Wer steckt hinter dem Putsch in Guinea-Bissau?
Von David Siegmund-Schultze
Am Mittwoch hat ein Militärkommando in Guinea-Bissau die Macht übernommen. Ist bereits klar, wer hinter dem Putsch in dem westafrikanischen Land steht?
Ja, es sind Verbündete des Expräsidenten Umano Sissoco Embaló. Das ist ein inszenierter Putsch. Warum sollte jemand einen Putsch gegen eine Person durchführen, die gerade die Wahlen verloren hat? Schon davor gab es Gerüchte, dass sie einen Putsch inszenieren würden, weil sie wussten, dass sie verlieren würden. Wenn ich »sie« sage, meine ich Embaló und seine direkten Mitarbeiter, die Führer der Armee sowie die, die er in seine Regierung berufen hat.
Wie ist Embaló in seiner Amtszeit gegen die Opposition vorgegangen?
Bereits 2023 wollte er unsere Partei, die Afrikanische Partei der Unabhängigkeit von Guinea und Kap Verde, PAIGC, zerstören, indem seine Einsatzkräfte in die Parteizentrale eindrangen und uns mit Tränengas attackierten. Außerdem verhinderten sie, dass wir Wahlkampfmaterial für die Parlamentswahlen in dem Jahr bekommen konnten. Wir mussten den Wahlkampf ohne Geld, ohne Materialien und ohne Autos führen.
2023 hat Embaló außerdem das Parlament verfassungswidrig aufgelöst. Das ist nicht einmal im Kriegsfall erlaubt. Schon damals hat er einen angeblichen Putsch als Vorwand benutzt. Dann verschob er die Präsidentschaftswahlen immer wieder, bis die ECOWAS (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft, jW) intervenierte. Deshalb haben wir jetzt Wahlen abgehalten, was Embaló nie wollte.
Der PAIGC war ausgeschlossen.
Richtig. Embaló sorgte dafür, dass ihm gegenüber loyale Richter die Mehrheit im Obersten Gerichtshof bildeten. So nutzte er den verfassungswidrig eingesetzten Obersten Gerichtshof, um die Kandidatur von Domingos Pereira vom PAIGC zu blockieren, der als Favorit galt. Also beschlossen wir, uns mit Fernando Dias da Costa vom PRC (Partido de Renovação Social, Partei der sozialen Erneuerung, jW) zusammenzuschließen, der bereits als unabhängiger Kandidat zugelassen worden war. Er gewann die Wahlen am 23. November.
Warum sind Sie sich da so sicher?
Der Wahlrat hat Vertreter zu jedem Wahllokal entsandt. Die Stimmenauszählung war vollkommen transparent. Die Ergebnisse jedes Wahllokals wurden unterzeichnet und veröffentlicht, die Anwesenden haben Fotos davon gemacht. Die Menschen campierten sogar vor den Hauptquartieren der neun regionalen Wahlkommissionen, weil Gerüchte kursierten, dass embalótreue Akteure intervenieren wollten. Die Menschen sagten sich: Ich habe das Recht zu wählen, meine Stimme zu schützen, und niemand wird mir meine Stimme stehlen. Die Ergebnisse, die der Wahlrat dann am Dienstag veröffentlichte, zeigen, dass Dias da Costa 52 Prozent und Embaló 48 Prozent der Stimmen erhielt.
Wenn Embaló hinter dem Putsch steht, warum wurde er dann ebenfalls verhaftet?
Es war eine vorgetäuschte Verhaftung. Einen Tag lang war Embaló verschwunden und hat dann einen Charterflug nach Dakar bestiegen. Er selbst hat die Nachricht verbreitet, dass er verhaftet worden sei. Das Ziel ist vielmehr, sicherzustellen, dass dasselbe Regime an der Macht bleibt.
Welche Politik erwarten Sie von der neuen Militärregierung?
Sie werden während ihrer Amtszeit kein wirkliches Programm haben. Ihr Hauptziel wird es sein, soviel Kontrolle wie möglich auszuüben, insbesondere über die Staatskasse, und den Bürgern die grundlegenden Menschenrechte, das Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit zu verweigern.
Dem PAIGC wird vorgeworfen, seine sozialistischen Wurzeln aufgegeben zu haben. Trifft das zu?
Nein, das Programm und die Satzung der Partei sagen eindeutig, dass wir eine sozialistische Partei sind. Das zeigt sich auch in unserer Politik. In den 80er und 90er Jahren gab es jedoch eine Phase, in der der damalige Präsident João Bernardo Vieira die Partei vom Sozialismus abwandte. Er führte Strukturanpassungsprogramme ein, schloss Vereinbarungen mit dem IWF und der Weltbank und verfolgte eine liberale Wirtschaftspolitik. Später wurde er jedoch aus der Partei ausgeschlossen. Der PAIGC konnte also seine sozialistischen Wurzeln sowie seinen panafrikanischen und revolutionären Charakter bewahren.
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