Gegründet 1947 Sa. / So., 08. / 9. November 2025, Nr. 260
Die junge Welt wird von 3063 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 08.11.2025, Seite 1 / Titel
US-Imperialismus

Bis(s) nach Zentralasien

Neue Runde im Great Game: US-Präsident Trump zielt bei Gipfeltreffen in Washington auf Rohstoffe in strategisch wichtiger Region zwischen Russland und China
Von Jörg Kronauer
1.jpg
Seltene Erden hat er zum Fressen gern. Trump beim Abendessen mit zentralasiatischen Staatschefs in Washington (6.11.2025)

Die Vereinigten Staaten wollen künftig im großen Stil seltene Erden und andere kritische Rohstoffe aus Zentralasien importieren und auch ihren militärischen Einfluss in der Region wieder ausbauen. Dies kündigte US-Präsident Donald Trump am Donnerstag abend (Ortszeit) bei einem Empfang für die Präsidenten der fünf Staaten der Region im Weißen Haus an. Der direkte Zugriff auf »kritische Mineralien« aus Zentralasien sei »einer der wichtigsten Punkte« auf der US-Agenda, teilte Trump mit. Washington ist zur Zeit bemüht, sich so viele Vorkommen an seltenen Erden wie möglich unter den Nagel zu reißen, um vom bisher unersetzlichen Import aus China unabhängig zu werden. Zentralasien verfügt über große Vorkommen. Kasachstan hat im Frühjahr bekanntgegeben, eine riesige Lagerstätte erkundet zu haben, die rund 20 Millionen Tonnen seltene Erden enthalten könnte – halb soviel wie die gesamten Vorräte Chinas.

Die Trump-Regierung schließt mit ihrem Werben um die fünf zentralasiatischen Staaten an ältere Bestrebungen an, den Einfluss der USA in der strategisch wichtigen Region wieder zu stärken. Im Rahmen ihrer Machtexpansion nach dem 11. September 2001 hatten sie dort sogar Militärstützpunkte unterhalten, diese aber später wieder aufgeben müssen. Schon im Jahr 2015 hatte der damalige Präsident Barack Obama einen ersten US-Zentralasien-Gipfel abgehalten; Joe Biden hatte sich 2023 als erster US-Präsident mit den fünf zentralasiatischen Amtskollegen getroffen. Trump ist außerdem bestrebt, einen US-Militärstützpunkt im südlich angrenzenden Afghanistan wiederzueröffnen, um von dort aus China ins Visier zu nehmen. Zugleich will er den »Sangesurkorridor« aus der Türkei nach Aserbaidschan – zwischen Armenien und Iran hindurch – als Transportroute nach Zentralasien ausbauen. Ziel ist es, dort den Einfluss Russlands und vor allem Chinas zurückzudrängen.

Damit trifft Trump durchaus auf gewisse Sympathien, vor allem bei Kasachstan und Usbekistan, den beiden ökonomischen Schwergewichten der Region. Diese sind seit einiger Zeit bemüht, den traditionell dominanten Einfluss Russlands und den Wirtschaftseinfluss Chinas ein Stück weit abzuschütteln und mit einem Ausbau ihrer Beziehungen zu weiteren Ländern größere Eigenständigkeit zu erlangen. Kasachstan etwa will sich mit Unterstützung durch US-Konzerne zu einem regionalen IT-, vielleicht sogar KI-Zentrum entwickeln. Um die Kooperation mit den USA in Schwung zu bringen, griffen die Präsidenten Kasachstans und Usbekistans jetzt zu den derzeit international üblichen Schleimereien gegenüber Trump, kündigten den Kauf von Boeing-Passagierjets und Investitionen in teils grotesker Höhe an. Trump behauptete etwa, Usbekistans Präsident Schawkat Mirsijojew habe ihm Investitionen in Höhe von mehr als 100 Milliarden US-Dollar bis 2035 versprochen. Kasachstans Staatschef Kassym-Schomart Tokajew sagte den Abschluss eines »Abraham-Abkommens« mit Israel zu. Freilich unterhält Kasachstan ohnehin schon diplomatische Beziehungen zu dem Land.

Experten schätzen die Aussichten der USA, echten Einfluss in Zentralasien zu erlangen, skeptisch ein. Die gesamte Region stehe Russland und China nicht nur geographisch »sehr nahe«, sagte etwa Schairbek Dschurajew, Präsident der Denkfabrik »Crossroads Central Asia« aus Kirgisistans Hauptstadt Bischkek, gegenüber Al-Dschasira. Das sei »eine harte geopolitische Realität«. Auf viel mehr als eine gewisse »Präsenz« in Zentralasien könne Washington kaum hoffen.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besondere Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Proteste außer Kontrolle. Das von Demonstranten in Brand gesetzt...
    08.01.2022

    Postsowjetische Pulverfässer

    Russlands zentralasiatische Südflanke ist ein Hinterland voller Risiken. Stabilisieren kann Moskau die Region nur an der Seite Chinas
  • Der russische Militärstützpunkt in Duschanbe in Tadschikistan (2...
    22.07.2021

    Von Misstrauen geleitet

    Russland bietet angeblich den USA gemeinsame Nutzung von Militärbasen in Zentralasien an. Ziel: Afghanistan unter Kontrolle halten
  • Gruppenbild der Staatschefs von Kirgisien, Kasachstan, China, Ta...
    04.09.2008

    Geopolitische Partnerschaft

    Hintergrund. Die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit: Gegengewicht zum ­westlichen Imperialismus in Zentralasien