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Aus: Ausgabe vom 25.11.2025, Seite 2 / Ausland
Kolumbien

Was hat der erste linke Präsident Kolumbiens erreicht?

Vor der Wahl 2026 sind Gustavo Petros Zustimmungswerte hoch. Die USA könnten sich einmischen, warnt Olimpo Cárdenas Delgado
Interview: Thorben Austen
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»Petro, wir unterstützen dich«: Demonstration in Bogotá, Kolumbien (24.10.2025)

Vergangene Woche hat das Onlineportal Cambio über einen Plan der USA berichtet, mit dem Kolumbiens Präsident Gustavo Petro wie auch sein Amtskollege Nicolás Maduro aus Venezuela wegen angeblichen Drogenhandels ins Gefängnis gebracht werden sollen. Was steckt dahinter, und wie reagierte die Regierung in Kolumbien?

Hintergrund sind die militärischen Drohungen gegen Venezuela. Die USA brauchen Kolumbien bei einem großangelegten militärischen Vorgehen gegen Venezuela als Aufmarschgebiet. Petro hat aber deutlich gemacht, dass es das unter ihm als Präsidenten nicht geben wird. Wir haben über 2.200 Kilometer gemeinsame Grenze mit Venezuela, viele familiäre Bindungen. Petro hat klar reagiert und anhand seiner Lebensgeschichte als ehemaliger Guerillero seinen Kampf gegen die Drogen verdeutlicht. Auch seine aktuelle Politik ist eindeutig. Tonnen von Kokain wurden beschlagnahmt, wichtige Drogenhändler inhaftiert. Trotzdem ist das alles sehr gefährlich. Die USA und die CIA haben gezeigt, dass sie in der Lage sind, Regierungen, mit denen sie nicht einverstanden sind, militärisch oder etwa durch Instrumentalisierung von Gerichten in dem betroffenen Land zu stürzen. Wir gehen davon aus, dass sich die Gringos massiv in die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr einmischen werden, um einem ultrarechten Kandidaten zum Sieg zu verhelfen.

Gustavo Petro, der erste linke Präsident Kolumbiens, hat seine Amtszeit fast beendet, im Mai 2026 wird neu gewählt. Was hat er erreicht?

Da muss ich etwas in die Geschichte zurückgehen. Die herrschende Klasse dieses Landes hat seit der Unabhängigkeit eine vergleichbar harte Repression praktiziert wie in der Kolonialzeit. Sie hat Indigene und Schwarze in Sklaverei gehalten. Dieses Erbe wirkt bis heute. Die Oligarchie Kolumbiens ist mörderisch und rassistisch. Vor diesem Hintergrund war der Wahlsieg von Petro ein großer Wandel an sich. Petro hat klargemacht: Kolumbien ist strukturell ein gleichsam feudal-mafiös regiertes Land. 90 Prozent des kultivierbaren Bodens sind in der Hand der Familien der Oligarchie. Diese nutzen ihn aber vielfach nicht, profitieren lieber vom Extraktivismus (Raubbau von Rohstoffen für den Export, jW). Petro hat daher als Ziel eine kapitalistisch-industrielle Entwicklungsetappe ausgegeben, auch durch industrielle Landwirtschaft. Das haben viele in der kolumbianischen Linken zum Teil nicht verstanden, sahen es als Allianz mit der Rechten, mit dem Unternehmersektor. Dabei lehrt der Marxismus, dass eine Entwicklung in Richtung einer sozialistischen Revolution nur in einem entwickelten Land möglich ist. Petro hat sich klar positioniert für Maßnahmen gegen die globale Klimaerwärmung, für Multilateralismus und gegen den Völkermord in Gaza. Das Volk Palästinas schätzt ihn für seine klaren Positionen. Auch in Kolumbien hat er, was hier sehr selten beim Ende einer Amtszeit der Fall ist, noch sehr hohe Zustimmungswerte.

Trotz des Friedensabkommens mit der FARC 2016 gibt es in Kolumbien weiter militärische Konflikte. Das Ganze ist unübersichtlich. Wer kämpft gegen wen und mit welchen Motiven?

Die Situation ist auch für viele Kolumbianer schwer zu verstehen. Es gibt die Gruppen der Dissidenten der historischen FARC, die die Waffen nicht abgegeben haben. Diese sind mittlerweile in mehr als ein Dutzend Gruppen zersplittert. Eine der größten ist der Estado Mayor Central von Néstor Gregorio Vera, alias Iván Mordisco, ein ehemaliger Kommandeur der FARC. Stützpunkte dieser Organisationen wurden vergangene Woche von der Armee bombardiert, wobei 19 Menschen ums Leben kamen, darunter 15 Minderjährige. Dann gibt es die ELN, die älteste noch aktive Guerilla Kolumbiens. Bei all diesen Gruppen geht es aber mittlerweile oft auch einfach um Kontrolle der Territorien, es gibt Angriffe auf Zivilisten. Und natürlich gibt es die ehemaligen Paramilitärs und Drogenkartelle. Petro versucht im Rahmen seines Zieles eines totalen Friedens mit allen zu verhandeln. Er geht weiterhin davon aus, die Armee demokratisieren zu können. Das war und ist aber schwer, denn diese Armee entstand im Kontext des Kalten Krieges unter US-Aufsicht. Sie ist ultrarechts und antikommunistisch, und dieser Geist reproduziert sich bis heute.

Olimpo Cárdenas Delgado ist Rechtsanwalt, Direktor der Zeitung Periferia und aktiv im Congreso de los Pueblos in Kolumbien

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