Urteil stützt Regierungspläne
Von Gudrun Giese
Gut, wenn die Gerichte im Sinne der Regierenden entscheiden – zumindest für die derzeitige Bundesregierung. Denn das Bundessozialgericht (BSG) hat nun in drei Revisionsverfahren entschieden, dass monatliche 449 Euro Arbeitslosengeld II im Jahr 2022 ausreichend gewesen seien, um den Lebensunterhalt zu decken.
Kläger in Baden-Württemberg, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen hatten versucht, auf dem gerichtlichen Instanzenweg eine Nachzahlung zur damals geltenden Grundsicherung zu erreichen. Sie argumentierten insbesondere mit den erheblichen Preissteigerungen in Folge der Coronapandemie und des Ukraine-Krieges. Fraglich war dabei, ob die Höhe des Regelbedarfs zur Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums in Deutschland ausreichte. Die im Juli 2022 gezahlte Einmalzahlung hätte nicht gereicht, um die Preissteigerungen auch nur annähernd auszugleichen, so die Kläger. Beklagte waren die Jobcenter in Brandenburg/Havel, Neckar-Odenwald sowie im Landkreis Borken. Die Kläger bekamen vor den jeweils zuständigen Sozialgerichten allerdings nicht recht, so dass das Bundessozialgericht in Kassel letztinstanzlich zu entscheiden hatte. Die Richter des 7. Senats am BSG befanden die so genannten Regelbedarfe für Nahrungsmittel, Kleidung, Hygieneprodukte und anderes mehr in Höhe von 449 Euro für ausreichend. Sie seien nicht verfassungswidrig niedrig gewesen, wie die Kläger argumentiert hatten. Sie hätten keinen rückwirkenden Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld II, da kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vorliege. Deshalb scheiterten die Kläger mit ihren Revisionsverfahren.
Dabei sind gerade die Preise für Waren des täglichen Bedarfs 2022 deutlich gestiegen. Sie stiegen im Durchschnitt auf zwölf Prozent, während die Regelsätze der damals umgangssprachlich »Hartz IV« genannten Leistung zum Jahresbeginn um lediglich 0,76 Prozent erhöht worden waren. Die Richter des BSG behaupteten gleichwohl, dass mit diesem Betrag ein menschenwürdiges Existenzminimum finanzierbar gewesen wäre, zumal die Kläger neben dem Regelbedarf noch Anspruch auf weitere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II geltend machen konnten. Die besonders starken Preissteigerungen bei Gas und Öl, die sich auf die Heizkosten auswirkten, seien von den Jobcentern – zusätzlich zur Regelleistung – »in tatsächlicher Höhe« bezahlt worden. Zudem hätten die Bezieher von Arbeitslosengeld II im Juli des Jahres eine Einmalzahlung von 200 Euro erhalten. Und immerhin sei der Regelbedarf dann zum 1. Januar 2023 um 11,8 Prozent angehoben worden. Damit ist allerdings nicht beantwortet, wie die Betroffenen im Verlauf des schwierigen Jahres 2022 ihren Alltag bewältigen sollten. Denn dass eine einmalige Extrazahlung von 200 Euro nicht den Mangel eines ganzen Jahres ausgleichen kann, sollte selbst gut besoldeten Bundesrichtern einleuchten.
Mit dem Jahresbeginn 2023 hatte die von vielen als äußerst diskriminierend wahrgenommene Zeit von Hartz IV ein Ende. Diese Sozialleistung hatte frühere Leistungen wie die Arbeitslosenhilfe zum 1. Januar 2005 abgelöst und war mit strikten Sanktionen und niedrigen Werten für erlaubte Sparguthaben einhergegangen. Die von der damaligen »rot-grünen« Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) eingeführte Regelung wurde von der Ampelkoalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP nach deren Amtsantritt kassiert. Zum 1. Januar 2023 startete mit dem Bürgergeld eine etwas besser dotierte Leistung, die zudem Sanktionen senkte und Sparvermögen in leicht höherem Umfang schonte. Der CDU/CSU passte diese Richtung von Anfang an nicht. Und so war eines der zentralen Vorhaben, mit denen die Partei in den Wahlkampf dieses Jahres zog, die Schleifung des Bürgergeldes. In der inzwischen regierenden Koalition aus Unionsparteien und SPD soll dementsprechend bald schon wieder eine Teilrückkehr zu den strikten Hartz-IV-Regeln eingeleitet werden. Das passt zur aktuellen Entscheidung des BSG, den Klägern keine Nachzahlung zu gewähren.
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