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Aus: Ausgabe vom 07.11.2025, Seite 7 / Ausland
Nukleares Wettrüsten

Proben für den Atomkrieg

Nach der von US-Präsident Donald Trump angekündigten Wiederaufnahme von Atomwaffentests zieht Russland nach
Von Jörg Kronauer
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Mit Atomwaffentest wie diesem auf dem Bikini-Atoll wurden weite Landstriche und die Atmosphäre verstrahlt

Die Eskalationsspirale, die US-Präsident Donald Trump mit der Ankündigung neuer US-Atomwaffentests ausgelöst hat, dreht sich weiter. Am Mittwoch teilte Russlands Präsident Wladimir Putin mit, er habe die zuständigen Ministerien angewiesen, »Vorschläge zum möglichen Start von Vorbereitungsarbeiten für Atomwaffentests zu machen«. Zwar habe Russland sich immer an die Bestimmungen des Atomteststoppvertrags gehalten, erklärte Putin. Sollten die Vereinigten Staaten aber tatsächlich die Tests wiederaufnehmen, werde Moskau »seinerseits entsprechend antworten«. Am Mittwoch starteten die USA zudem eine nicht nuklear bestückte Interkontinentalrakete des Typs »Minuteman III«, um diese zu prüfen, wie es hieß.

Nach wie vor ist vieles an Trumps Ankündigung vom 30. Oktober nicht klar. Sein Vorwurf, Russland und China ebenso wie Pakistan und Nordkorea führten Atomtests durch, ist aller Wahrscheinlichkeit nach erlogen. Zwei Experten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, die über Daten aus weltumspannenden Messstationen verfügen, bestätigten am Mittwoch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, sie könnten Explosionen ab einer Sprengkraft von einem Zehntel der Hiroshima-Bombe überall auf dem Globus messen. Nukleare Sprengungen wären ihnen also aufgefallen. Die Fachwelt ist sich darüber hinaus einig, dass Washington nicht in der Lage wäre, kurzfristig eigene Tests durchzuführen. Die erforderliche Vorlaufzeit dafür wird durchweg auf mindestens mehrere Monate, vermutlich aber bis zu drei Jahre beziffert. Auch wäre für Tests von Atombomben und -sprengköpfen nicht das Verteidigungsministerium zuständig, das Trump damit beauftragt haben will, sondern das Energieministerium.

Auf der Suche nach den Motiven für den Vorstoß des US-Präsidenten gingen Beobachter zunächst davon aus, es handle sich um eine plumpe Reaktion auf Putins kurz zuvor erfolgte Mitteilung, Russland habe den atomgetriebenen Marschflugkörper »Burewestnik« und den gleichfalls atomgetriebenen Torpedo »Poseidon« erfolgreich getestet. Inzwischen verweisen US-Medien auf einen Artikel von Trumps ehemaligem Nationalen Sicherheitsberater Robert C. O’Brien, der im Sommer 2024 in Foreign Affairs erschienen und womöglich als eine Art Bewerbungsschreiben für einen Job in einer zweiten Trump-Regierung gedacht war. O’Brien forderte darin, die USA müssten »technisch und zahlenmäßig Überlegenheit über die kombinierten Atomwaffenarsenale Chinas und Russlands behalten«. Die USA und Russland verfügen über etwa gleich viele Sprengköpfe – rund 4.000 prinzipiell einsatzfähige, über 5.000 insgesamt. China allerdings hat die Zahl seiner Sprengköpfe westlichen Mutmaßungen zufolge von 300 auf 600 erhöht. Dies wäre als Reaktion auf die zunehmende Einkreisung der Volksrepublik durch das US-Militär erklärlich.

O’Brien schrieb – die Gefahr eines nuklearen Zweifrontenkriegs im Visier –, es gebe zwei Auswege aus dem Dilemma, das die sich abzeichnende atomare Unterlegenheit der USA gegenüber einem etwaigen russisch-chinesischen Bündnis für Washington darstelle. Nummer eins: gemeinsam mit Russland und China Abrüstungsverhandlungen starten. Nummer zwei: selbst weiter nuklear aufrüsten und dazu neue Atomwaffen testen – und zwar nicht nur, wie es seit den bislang letzten Tests der großen Atommächte in den 1990er Jahren üblich ist, per Computersimulation, sondern auch wieder real. Die Idee ist nicht neu. Sie wurde laut einem Bericht der Washington Post bereits im Frühjahr 2020 in Trumps erster Amtszeit diskutiert – in der Zeit, als O’Brien Nationaler Sicherheitsberater war.

Und heute? Am Mittwoch brachte Trump öffentlich nukleare Abrüstungsverhandlungen der drei großen Atommächte ins Gespräch. Russland wäre wohl dazu bereit. Aus der Sicht Chinas aber leuchtet nicht ein, wieso man mit einem um ein Vielfaches überlegenen potentiellen Angreifer über die Preisgabe von viel kleineren, in der Logik der Militärs zur Abschreckung nötigen Bestände sprechen soll. Der Weg zu Verhandlungen scheint also verbaut. Damit droht in der Tat ein neues nukleares Wettrüsten – denn zur einzigen echten Alternative, einer Politik ernsthafter Entspannung in den Beziehungen zu China, sind die USA nicht bereit.

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