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Aus: Ausgabe vom 08.11.2025, Seite 3 / Ansichten

Zu viele Köche

Miliz verkündet Waffenruhe im Sudan
Von Ina Sembdner
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Vertriebene erreichen mit ihren letzten Habseligkeiten ein Flüchtlingscamp in Al-Dabbah (5.11.2025)

Das Drehbuch kommt einem bekannt vor: Die Massaker werden so monströs, dass vorgeblich Einhalt geboten werden muss. In Gaza war es die von Israel erzwungene Hungersnot – die Bilder verhungerter Kinder konnten auch die westlichen Unterstützer des Genozids nicht mehr wegreden; im Sudan sind es offenbar die Berichte zu Massentötungen von Zivilisten, die sogar aus dem Weltraum sichtbare Spuren hinterlassen haben. Bis Donnerstag nachmittag machten die Paramilitärs der RSF nicht den Eindruck, von ihrem Tun abzulassen, denn nach der blutigen Einnahme der norddarfurischen Hauptstadt Al-Fascher zogen sie gleich nach Kordofan, um die nächste Stadt unter Kontrolle zu bekommen. Dann aber folgte die Ankündigung, einer von den USA vermittelten Waffenruhe zuzustimmen – »um die katastrophalen humanitären Folgen des Krieges zu bewältigen und den Schutz der Zivilbevölkerung zu verbessern«, wie es in einer Erklärung derjenigen hieß, die die Stadt Al-Fascher seit Mai vergangenen Jahres unter einer gewaltvollen Belagerung gehalten hatten und jede Hilfe für die rund 300.000 Eingeschlossenen verweigerten.

Parallel zu der Eskalation in Norddarfur Ende Oktober mit Hunderten getöteten Zivilisten waren in Washington die Verhandlungen des sogenannten Quad – USA, Saudi-Arabien, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) – weitergegangen. Die Gespräche sollen letztlich an der Haltung der VAE speziell zu Al-Fascher gescheitert sein, wie etwa die Financial Times berichtete. Abu Dhabi habe demnach darauf bestanden, dass sich beide Seiten aus der Stadt zurückziehen sollten, eine Forderung, die RSF-Kontrahent Abdel Fattah Al-Burhan abgelehnt habe. Seine Antwort auf die einseitig erklärte Waffenruhe stand Freitag nachmittag noch aus.

Und während sich Abu Dhabi auch öffentlich als Mediator in Szene setzt, sprechen die von mehreren Seiten dokumentierten Hinweise auf konstante Waffenlieferungen der VAE an die RSF eine deutliche Sprache. Zumal RSF-Chef Mohammed Hamdan Daglo schon im Auftrag der Emirate Söldner in den Jemen-Krieg schickte. Auch die gleichzeitige Aufrüstung der Paramilitärs mit Drohnen, Lenkraketen und Luftabwehrsystemen unterfüttern die Vorwürfe. Abu Dhabi wiederum betreibe nach Ansicht eines ehemaligen UN-Waffeninspekteurs »geopolitisches Gaslighting«, wenn es seine Beteiligung am Krieg dementiere.

Im Hintergrund bleibt die US-Strategie mit Blick auf Israel. Während schnell die Rede war von islamistisch motivierten Verbrechen, liegen die Dinge im Sudan doch deutlich komplizierter. Daglo ist kein Islamist, sondern sieht sich als Speerspitze gegen islamistische Bestrebungen, im Einklang mit den VAE. Die wiederum befeuerte Al-Burhan, indem er nach und nach Kräfte der alten Garde um Langzeitpräsident Omar Al-Baschir wieder in den politischen und militärischen Betrieb zurückholte. Hier schließt sich der Kreis: Ein hochrangiger Offizieller der damaligen Regierung von Joe Biden erklärte dem Sudan-Experten Joshua Craze im April 2024, Sudan liege nicht in Afrika, sondern im Golf. Das Land stehe »nicht auf unserer To-do-Liste. Was wir tun müssen, ist, die Emirate auf der Seite Israels und gegen den Iran zu halten.«

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