Athen als Einfallstor
Von Jörg Kronauer
Griechenland wird einer der wichtigsten Verbündeten der Vereinigten Staaten in Europa bei deren Bestreben, die globale »Energiedominanz« zu erlangen. Dies teilte US-Energieminister Chris Wright auf einer Ministerkonferenz der relativ wenig bekannten, aber, wie sich zeigt, wichtigen »Partnership for Transatlantic Energy Cooperation« (P-TEC) mit, die am Donnerstag und Freitag vergangener Woche in Athen stattfand. Die P-TEC versammelt – gesteuert vom US-Energieministerium – die USA, 24 Länder Europas sowie die EU zu Planungen, wie sich die Lieferungen von US-Energieträgern über den Atlantik ausbauen und verstetigen lassen. Hauptargument ist die Forderung, die europäischen Staaten westlich von Russland sollten sich komplett von dessen Rohstoffen trennen. Washington bedient sich dazu auch unter Präsident Donald Trump der Aussage, man wolle Moskau der Mittel zur Fortsetzung des Krieges in der Ukraine berauben. Wright bekräftigte entsprechend auf der Ministerkonferenz in Athen, die USA seien bereit, »jedes Molekül« russischen Erdgases in der EU durch US-Flüssigerdgas zu ersetzen.
Zweierlei stach auf der P-TEC-Ministerkonferenz hervor. Das eine: Griechenland hat zum ersten Mal seit mehr als vier Jahrzehnten seine Küstengewässer wieder für die Förderung von Erdgas geöffnet. Wie am Rande der Konferenz bekanntgegeben wurde, wird der US-Konzern Exxon Mobil nordwestlich von Korfu nach Erdgas bohren; die Förderung soll Ende 2026, spätestens Anfang 2027 beginnen. Exxon Mobil hält an einem dazu gegründeten Joint Venture mit den griechischen Unternehmen Energean und Helleniq Energy 60 Prozent. Das zweite: Die Planungen für den »vertikalen Korridor« sollen weiter forciert werden. Damit sind Pipelines gemeint, die aus Griechenland in Richtung Norden gehen, einerseits über Bulgarien und Serbien bzw. Rumänien nach Ungarn, andererseits über Bulgarien und Moldau in die Ukraine. Zum großen Teil handelt es sich dabei um alte Pipelines, die einst russisches Erdgas in Europa verteilten, jetzt aber umgenutzt werden. Erste Lieferungen in die Ukraine gibt es bereits. Allerdings müssen noch einige Lücken und Schwachstellen in den Pipelinenetzen gestopft und ausgebaut werden.
Hauptprofiteure des »vertikalen Korridors« sind Griechenland und die USA. Griechenland dürfte dank ihm zu einem zentralen Umschlagpunkt für US-Flüssigerdgas in Europa aufsteigen. Bislang verfügt es über zwei LNG-Terminals, eines auf der Insel Revithoussa westlich von Athen, ein zweites, 2024 in Betrieb genommenes im Norden bei Alexandroupolis unweit der Grenze zur Türkei. Drei weitere sind geplant; gemeinsam könnten sie ein Umschlagvolumen von rund 25 Milliarden Kubikmetern Erdgas erreichen. Griechenland verbraucht zur Zeit gut sechs Milliarden Kubikmeter; mit dem Rest könnte es über den Export eine Menge Geld verdienen.
Die USA wiederum erhalten zum einen die Chance, ihre Frackingindustrie weiter zu füttern. Seit Trumps Amtsantritt ist die Förderung von US-Erdgas bereits kontinuierlich gestiegen; im Oktober exportierten die Vereinigten Staaten als erstes Land weltweit ein Monatsvolumen von mehr als zehn Millionen Tonnen Flüssigerdgas. Das war insbesondere aufgrund der Steigerung der Exporte nach Europa möglich – von 6,22 Millionen Tonnen im September auf 6,9 Millionen im Oktober. Europäische Staaten sind mit einem Anteil von mittlerweile 69 Prozent die mit Abstand größten Abnehmer von US-Flüssigerdgas. Die Trump-Regierung will die Exporte weiter steigern, um – das ist ihr zweites erklärtes Ziel – global »Energiedominanz« zu erreichen. Das soll helfen, ihre wankende Vormacht weltweit wenigstens eine Zeitlang zu bewahren.
Branchenexperten weisen darauf hin, dass gesteigerte US-Flüssigerdgaslieferungen die Sicherheit der EU-Energieversorgung nicht erhöhen. Ihre Abhängigkeit von den USA wächst rasant; im ersten Halbjahr 2025 kamen 57 Prozent aller EU-Flüssigerdgasimporte von dort, im Oktober bereits 60 Prozent – mit steigender Tendenz. Bereits jetzt hat sich die EU etwa beim Zolldeal mit der Trump-Regierung als leicht erpressbar erwiesen. Allerdings geht der Gasverbrauch in der EU laut Prognosen von Experten langfristig zurück, unter anderem dank des Ausbaus der Nutzung erneuerbarer Energieträger. US-Energieminister Wright forderte in Athen denn auch von der EU, ab sofort die Finger von Wind- und Solarenergie zu lassen.
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