Zahnlose Zahlmeister
Von Reinhard Lauterbach
Die deutsche Regierung und die Spitze der EU haben mit deutlicher Distanz auf die bekanntgewordenen US-Pläne für eine Beendigung des Ukraine-Kriegs reagiert. Kanzler Friedrich Merz (CDU) sagte am Freitag kurzfristig Termine ab, um über den zwischen den USA und Russland ausgehandelten Plan zu beraten. Wie Bild unter Berufung auf Quellen im Kanzleramt berichtete, befürchtet man dort, dass die Ukraine zu einer »Kapitulation« genötigt werden könnte. Außenminister Johann Wadephul (CDU) gab an, der Plan sei »nicht abgeschlossen«; Ziel der Bundesregierung sei, dass die Ukraine aus einer starken Position heraus verhandeln könne. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sagte, jeder Friedensplan könne nur funktionieren, wenn die EU und die Ukraine mit »an Bord seien«. Eine implizite Sabotagedrohung aus Brüssel.
Von ukrainischer Seite überwogen die kritischen Stimmen. Der Sekretär des ukrainischen Sicherheitsrates und frühere Verteidigungsminister Rustem Umerow verlangte eine »respektvolle Haltung« gegenüber der ukrainischen Position. Die ukrainische Botschafterin in Washington, Olga Stefanischina, schloss Grenzänderungen zu Lasten ihres Landes kategorisch aus. Die 28 bekanntgewordenen Einzelelemente des Plans seien von der russischen Position geprägt. Daher gebe es nicht viel Sinn, über das Paket aus 28 Punkten im ganzen zu verhandeln. Offizielle Reaktionen aus Russland blieben bis Freitag mittag weiterhin aus. Präsident Wladimir Putin sagte allerdings am Donnerstag bei einem Truppenbesuch in der Ukraine, das russische Volk erwarte, dass alle Ziele der Militäroperation erreicht würden.
Aus dem zwischen den USA und Russland ausgehandelten Entwurf geht hervor, dass sich die USA von einem Ende des Krieges insbesondere wirtschaftliche Vorteile auf Kosten der EU versprechen. So soll der Wiederaufbau der Ukraine mit je 100 Milliarden US-Dollar aus dem in Europa eingefrorenen russischen Staatsvermögen und mit Mitteln der EU finanziert werden. Die Hälfte aller Profite aus dem Wiederaufbau müsse aber den USA garantiert werden, die nach dem vorliegenden Plan allerdings keinen Cent dazu beitragen würden. Auch die angesprochenen Sicherheitsgarantien für die Ukraine wollen sich die USA bezahlen lassen, nach Lage der Dinge von der EU.
Von der Front berichtete die russische Seite am Freitag, dass die Stadt Kupjansk im Bezirk Charkiw sowie die ebenfalls im Nordabschnitt der Front gelegene Ortschaft Jampil in russische Hand übergegangen seien. Östlich von Kupjansk seien 15 ukrainische Bataillone eingekesselt, meldete das Verteidigungsministerium. In der westukrainischen Stadt Ternopil dauerten die Aufräumarbeiten in dem durch russischen Raketenbeschuss zerstörten Wohnhaus auch am Freitag noch an. Die Zahl der Todesopfer des Angriffs in der Nacht zum Mittwoch stieg inzwischen auf 31. Das Haus steht in der Nachbarschaft eines für die ukrainische Rüstungsindustrie arbeitenden Betriebes. Nach ukrainischen Presseberichten könnte ein unvorsichtiges Posting eines Abgeordneten der Präsidentenfraktion »Diener des Volkes« den Angriff provoziert haben. Der Mann habe die Fabrik »Orion« vor 14 Tagen in einem Video auf X namentlich genannt und erklärt, dort würden Geräte zur elektronischen Kampfführung produziert. Inzwischen behauptete der Politiker, er sei gar nicht am Ort gewesen – was für die Namensnennung ja auch nicht erforderlich war; die Aufnahmen seien in Wahrheit in Kiew entstanden.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (23. November 2025 um 18:21 Uhr)Warum »zahnlose Zahlmeister«? Treffender wäre: geldlose Zahlmeister, denn die EU finanziert alles auf Pump. Zur Ukraine heißt es, sie könnte zu einer »Kapitulation« gedrängt werden. Doch die Lage ist seit Sommer 2023 eindeutig: Die erwartete Gegenoffensive scheiterte, und seither befindet sich Kiew in der militärischen Defensive. Die Situation ist objektiv kapitulationsreif, auch wenn das politisch niemand aussprechen will. Besonders fragwürdig ist die Forderung, die Restukraine, mit knapp dreißig Millionen Einwohnern solle künftig ein Militär von 600.000 Soldaten unterhalten. Das ist völlig unrealistisch. Selbst Deutschland – ein Land mit 80 Millionen Einwohnern und einer starken Wirtschaft – hat aktuell nur etwa 183.000 aktive Soldaten und rund 49.000 Reservisten. Die Bundesregierung plant zwar, bis 2030 auf 460.000 Soldaten und Reservisten zu kommen, davon 260.000 aktive Soldaten. Dafür müssen jedoch mehr als 100.000 zusätzliche Freiwillige gefunden werden – und schon das gilt als extrem schwierig. Wenn also Deutschland mit seiner Bevölkerung, Wirtschaft und NATO-Struktur solche Mühe hat, wie soll dann die finanziell zerstörte und entvölkerte Ukraine ein 600.000-Mann-Heer dauerhaft finanzieren und unterhalten? Das ist militärisch wie wirtschaftlich völlig illusorisch. Nach einem möglichen Kriegsende wird sich die EU-Führung zudem einer unangenehmen Realität stellen müssen: Wo sind die riesigen Summen europäischer Unterstützung tatsächlich gelandet? Welche Wirkung wurde erzielt? Eine funktionierende Demokratie verlangt eine ehrliche Bilanz – und die dürfte für viele Verantwortliche in Brüssel alles andere als angenehm ausfallen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Oliver S. aus Hundsbach (22. November 2025 um 16:58 Uhr)Komisch! Warum sollte eine Macht, die seit Ende des Zweiten Weltkriegs maßgeblich Verwüstungen, Tod und Elend in diesem Ausmaß über unseren Planeten gebracht hat, um ihre globale Vorherrschaft aufrechtzuerhalten, Frieden in der Ukraine wollen? Zumal sie genau diesen Krieg, vorsichtig gesagt, irgendwie mitverursacht hat. Das Gelächter auf Moskaus vornehmen Straßen ist bis hier zu hören. Sie nehmen zwangsweise das Wort »Frieden« in die Münder, weil gerade die Frontlinien ihres Stellvertreters zusammenbrechen und die ukrainische Armee dringend eine Erholungspause (Minsk XY) braucht. Und warum sollten sie ihre Lakaien und Hausdiener, also die Europäer, zum jetzigen Zeitpunkt in die Schlacht werfen? Da scheint es doch viel lohnender, zu warten, bis Noskorius (KAZ) die unverzichtbare Kriegstüchtigkeit hergestellt hat und die Waffenlager durch Rheinmetall und Co. aufgefüllt worden sind. Die inszenierte Uneinigkeit zwischen Trump, Selenskij, Starmer, Macron und Merz dient auch dazu, für das Publikum den Schein aufrechtzuerhalten, dass etwas entschieden werden könnte, was nicht allein den Interessen der USA dient, und somit den Europäern etwas Raum für eine kleine, gesichtswahrende Kosmetik gestattet. Ohne Russland zu zerschlagen, Baerbocks EU-Auslandsbeauftragte-Zwillingsschwester hat es doch schon mal, unüberhörbar, zum Besten gegeben, wird es nix mit China! Wenn selbst sie es versteht, werden die anderen es doch auch verstanden haben. Oder? Ansonsten wird Trumps Botschaft, falls notwendig Mitglieder der Demokraten, die die »Sicherheitsinteressen« der USA gefährden, am nächsten Baum aufhängen zu lassen, auch europäische Politiker*innen erreicht haben. Rechnen sich Wladimir Putin und die Russen irgendwelche Vorteile von einem solchen Plan aus? Hoffen sie zusammen mit den Chinesen darauf, dass vielleicht eines Tages Vernunft ins Weiße Haus einzieht? Jedenfalls egal, wer da wann was unterschreibt. Kants ewiger Friede wird mit Sicherheit nicht dabei herauskommen. Business as usual!
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Gabriel T. aus Berlin (22. November 2025 um 11:41 Uhr)Es ist doch sehr amüsant zu sehen, wie aufgeregt hier die Politkaste und ihre Medienvertreter umherflattern wie die Hühner im Stall, wenn der Fuchs erscheint. Dass die Yanks langsam die Faxen dicke haben, ist ihnen nicht zu verdenken. Der Sieg der RF ist mittlerweile selbst für den Dümmsten absehbar. Dass die Schauspielermannschaft um Selenski seit Monaten vor allem damit beschäftigt ist, ihre geklauten Steuergelder irgendwo in Sicherheit zu bringen, ist außer in der EU-Presse auch jedermann bekannt. Dass Trump jetzt reagiert, bevor auch noch Odessa wieder russisch und die Ukraine damit vollends wertlos wird, ist auch irgendwie nachzuvollziehen, es geht schließlich auch um eine Masse Geld. Aber natürlich wird die EU einen Frieden zu verhindern wissen, es sind ja noch ein paar Ukrainer übrig die an der Front verheizt werden können, und wenn Selenski mit seinen hunderten Millionen in Israel abtaucht, wird sich schon noch ein Ukrofaschist finden der als Pappfigur den Präsidenten mimt und vielleicht endlich mal die 18jährigen an die Front schickt, die Deutschen haben da ja gute Erfahrungen. Auf in den dritten Weltkrieg, so könnte der Niedergang der EU vielleicht doch noch gestoppt werden.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Stephan K. aus Neumarkt i.d.OPf. (22. November 2025 um 09:34 Uhr)Russland will den Krieg beenden, weil er zu viel kostet. Menschen und ökonomische Ressourcen. Und vermutlich auch, weil Russland den großen europäischen Krieg oder gar Weltkrieg, um fast jeden Preis vermeiden will. Der EU-NATO-Teil tut so, als wenn er sich auf die Option größerer Kriege geradezu freut. Die USA haben viele Ziele in diesem Krieg erreicht. Ökonomisch sind sie vorerst der große Gewinner. Politisch müssen sie Terrain an Russland und die BRICS abtreten. Allerdings dürfte ein erfolgreicher Friedensschluss nicht nur dem Ego Trumps, sondern auch den USA zugute kommen. Russland hat einige Ziele erreicht. Niemand wird Russland wieder als zu ignorierende Regionalmacht betrachten. Es wird keine neuen Territorien mit NATO-Basen vor der Haustür geben. Vermutlich. Die Ukraine und die EU haben viel verloren und nichts erreicht. Sie verhalten sich nun wie der Zocker, der in der Spielbank schon seinen kompletten Bargeldbestand und seine Konten und Aktien verzockt hat und nun noch Haus und Hof einsetzt, in der Hoffnung, das in den letzten 30 Jahren ersparte und nun verzockte Vermögen wiederzubekommen. EU und Ukraine haben ökonomisch verloren, sie haben politisch und militärisch verloren, sie sind intellektuell und moralisch bankrott. Der materielle Bankrott ist in Arbeit. Vielleicht soll aber auch deswegen der Krieg aus Sicht von EU-»Eliten« weitergehen, weil sie einfach nicht den Hauch eines Plans haben, was sie mit dem Frieden anfangen können. EU und Ukraine, genauer, deren »Eliten«, werden ohne den Krieg sichtbar nackt dastehen. Geht der Krieg weiter, weil die Europäer das so wollen, dann spricht man beim nächsten Friedensplan von einer Grenze beim Dnepr und die Ukraine wird um einen Korridor zum Schwarzen Meer bitten. Wenn es dann die Ukraine noch gibt. Wenn es nicht vorher zum großen europäischen oder Weltkrieg wird. Letzteres wollen zumindest Russland und die USA aktiv vermeiden.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (21. November 2025 um 20:59 Uhr)Nix verstehn: Handelt es sich um »US-Pläne für eine Beendigung des Ukraine-Kriegs« oder um einen »zwischen den USA und Russland ausgehandelten Plan«? Wie ist die Quellenlage zum »ausgehandelten Entwurf«? Wenn Russland will, dass »alle Ziele der Militäroperation erreicht« werden sollen, kann es sich (und wird sich wohlweislich) die Zurückhaltung im derzeitigen Medienspektakel leisten. In Anlehnung an Helmut Höges Beitrag »Empathie und MDMA« (www.jungewelt.de/artikel/512035.empathie-und-mdma.html) lasse ich jeder AntlantikbrückerIn meine Empathie gegen eine Aufwandsenschägigung von tausend Euro pro Stunde zukommen, Spesen extra. Allerdings tut mir ein Grashalm mehr leid, wenn jemand drauftritt.
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