Braucht es kriegstüchtige Krankenhäuser?
Interview: Hendrik Pachinger
Mit einer Kundgebung am kommenden Montag vor dem Nürnberger Nordklinikum wollen Sie den Auftakt geben für den Versuch, im süddeutschen Raum die antimilitaristische mit der Gewerkschaftsbewegung im Kliniksektor zusammenzuführen. Ihr Aufruf richtet sich an die Bevölkerung sowie an die Beschäftigten. Wie ist das Motto »Wir werden euch nicht helfen können« zu verstehen?
Das Motto stammt ursprünglich von der IPPNW (Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges) aus den 1980er Jahren. Es besagt, dass es eine gefährliche Utopie sei, zu glauben, dass ein Krieg gegen Russland und sogar ein Atomkrieg irgendwie handhabbar wären. Statt uns auf einen Krieg vorzubereiten, sollten wir lieber alle Kraft darauf verwenden, ihn zu verhindern. Und deshalb müssen wir uns den Kriegsvorbereitungen unserer eigenen Regierung entgegenstellen.
Was sagen Sie denen, die behaupten, die von Russland ausgehende Kriegsgefahr mache im Land kriegstüchtige Krankenhäuser nötig?
Niemand zwingt der NATO einen Krieg auf. Eine Bedrohung der NATO durch Russland ist eine Lüge. Es sind die USA und die NATO, die seit dem Ende des Ostblocks einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg nach dem anderen führen und Russland militärisch bedrohen. Es war Deutschland, das im vergangenen Jahrhundert zweimal versucht hat, sich durch Raubkriege die russischen Bodenschätze anzueignen.
Der Westen braucht dieses Propagandamärchen, weil der Kapitalismus in den westlichen Staaten in einer existentiellen Krise steckt. Das Kapital kann durch Investitionen in Produktion nicht mehr genügend Gewinne erwirtschaften und die absurde Finanzblase wird irgendwann platzen. Krieg erscheint als Ausweg. Die Systemkrise wird dann kein Thema mehr und nach riesiger Kapitalvernichtung durch Zerstörung kann beim Wiederaufbau ordentlich Profit gemacht werden. Die herrschende Klasse hofft dabei, in ihren Bunkern ungeschoren davonzukommen.
Was sind die konkreten Pläne der Bundesregierung für die Militarisierung des Gesundheitswesens?
Die Regierung arbeitet an einem »Gesundheitssicherstellungsgesetz«. Es ist Teil der Notstandsgesetzgebung und könnte bereits aktiviert werden, wenn der Spannungsfall ausgerufen wird. Den fordert zum Beispiel der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter. Dazu braucht es noch gar keinen Krieg in Deutschland. Geregelt werden soll in diesem Gesetz zum Beispiel, dass ausgebildetes Pflegepersonal zum Arbeiten in Krankenhäusern zwangsverpflichtet werden kann. Arbeitnehmerrechte können dann mit einem Federstrich außer Kraft gesetzt werden. Krankenhäuser sollen der Befehlsgewalt der Bundeswehr unterstellt werden und die Behandlung von Soldaten bekommt absoluten Vorrang. Zivile Patienten kommen dann zum Schluss dran beziehungsweise werden gar nicht behandelt.
Bereits seit Jahren klagen die Beschäftigten des Gesundheitssektors über schlechte Arbeitsbedingungen und Überlastung. Wäre es dann nicht hilfreich, wenn Geld aus dem sogenannten Sondervermögen in die Krankenhäuser fließen würde?
Die Krankenhäuser wurden in der Vergangenheit der Profitlogik unterworfen – viele wurden privatisiert, geschlossen, Pflegepersonal wurde drastisch eingespart. Nichts davon soll zurückgenommen werden. Das Geld aus dem Sondervermögen soll zum Beispiel für Bunker, Materiallager und den Aufbau von Bettenkapazitäten für den Kriegsfall ausgegeben werden. An der katastrophalen Arbeitsüberlastung und der schlechten Patientenversorgung ändert das nichts. Die Hallerwiese-Cnopfsche Kinderklinik mit 3.000 Geburten im Jahr soll zum Beispiel verkauft werden. Die Zukunft ist ungewiss.
Dies wird nicht die erste Kundgebung sein, die Sie zu diesem Thema organisieren. Bereits im November waren Sie auf der Straße und Sie planen eine Veranstaltung im nächsten Jahr.
Ja, wir hatten bereits im November eine Kundgebung vor dem Klinikum Nord, die auf viel Interesse gestoßen ist und die vor allem gezeigt hat, dass es sehr wenig Wissen über die Pläne zur Militarisierung der Krankenhäuser gibt. Deshalb machen wir auch nach dem 8. Dezember weitere Kundgebungen und am 13. Februar 2026 eine Informationsveranstaltung in Nürnberg unter anderem mit Nadja Rakowitz von der Vereinigung demokratischer Ärztinnen und Ärzte sowie Gewerkschaftsvertretern aus dem Nürnberger Klinikum.
Mischa Brugmann ist Sprecher der Initiative solidarischer ArbeiterInnen (ISA) mit Sitz in Nürnberg
Kundgebung: 8.12., Prof.-Ernst-Nathan-Str. 1, 90419 Nürnberg
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