»Die Emirate sind der wichtigste Player«
Interview: Dieter Reinisch, Wien
Der bewaffnete Konflikt zwischen sudanesischen Regierungstruppen und den Kampfeinheiten der Rapid Support Forces, kurz RSF, hält seit April 2023 an. Wie blicken Sie auf die aktuelle Lage im Sudan?
Militärisch ist die wichtigste Entwicklung die vollständige Befreiung von Khartum. Im März wurden große Teile der Stadt befreit, doch im Westen, in Omdurman, hielten die RSF-Milizen noch ein Gebiet, das nun am 21. Mai befreit wurde. Die Rebellen sind nach Westen abgezogen und sind nun nur noch in den Gebieten Kurdufan und östlich davon in Darfur präsent. Sie haben am 29. Mai das Warenlager des World Food Programme der Vereinten Nationen in Al-Faschir, der Hauptstadt von Darfur, angegriffen. Die Stadt ist seit dem Februar vergangenen Jahres von den RSF belagert.
Wie hat die UNO reagiert?
Es gab im Juni 2024 eine Resolution des UN-Sicherheitsrats, welche die RSF dazu auffordert, die Belagerung zu beenden. Das ist nicht geschehen. Einen Tag nach dem Angriff auf das Warenlager haben sie ein Krankenhaus in El-Obeid, der Hauptstadt der Provinz Nordkurdufan, angegriffen, mehrere Dutzend Zivilisten und Patienten starben dabei. Am selben Tag wurde auch ein Markt beschossen. Dabei starben acht Menschen. In Port Sudan wurden seit dem 1. Mai mehrere Ziele getroffen, wie der Flughafen, ein Hotel und Einrichtungen zur Erdölproduktion. Besonders alarmierend ist, dass alle Angriffe mittels Drohnen erfolgten, die von den Vereinigten Arabischen Emiraten, VAE, geliefert worden sind – ein Land, das die RSF seit dem Beginn des Kriegs unterstützt.
In welchem Umfang?
Sie haben 4.000 dieser Raketen und Drohnen in ihrem Arsenal. Der Angriff auf Port Sudan kam aus dem Osten, also vom Roten Meer. Die Angriffe dienen vor allem der Elektrizitätsinfrastruktur. In manchen Städten gibt es seit zwei Monaten Blackouts. Außerdem werden Dieseldepots getroffen. Dies hat große Auswirkungen auf die kommende Regenzeit. Denn für die Landwirtschaft wird Treibstoff gebraucht, vor allem für die Traktoren. Wenn es also keine Möglichkeit gibt, die Ernte einzuholen, wird dies zu einer enormen humanitären Krise führen.
Von wem erfährt Ihre Seite Unterstützung?
Von Ländern aus der Region, vom Golf, aber auch Saudi-Arabien, Ägypten, dann noch Türkei, Indonesien, China sowie Russland. Auch die Ukraine hat 4.000 Tonnen Getreide gesendet.
Welche ökonomischen Interessen vermuten Sie auf seiten der VAE?
Sudan ist der drittgrößte Goldproduzent Afrikas, und nahezu alles Gold geht nach Dubai. Aber auch für die Landwirtschaft und andere Bodenschätze interessieren sich die VAE. Sie sind der wichtigste ausländische Player. Sie unterstützen die RSF und verfügen über große finanzielle Mittel, wodurch sie auch Nachbarländer beeinflussen. So kommen die Nachschubrouten für RSF aus dem Osten des Tschad, wo es auch Feldlazarette für ihre Kämpfer gibt. Die VAE üben auch Druck auf den UN-Sicherheitsrat aus.
Welches Programm verfolgt Ihr neuer Regierungschef?
Er ist seit Sonnabend im Amt, und seine Priorität wird sein, Stabilität und Sicherheit zu garantieren, die restlichen Gebiete von den RSF-Milizen zu befreien und danach zu ermöglichen, dass alle im Land Vertriebenen und die Geflüchteten wieder zurückkehren können. Dazu müssen aber die Strom- und die Wasserversorgung wieder sichergestellt werden. Sobald dies erreicht wird, muss der neue Regierungschef das Land auf einen politischen Dialog vorbereiten, der alle Gruppen umfasst. Dieser Dialog muss den Abschluss der Übergangsphase darstellen.
Laut den Vereinten Nationen beläuft sich allein die Zahl der Binnenflüchtlinge auf mehr als zwölf Millionen Menschen.
Viele intern Vertriebene und Geflüchtete kehren zurück. Allein aus Ägypten sind freiwillig 300.000 Menschen seit Januar zurückgekehrt. Im Land ist seit Jahresbeginn eine Million zurückgekehrt. Ein großes Problem ist die Stromversorgung. Meine Stadt wurde vor sechs Monaten befreit, und es gibt immer noch keine, dadurch gibt es wiederum Probleme mit der Wasserversorgung. Auf dem Land ist das ein geringeres Problem, weil die Menschen Solarenergie verwenden.
Magdi Ahmed Mofadal ist Botschafter der Republik Sudan in Österreich sowie bei den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen in Wien
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