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Aus: Ausgabe vom 28.11.2025, Seite 1 / Titel
Kapital und AfD

Gewerkschaften fast politisch

Für den »Wirtschaftsstandort«: Verdi und DGB stellen sich hinter die »Brandmauer« gegen die AfD. Nicht in Aussicht: Arbeitskampf
Von Max Grigutsch
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Die Basis macht es vor: In München haben Verdi-Mitglieder am Donnerstag gegen Rüstung und Rechtsruck demonstriert

Generalstreiks in Italien und Spanien gegen Aufrüstung und den Genozid in Gaza. Ausstand in Belgien gegen Rentenkürzungen. Deutsche Gewerkschaften folgen dagegen dem gerichtlichen Verbot politischer Streiks aus den 1950er Jahren. Die politische Bühne bespielen ihre Frontleute hin und wieder trotzdem. So am Mittwoch abend nach der jüngsten Absichtserklärung des Kapitalverbands »Die Familienunternehmer«, die sogenannte Brandmauer gegen die AfD bröckeln zu lassen. Verdi-Chef Frank Werneke sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, der Verband drohe, »endgültig nach rechts abzudriften«. Die Geschichte mahne, wie wichtig eine »klare Abgrenzung der Wirtschaft gegenüber Rechtsextremen ist«. Die AfD sei »zutiefst antidemokratisch, ihre Politik gefährdet den Wirtschaftsstandort Deutschland und den Zusammenhalt in Europa«.

Dafür warf sich auch DGB-Vorständin Anja Piel in die Bresche. Das Einreißen von Positionen gegenüber einer »nachweislich verfassungsfeindlichen Partei« gefährde Demokratie, internationales Ansehen und den Wirtschaftsstandort, erklärte sie den Funke-Medien. Piel sorgte sich um Rekrutierung ausländischer Fachkräfte. Von den im »Familienunternehmer«-Verband organisierten Firmen forderte sie, »unmissverständlich Stellung für die Brandmauer zu beziehen«. Im Präsidium des Vereins sind Kapitalisten wie Oetker, Miele oder Deichmann vertreten.

Der Sprachvorgabe der Gewerkschaften folgte auch der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Jörg Dittrich, am Donnerstag gegenüber Reuters: »Rassistische Parolen, Abschottungsphantasien und das Verächtlichmachen demokratischer Institutionen schaden dem Wirtschaftsstandort Deutschland.« Die »Familienunternehmer«-Mitgliedsfirmen Rossmann und Vorwerk teilten am Mittwoch ihren Rückzug aus dem Verband mit. Aber manch ein Magnat hat inzwischen Position für die Weichenstellung bezogen, so zuletzt der Europa-Park-Gründer Roland Mack. Er habe ein Problem damit, »wenn man mit gewissen Menschen in unserer Gesellschaft nicht sprechen soll«, sagte er der Regionalzeitung Südkurier am Donnerstag.

Somit dürfte die Tat vollbracht sein: Die Debatte um die Integration der AfD – jedenfalls ihrer Politik – dreht sich weiter. Im Parlament hatte Parteichefin Alice Weidel am Mittwoch erneut um die Hand von Kanzler Friedrich Merz geworben. Die AfD-Basis wähnt die Union im Schwitzkasten des Koalitionspartners SPD, spekuliert aber auf einen Regierungskollaps. Laut einer am Mittwoch von Bild veröffentlichten Umfrage gehen 78 Prozent der AfD-Wähler davon noch vor Ende der Legislaturperiode aus. Der Rat von Exkanzlerin Angela Merkel, wohl auch an Merz: Man dürfe sich nicht »von der AfD fast in der Manege herumführen lassen«, sagte sie am Mittwoch bei Phoenix.

Können es die Gewerkschaften richten, vielleicht per Arbeitskampf? Rechtlich ginge das schon, »jedenfalls was Proteststreiks angeht«, erklärte der Jurist Benedikt Hopmann am Donnerstag gegenüber junge Welt. Im Juni 1996 habe der DGB zu einem solchen gegen die avisierte Beschneidung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall aufgerufen. »Was gegen die Kohl-Regierung möglich war, muss auch gegen die Politik der AfD möglich sein«, meinte Hopmann. Entsprechende Anfragen von jW ließen DGB, Verdi und IG Metall bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Aktiv, wenn auch außerhalb der Arbeitszeit, werden die Gewerkschaften am Wochenende bei antifaschistischen Protesten in Gießen. Dort will sich die AfD-Parteijugend neu gründen.

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