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Aus: Ausgabe vom 07.11.2025, Seite 6 / Ausland
Spanien

Lawfare gegen die Justiz

Spanien: Verfahren gegen Generalstaatsanwalt ist Höhepunkt einer Reihe rechter Winkelzüge
Von Carmela Negrete
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Der juristische Krieg in Spanien geht weiter und erreicht nun die Gerichtsbarkeit selbst: Zum ersten Mal ist gegen einen Generalstaatsanwalt ein Verfahren eingeleitet worden. Seit Montag steht Álvaro García Ortiz in Madrid vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, ein Dokument veröffentlicht zu haben, das unter das Prozessgeheimnis fällt. Zwar könnte es so aussehen, als ob es um eine gegen die rechtskonservative Volkspartei (PP) gerichtete Indiskretion ginge, zumal García Ortiz von der sozialdemokratischen Regierungspartei PSOE ins Amt berufen worden war. Doch der Fall ist komplizierter, als er vor allem von rechten Medien in Spanien dargestellt wird, die García Ortiz’ Rücktritt fordern. Sie wollen, dass der oberste Strafverfolger des Landes seinen Hut nimmt. Die Tageszeitung Diario Red brachte es am 19. Oktober auf den Punkt: »Wenn ein Netzwerk von Kriminellen, unterstützt vom Oppositionsführer, von der Mehrheit der rechten und extrem rechten Medien sowie vom reaktionärsten Teil der Justiz und Staatsanwaltschaft, versucht, den obersten Strafverfolger des Landes mit Lügen und Lawfare zu stürzen, dann ist es die Pflicht aller Demokraten, sich dagegenzustellen.«

Bei genauerer Betrachtung ist der Fall klar. Die Zweite Strafkammer des Obersten Gerichtshofes unter Vorsitz des Richters Manuel Marchena wirft Generalstaatsanwalt García Ortiz vor, eine E-Mail des Partners der Präsidentin der Autonomen Gemeinschaft Madrid, Isabel Díaz ­Ayuso (PP), öffentlich gemacht zu haben. In dieser unterbreitet der geständige Straftäter Alberto González Amador, der während der Pandemie Provisionen in Höhe von zwei Millionen Euro für Masken und anderes medizinisches Material für die Region Madrid kassierte und 350.000 Euro Steuern hinterzog, einen Deal, um nicht ins Gefängnis zu müssen. Doch die Veröffentlichung erfolgte erst, nachdem in mehreren rechten Medien bereits die Antwort auf seine E-Mail verbreitet worden war. Auf diese Weise wurde der Staatsanwaltschaft unterstellt, dass sie es war, die eine solche Übereinkunft angeboten hatte. Ihr Antwortschreiben war aber von Díaz Ayusos’ Amt für Öffentlichkeitsarbeit durchgestochen worden. Erst daraufhin reichte die Pressestelle der Staatsanwaltschaft den ersten Brief weiter. Womöglich ein formaler Fehler. Prompt forderte der Anwalt des Straftäters jedoch eine Untersuchung gegen García Ortiz, die nun vom Obersten Gerichtshof eröffnet wurde.

Das ist Lawfare, also Kriegführung (Warfare) mit Hilfe von Gesetzen (Law). Es geht um den Missbrauch juristischer Verfahren zur Diskreditierung politischer Gegner. Denn jetzt steht auf spanischen Titelseiten, dass ein Verfahren gegen den Generalstaatsanwalt läuft, weil dieser einem Kontrahenten von Ministerpräsident Pedro Sánchez habe schaden wollen. Isabel Díaz Ayuso ist die zweitprominenteste Stimme der PP und wird oft als spanische »Trumpistin« bezeichnet. Gleichzeitig wird so von der Korruptionsaffäre um die Coronamasken abgelenkt. Schaden nimmt so das PSOE, dessen Ansehen bereits durch vorherige Skandale beschädigt ist.

García Ortiz, dem andere Staatsanwälte beistehen, ist jedenfalls trotz aller Unterstellungen und Schelte von rechts bisher nicht zurückgetreten und versichert, dass er die E-Mail nicht an die Presse gesandt hat. Der Journalist José Precedo, stellvertretender Direktor von Eldiario.es, bestätigt dessen Aussage und erklärte am Mittwoch vor Gericht, dass es nicht der Generalstaatsanwalt war, der seiner Onlinezeitung das Dokument geleakt hat: »Ich befinde mich in einem großen moralischen Dilemma«, betonte Precedo. »Ich weiß, wer die Quelle dieser Geschichte ist, aber ich werde sie aus beruflicher Geheimhaltungspflicht nicht preisgeben.« Ihm sei dabei bewusst, dass der Prozess sogar mit einer Haftstrafe für den Angeklagten enden könne. Die Rechtskonservativen sehen sich übrigens auch als Opfer von Lawfare der progressiven Justiz. Dass sich Ayusos Partner nachweislich Geld in die eigenen Taschen gesteckt hat, steht dem jedoch entgegen.

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