreitete »Widersetzen« bereits am Sonnabend. Das Bündnis sprach in einer Mitteilung von einem »riesigen Erfolg« der Aktionen, zeigte sich aber »schockiert von heftiger Polizeigewalt«. Zahlreiche Demonstranten seien durch Faustschläge und den Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray verletzt worden. Zudem kritisierte das Bündnis den Einsatz von Wasserwerfern bei »eisigen Temperaturen«. »Wir können uns auf den Staat im Kampf gegen den Faschismus nicht verlassen«, wird Sprecherin Rieka Becker zitiert. Polizisten hätten »den Faschisten den Weg freigeprügelt« und so der AfD den »roten Teppich« ausgerollt, führte Becker aus.

Auch Desiree Becker, Landesvorsitzende von Die Linke Hessen, widersprach den Ausschweifungen von Rhein und Poseck. In einer Mitteilung vom Montag bezeichnete sie die Aktionen als einen »Erfolg ohne Wenn und Aber«. Die hessische Landesregierung kriminalisiere antifaschistischen Protest. Der Einsatz von Wasserwerfern, Pfefferspray und Schlagstöcken sei nicht verhältnismäßig gewesen und müsse aufgearbeitet werden.

Für Aufsehen sorgten auch Aufnahmen eines Autos, das augenscheinlich knapp hinter einem Rettungswagen durch eine Menge von Demonstranten fährt. Medienberichten zufolge handelt es sich um das Fahrzeug eines Berliner AfD-Politikers, der sich mit Begleitung auf dem Weg zum Gründungskongress befand. »Der Fahrer hat vorsätzlich in Kauf genommen, Menschen schwer zu verletzen oder gar zu töten«, sagte ein »Widersetzen«-Sprecher am Montag gegenüber junge Welt.

Zufrieden mit dem Geschehen vom Wochenende zeigte sich die Stadt Gießen. Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher (SPD) betonte am Sonntag: »Gießen hat sich weder von linker Gewalt noch von rechter Machtdemonstration in schwarzen Limousinen in die Flucht treiben lassen.« Ebenfalls nicht in die Flucht getrieben wurden die AfD-Nachwuchskader. Die Neugründung der Parteijugend konnte schließlich wie geplant erfolgen. Das vorgelegte Jugendstatut wurde mit großer Mehrheit und mit nur einer minimalen Anpassung angenommen. Als Sprachrohr der Parteispitze inszenierte sich dabei der Brandenburger Landtagsabgeordnete Jean-Pascal Hohm, der wenig später mit rund 90 Prozent der Stimmen zum Vorsitzenden der »Generation Deutschland« gewählt wurde.

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