Gegründet 1947 Dienstag, 25. November 2025, Nr. 274
Die junge Welt wird von 3063 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 25.11.2025, Seite 4 / Inland
Kapital und AfD

Kapital lässt »Brandmauer« bröckeln

»Lebhafte Debatte«: Immer mehr Stimmen aus der »Wirtschaft« stellen Abgrenzung zur AfD in Frage
Von Kristian Stemmler
4.jpg
Eine »Wirtschaftswende« fordert der Verband »Die Familienunternehmer« vor dem Kanzleramt (Berlin, 8.10.2025)

Dass die AfD eine ausgeprägt »wirtschaftsfreundliche« Programmatik hat, ist der deutschen Bourgeoisie nicht verborgen geblieben. Während die großen Parteien vorläufig noch auf Abgrenzung von der Rechtsaußenpartei festgelegt zu sein scheinen, ziehen die ersten Kapitalisten eigenhändig Steine aus der »Brandmauer«. Der Verband »Die Familienunternehmer« geht jetzt voran: Der Organisation, der rund 6.500 »familiengeführte« Unternehmen angehören, darunter große Konzerne wie BMW, Merck oder Dr. Oetker, gibt die bisherige »Brandmauer«-Linie auf, wie das Handelsblatt am Montag berichtete.

»Im Kern geht es um die Interpretation, was die Brandmauer zur AfD überhaupt ist bzw. was sie bezwecken soll«, führte Verbandspräsidentin Marie-Christine Ostermann gegenüber der Wirtschaftszeitung aus. Für ihren Verband habe die »Brandmauer« sich bisher als eine »totale Isolation der AfD« dargestellt, die so weit gegangen sei, »dass wir AfD-Bundestagsabgeordnete prinzipiell nicht einluden«. Diese »Art Kontaktverbot« sei mit dem Parlamentarischen Abend des Verbandes auf Bundesebene Anfang Oktober aufgehoben worden. In Koalitionsregierungen wolle man die AfD allerdings nicht sehen, so Ostermann.

Tatsächlich hatte der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Albrecht von Hagen, damals bereits gegenüber The Pioneer erklärt, die »Brandmauer« zur AfD in der Wirtschaft, die von den meisten Verbänden aufrecht erhalten werde, sei gescheitert. Zugleich hatte von Hagen das Programm der AfD als »schiere Katastrophe« kritisiert. Besonders störte sich der Lobbyist an der Familienpolitik der AfD, die darauf ziele, dass »die Frauen wieder an den Herd sollen«, weshalb sie dann den Unternehmen fehlten. Auch das von der AfD geforderte Rentenniveau hielt von Hagen für nicht umsetzbar.

Bei der Stiftung Familienunternehmen – nicht mit dem Verband Familienunternehmen zu verwechseln – sieht man aktuell (noch) keine Veranlassung, die Position zur AfD zu ändern, wie das Handelsblatt ebenfalls am Montag berichtete. Vertreter der AfD oder der Linken würden nicht zu Veranstaltungen eingeladen, »weil deren Wertebasis in weiten Teilen nicht zu der von Familienunternehmen passt«, erklärte Stiftungsvorstand Rainer Kirchdörfer. Die Stiftung wird von diversen »familiengeführten« Großkonzernen gefördert, darunter die Schwarz-Gruppe oder Bertelsmann.

Weniger deutlich äußerte sich der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (BVMW) gegenüber dem Handelsblatt zur AfD. Die guten Umfrage- und Wahlergebnisse für die Partei sprächen »derzeit nicht dafür, dass die Strategie der Brandmauer erfolgreich funktioniert hat«, sagte Bundesgeschäftsführer Christoph Ahlhaus, der vor gut 20 Jahren kurzzeitig für die CDU Hamburgs Erster Bürgermeister war. Ahlhaus sprach von einer »lebhaften« Debatte in der mittelständischen Wirtschaft über die AfD. Sein Verband werde sich dazu »nicht wegducken und in seinen Gremien zeitnah eine Position erarbeiten«.

Das Handelsblatt holte auch Reaktionen zum Vorstoß des Verbands »Die Familienunternehmer« ein. Leif-Erik Holm, wirtschaftspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, zeigte sich erfreut. Die strukturellen Probleme des Landes seien »einfach zu groß, als dass man sich mit unsinnigen Brandmauern aufhalten könnte«, sagte er. Es brauche jetzt »eine Bündelung der freiheitlichen Kräfte, um aus der Misere zu kommen«.

Sebastian Roloff, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, erklärte dagegen, eine »gesichert rechtsextreme« Partei könne kein normaler Gesprächspartner sein. Die AfD lasse sich nicht durch eine Einladung zum Parlamentarischen Abend entzaubern. Auch der CDU-Wirtschaftsrat lehnt Gespräche mit der AfD ab. Die Partei stehe »in deutlichem Widerspruch« zur »freiheitlichen« Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Daher gebe es eine klare Beschlusslage, sagte die Präsidentin des Berufsverbands, Astrid Hamker, dem Handelsblatt: »Wir stellen Politikern dieser Partei keine Plattform zur Verfügung.« Die »Wirtschaft« ist offenbar schon einen Schritt weiter.

Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug

Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Mehr aus: Inland