Am längeren Hebel
Von Jörg Kronauer
Nicht der Schwanz wedelt mit dem Hund, sondern der Hund mit dem Schwanz: Das scheint der banale Kern der Botschaft gewesen zu sein, die US-Präsident Donald Trump der japanischen Ministerpräsidentin Takaichi Sanae am Montag telefonisch übermittelte. Unmittelbar zuvor hatte Trump mit Chinas Präsident Xi Jinping telefoniert, der klargestellt hatte – so darf man den chinesischen Bericht über das Gespräch verstehen –, dass Beijing in Sachen Taiwan keinen Spaß versteht und auch keine militaristischen Rülpser aus Tokio. Dass Takaichi kürzlich offiziell angekündigt hatte, im Falle einer gewaltsamen Eskalation des Konflikts um Taiwan werde Japan militärisch intervenieren, hat heftige Reaktionen der Volksrepublik ausgelöst. Immerhin handelt es sich bei dem Konflikt nicht nur laut chinesischer Auffassung, sondern auch laut internationalem Recht um einen innerstaatlichen Konflikt, in den niemand ohne weiteres eingreifen darf. Auch die Drohung damit wird in Beijing nicht toleriert.
Kann das Trump nicht völlig egal sein? Nein. Der US-Präsident bastelt zur Zeit ein wenig mit dem Korrekturmodus herum. Der Unmut der US-Bevölkerung über ihn ist gestiegen; und wenngleich er auf der Unbeliebtheitsskala noch längst nicht mit Friedrich Merz mithalten kann: Er hat Zölle zurückgenommen, um den Ärger über steigende Lebenshaltungskosten zu dämpfen; er hat die Epstein-Akten freigegeben, weil es an der MAGA-Basis ernsthaft rumort; er hat sich mit China auf die Abnahme großer Mengen von US-Soja geeinigt, um es sich mit den Farmern, einem recht wichtigen Teil seiner Wählerschaft, nicht endgültig zu verderben. Zugegeben: Das wären Peanuts, hielte Trump die Zeit für gekommen, den Konflikt mit China auf die Spitze zu treiben. Das aber ist – noch – nicht der Fall. Denn Trump hat realisiert, dass Beijing bei einigen zentralen Aspekten am längeren Hebel sitzt. So kontrolliert es die überaus wichtigen seltenen Erden – und fiele Taiwans Chipriese TSMC einem Waffengang um die Insel zum Opfer, die US-Rüstungsindustrie hätte ein zweites kaum lösbares Problem.
Also hat Trump den Konflikt mit China zuletzt eher gedämpft. Er hat die Zollattacken etwas heruntergefahren, er will im April Beijing besuchen und hat sogar Xi in die USA eingeladen: Er will vorläufig Ruhe im Karton. Dass er an seinem langfristigen Ziel festhält, Beijing niederzuringen, hat er übermittelt, als er Ende Oktober gemeinsam mit Takaichi auf einem in Yokosuka für einen möglichen Waffengang gegen China bereitstehenden US-Flugzeugträger posierte. Wann und wie der Konflikt wieder zugespitzt wird, das will Trump aber selbst bestimmen – und daher hat er Takaichi telefonisch klargemacht, sie werde nicht abgestimmte Provokationen gegen Beijing in Zukunft hoffentlich unterlassen. Bei Japans Nationalisten ist das nicht gut angekommen. Letzten Endes aber können auch sie sich der Erkenntnis nicht entziehen, wer wedelt und wer nicht.
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