Souverän einseitiger Fördertopf
Von Ralf Wurzbacher
Mehr »ökonomische Souveränität« zu erreichen, sei eine »Schlüsselaufgabe« der Koalition, sagte am Wochenende Jens Spahn dem Handelsblatt. Gemünzt hat der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende im Bundestag das ausdrücklich auf China, dessen »sicherheitsrelevante Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland« in einem fortlaufenden Prozess überprüft gehörten. So steht es in einem Antrag von Union und SPD, den die Fraktionen am Dienstag gemeinsam beschließen wollen. Geplant ist die Einsetzung einer Kommission unter Beteiligung von »Experten«, die die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft insbesondere bei Energie- und Rohstoffimporten »besser managen« solle. Mit dem »regelmäßigen China-Check« wolle man »analysieren und dann, wo nötig, gegensteuern« – mit Maßnahmen zum »Derisking«, etwa durch Änderungen im Außenwirtschaftsrecht.
Als eine Gefahr sieht die hiesige Industrie zum Beispiel Engpässe bei Germanium. Der Rohstoff wurde einst in Deutschland gefunden, wird heute wegen der aufwendigen und teuren Gewinnung aber fast ausschließlich aus der Volksrepublik importiert. Im ersten Halbjahr waren die Einfuhren nach Europa um 60 Prozent eingebrochen, was die Preise kräftig steigen ließ. Hintergrund sind Restriktionen Beijings bei der Vergabe von Exportlizenzen an heimische Unternehmen. Die Staatsführung wolle »Dual-Use-Güter unterbinden, also verhindern, dass das Material für militärische Zwecke eingesetzt wird«, schrieb unlängst das Magazin Capital. Genau dafür jedoch braucht die BRD das Zeug gerade massenhaft, weil es speziell bei Hightechkomponenten etwa in Waffensystemen der Luftabwehr verbaut wird. Stockt es beim Nachschub mit Germanium, stehen die deutschen Aufrüstungsambitionen in Frage. Womit der Fall zeigt, dass »Risiko« und »Derisking« eine Frage der Perspektive sind.
Gegen China richtet sich ein weiteres Projekt der Bundesregierung: ein aus staatlichen Mitteln gespeister Rohstofffonds mit dem Ziel, die Versorgung der Wirtschaft zu sichern sowie die Resilienz der Lieferketten und der Volkswirtschaft insgesamt zu stärken. Die Idee dazu hatte die Ampel entwickelt und den Fördertopf offiziell schon vor einen Jahr aufgesetzt. Allerdings gab es bis zuletzt Abstimmungsprobleme zwischen dem Wirtschafts- und Finanzministerium, während sich bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) die Genehmigungsanträge türmten. Nun haben sich die Ressortchefs Katherina Reiche (CDU) und Lars Klingbeil (SPD) auf eine Absicherung der Finanzierung geeinigt und grünes Licht für vorerst drei Vorhaben gegeben. Bei einem geht es um Kupfer-Gold-Ausbeutung in Kanada, beim zweiten um den Abbau seltener Erden in Australien.
Das dritte dreht sich um Lithiumgewinnung im Oberrheingraben, wo sich eines der größten Vorkommen Europas befinden soll. Ende Oktober wurde dem Konzern Vulcan Energy die Baugenehmigung für eine Förderanlage im pfälzischen Landau erteilt. In diesem Jahr stellt der Bund zunächst 50 Millionen Euro zur Verfügung und will später 100 Millionen Euro nachlegen, private Investoren schießen weitere 1,9 Milliarden Euro zu. Nach Betreiberangaben böten die Bodenschätze Kapazitäten für die Herstellung von jährlich 500.000 Batterien für Elektroautos. Im Zeitraum von 2025 bis 2028 soll die KfW insgesamt eine Milliarde Euro aus dem Fonds verteilen. Pro Projekt werden zwischen 50 und 150 Millionen Euro kalkuliert.
Mögliche Abnehmer für deutsches Steuergeld gibt es auch in Bolivien, wo Außenminister Johann Wadephul (CDU) seit Montag auf Staatsbesuch ist. Das Land sei »reich an Rohstoffen, vor allem im Bereich Lithium, das für unsere Energiewende, für die Elektromobilität und für viele andere Felder in Deutschland unverzichtbar ist«, erklärte er vor seinem Abflug. Zuletzt hatte ein chinesischer Lieferstopp für den Chiphersteller Nexperia in den Niederlanden für helle Aufregung bei deutschen Autobauern gesorgt. Auslöser war jedoch eine handstreichartige Enteignung des chinesischen Konzernablegers durch Den Haag, verordnet von den USA. Das Zollabkommen zwischen Washington und der EU verpflichtet die Europäer dazu, in den kommenden drei Jahren US-Energie im Wert von 750 Milliarden US-Dollar einzukaufen, vor allem kostspieliges Frackinggas. Wie war das noch mit »ökonomischer Souveränität«, Herr Spahn?
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