Die Kompradoren in La Paz
Von Philip Tassev
Die chinesische Führung hat das außenpolitische Motto Theodore Roosevelts voll und ganz verinnerlicht: »Speak softly and carry a big stick«. Immer wieder betont die Volksrepublik ihre Bereitschaft zum gleichberechtigten Handel mit den europäischen Mächten, hat aber mit ihren – fürs Erste wieder ausgesetzten – Exportkontrollen für bestimmte Rohstoffe auch gezeigt, welchen Knüppel sie zu schwingen vermag. Und ein »big stick« ist das in der Tat: Chinesische Konzerne kontrollieren verschiedenen Angaben zufolge bis zu Dreiviertel der globalen Lithiumverarbeitung. Die kriselnde deutsche Autoindustrie ist für den viel beschworenen Wechsel hin zur sogenannten E-Mobilität bislang zwingend auf Lithiumbatterien angewiesen.
Die deutsche Regierung hat das sehr wohl verstanden. Doch statt das Verhältnis mit Beijing zu entspannen, treibt man in Berlin – wo man kein Problem damit hat, sich bei Flüssigerdgas oder strategischen Waffen an die USA zu fesseln – lieber die »Abkoppelung« vom »Systemrivalen« China voran. In diesem Zusammenhang ist auch der Rohstoffonds zu betrachten, der nun Bergbauprojekte am Oberrhein, in Australien und Kanada finanziert.
Und auch die jüngste Reise des Bundesaußenministers nach Bolivien steht unter diesem Zeichen. Das deutsche Kapital hat längst ein Auge auf die reichen Lithiumvorkommen im Südwesten des Andenlandes geworfen. Pünktlich zu ihrem ersten Arbeitstag trifft Johann Wadephul die neue bolivianische Regierung, um den rechten Präsidenten Rodrigo Paz nach eigenen Worten dabei zu unterstützen, »Bolivien zur Welt hin zu öffnen«, und um ihm »gute, partnerschaftliche Angebote« zu machen. Nun ist die Batterieproduktion eine äußerst kapitalintensive Hightechindustrie. Deutsche Konzerne wie BMW werden kaum darauf verzichten, den Mehrwert in ihren Batteriewerken in der BRD abzuschöpfen, während Boliviens neokoloniale Rolle als Rohstofflieferant zementiert wird. Expräsident Evo Morales wollte das stets verhindern. Die neuen Kompradoren in La Paz werden ihr Land hingegen wohl mit Freuden dem internationalen Finanzkapital ausliefern.
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