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Aus: Ausgabe vom 29.11.2025, Seite 6 / Ausland
Brief aus Jerusalem

Apartheid in Gesetzesform

Brief aus Jerusalem : Israel baut sein Rechtssystem für Repressionen gegen Palästinenser um.
Von Helga Baumgarten
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Graffiti des Widerstands gegen die israelische Besatzung in Bethlehem (1.2.2022)

Die erste Lesung des Gesetzes im israelischen Parlament am 10. November lief problemlos. 39 Abgeordnete stimmten zu, 16 dagegen. Die Verordnung schafft neue Kapitalverbrechen, macht die Todesstrafe unter vage definierten Bedingungen obligatorisch und hebt die richterliche Ermessensfreiheit vollständig auf. Jetzt muss sie nur noch zwei weitere Lesungen im »Komitee für Nationale Sicherheit der Knesset« passieren, ehe sie in Kraft tritt. Dann soll das Gesetz möglichst bald angewandt werden. Gelten wird es allerdings ausschließlich für Palästinenser, für »überführte Terroristen«. Die Tageszeitung Haaretz nennt es ein offen rassistisches Gesetz.

Es ist nur der jüngste Höhepunkt in einer langen Serie von Gesetzen, mit denen die demokratischen Rechte der palästinensischen Bürger in Israel sowie die Rechte der Palästinenser unter israelischer Besatzung in Ostjerusalem und im Westjordanland drastisch beschnitten werden. Während viele dieser Maßnahmen schon auf eine lange Geschichte zurückblicken, treibt Israel seit Oktober 2023 die Verabschiedung immer brutalerer Gesetze und Gesetzesentwürfe gegen Palästinenser voran. Ein soeben erschienener Bericht der Menschenrechtsorganisation Adalah (Juristisches Zentrum für die Minderheitsrechte der Araber in Israel), die ihren Sitz in Haifa hat, spricht von »einer neuen Welle antipalästinensischer israelischer Gesetze«. Und er bringt den Vorgang auf den Punkt: Diese Regelungen verschärften »das Regime von Apartheid, Kontrolle und Repression« für alle Palästinenser unter israelischer Kontrolle.

Adalah betont, dass »das Prinzip jüdischer ethnonationaler Vorherrschaft« in der Verfassungsrealität und der politischen Kultur Israels begründet ist. Das »Jüdische Nationalstaatsgesetz« vom Juli 2018 formuliert das klar, wenn es von einem »jüdischen und demokratischen Staat« spricht. Darauf aufbauend betont die Regierungserklärung von Premier Benjamin Netanjahu von Ende Dezember 2022, »dass das jüdische Volk ein exklusives und unveräußerliches Recht auf alle Gebiete des Landes Israel hat«.

Platz für Palästinenser ist nicht vorgesehen. Und da sie nicht die aus Sicht Netanjahus und seiner Regierung »sinnvolle« Konsequenz ziehen, diesen Staat zu verlassen, müssen sie auf anderem Weg dazu gebracht werden. Da ist zum einen die Gewalt: Völkermord und Vertreibungen in Gaza, im Westjordanland und in Ostjerusalem; zum anderen sind das Gesetze. Sie sind subtiler, sollen jedoch dasselbe Ergebnis im »demokratischen Gewand« erreichen.

Der Bericht von Adalah konzentriert sich auf die wichtigsten Rechtsverschärfungen seit dem 7. Oktober. Fünf verschiedene Gesetze schränken die Meinungs- und Gedankenfreiheit sowie das Demonstrationsrecht drastisch ein. So muss man, wenn man Publikationen »einer terroristischen Organisation« liest, mit einem Jahr Haft rechnen. Wer Zweifel an der israelischen propagandistischen Darstellung des 7. Oktober äußert, kann sogar bis zu fünf Jahre in Haft genommen werden. Lehrer können entlassen werden, falls sie sich mit einer »terroristischen Organisation« identifizieren – ohne jedes Gerichtsurteil.

Schon 2024 wurde mit einem temporär gültigen Gesetz die Arbeit des Satellitensenders Al-Dschasira in Israel mit der Behauptung gestoppt, die Berichterstattung stelle eine Gefahr für die nationale Sicherheit dar. Das »Al-Dschasira-Gesetz« soll jetzt unbegrenzt gültig werden. Es hat inzwischen die erste Lesung in der Knesset mit 50 Stimmen dafür, 41 dagegen passiert. Damit kann der Minister für Kommunikation jedes internationale Pressemedium schlicht verbieten, unabhängig von der »konkreten Sicherheitslage«. Weitere Gesetze beschränken die Rechte der Palästinenser auf freie Ein- und Ausreise, auf Familienzusammenführung und auf das Recht der freien Eheschließung mit nichtisraelischen Partnern. Schließlich wurden palästinensischen Häftlingen, die systematisch gefoltert werden, alle ihnen zustehenden Rechte entzogen. Selbst Kinder im Alter von zwölf Jahren können seit November 2024 verhaftet werden.

Die lange Liste zeigt, dass heute allein jüdischen Bürgern individuelle und kollektive Rechte gewährt werden, ob in Israel oder in den von ihm illegal besetzten Gebieten.

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